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Am nächsten Morgen klingelte Reiner an der Tür von Pascal Grubensack, der mit Frau und Sohn im Johannesgraben wohnte und dort auch seine Werkstatt hatte. Der Künstler öffnete mit Schwung die Tür. Er trug einen altmodischen Hausmantel und hielt eine Kaffeetasse fest, die unverkennbar aus Undines Händen stammte. Er schaute die frühen Besucher böse an.

„Sagen Sie mal, wissen Sie nicht, wie spät es ist? Wer sind Sie und was wollen Sie?“

Reiner ließ sich nicht einschüchtern, sondern bellte sofort zurück, nachdem er dem Bewohner den Dienstausweis vor die Nase gehalten hatte.

„Nickich, Kripo. Meine Kollegin Fonnach. Wir sind hier wegen …“

„Ach, die Leiche. Kommen Sie rein. Kaffee?“

Eine Frau mit wirren Haaren, in einem pfirsichfarbenen Jogginganzug, der sofort den Blick auf ihren breiten Hintern lenkte, grüßte freundlich.

„Ich bin Cathrin, bitte nehmen Sie doch Platz. Wir sind gerade aufgestanden. Mein Mann war gestern noch sehr lange in seiner Werkstatt. Ich habe zugesehen, das mache ich immer.“

Jennifer lächelte, bedankte sich höflich für die Tasse Kaffee, die Cathrin vor ihr absetzte, und stellte sich vor. Eine zweite Tasse fand sich kurz danach vor Reiner.

„Das ist mein Chef, Kommissar Nickich. Wir möchten uns gerne mit Ihrem Mann über den Herrn von der Ausstellung unterhalten.“

„Allein?“

„Nein“, sagte Jennifer.

„Ja“, brummte Reiner.

„Na fein, da weiß die rechte Hand nicht, was die linke tut“, knurrte Pascal leise, aber Reiner hatte es gehört.

„Wenn ich Sie bitten darf, Frau Grubensack, es dauert nicht lange. Und nun zu Ihnen“, sagte der Kommissar ernst, als Cathrin aus der Küche heraus war. „Sie erzählen uns jetzt bitte detailliert, wie sich der Abend abgespielt hat. Ich höre Ihnen zu und rühre unterdessen mit meiner rechten Hand in der Tasse in meiner linken. Die beiden arbeiten nämlich sehr gut zusammen.“

Pascal überhörte den beißenden Sarkasmus und es kam die gleiche Geschichte über den Tisch geflogen wie bei den anderen. Reiner seufzte.

„Kannten Sie den Mann?“

„Wissen Sie denn nicht, dass er aus Berlin kam?“, fragte Pascal überrascht.

„Ich weiß alles, aber ich frage Sie trotzdem. Also?“

„Hatte er einen Namen?“

„Jonas Beilank.“

„Hm.“

Nun stand Pascal auf und lief in der Küche hin und her.

Dann stoppte er abrupt und sagte: „Nein, der Name sagt mir nichts.“

„Gut, Herr Grubensack“, erklärte Jennifer jetzt, „wenn Ihnen noch etwas einfällt, dann melden Sie sich.“

Sie war ebenfalls aufgestanden und wartete an der Tür, dass Reiner sich bewegte. Endlich trank er seinen Kaffee aus und verließ mit seiner Kollegin das Haus.

Im Auto fragte Jennifer: „Ist dir auch aufgefallen, dass der Typ sehr unruhig war?“

„War er das? Ich fand ihn nur arrogant.“

Damit war das Thema für Reiner beendet, aber Jennifer grübelte noch eine Weile. Der Künstler müsste eine sehr ruhige Hand haben, denn er stellte ja Miniaturen her. Da war das kleinste Zittern ein Problem und das hatte sie überrascht wahrgenommen. Aber sie schwieg, denn sie wusste, dass Reiner nichts mehr dazu sagen würde.

„Jetzt zu dem Fotoheini. Der wohnt in Buch.“

Im Haus war Pascal Grubensack jetzt heftig zitternd auf den Stuhl gesunken. Cathrin stand hinter ihm, weinte und strich ihrem Mann sanft über die Schultern.

„Er wird schon nichts damit zu tun haben.“

„Mensch Cathrin, du hättest ihn an dem Abend sehen müssen. Als ich ihm von dem Besucher und dem Foto erzählt habe, wurde er weiß wie eine Wand und rannte aus dem Haus. Dass er seitdem nicht erreichbar ist und auch nicht nach Hause kommt, macht mich wahnsinnig. Was, wenn Marcel, unser sanfter Sohn, diesen Mann getötet hat?“

„Das glaubst du doch wohl selbst nicht? Marcel würde nie jemandem etwas zuleide tun. Er ist ein Künstler wie du und wir haben ihn zu einem lieben und gütigen Menschen erzogen.“

„Aber du weißt doch, dass er Shirin bei der Suche nach ihrem Vater unterstützt? Und wenn das jetzt ihr Vater war? Was, wenn sie sich getroffen haben? Was, wenn der Mann sich nicht so verhalten hat wie erwartet? Wenn er zum Beispiel Shirin abgelehnt hat? Vielleicht ist Marcel vor Enttäuschung ausgerastet.“

„Da ist ein gewaltiger Denkfehler drin, mein Lieber! Du warst es doch, der gesagt hat, dass der Mann voller Sehnsucht nach seinem Kind war. Warum sollte er es denn ablehnen?“

„Ja, das schon, aber … Vielleicht ist etwas schief gegangen. Shirin hat mit ihrer Besessenheit schon viel kaputtgemacht. Wenn es ein Unfall war? Verdammt, warum kommt er denn nicht nach Hause?“

„Sei ein bisschen geduldig, er wird schon kommen. Er war sicher nur durcheinander und musste sofort zu seiner Freundin.“

„Wie kannst du so ruhig bleiben?“

Er legte seinen Kopf an den Bauch seiner Frau und schloss die Augen. Seit Marcel mit seiner Freundin zusammen war, gab es nur ein Thema: die Suche nach ihrem Vater. Die zwanzigjährige Shirin Möck hatte alle bisherigen Freunde in die Flucht geschlagen, denn die hatten schnell die Nase voll gehabt. Als ihre Mutter vor fünf Jahren an Krebs erkrankt war, hatte etwas in Shirin den Schalter umgelegt und aus Angst vor dem Verlust der Mutter und dem damit verbundenen Alleinsein hatte sie sich der Suche nach ihrem Vater verschrieben. Sie hoffte damit jemanden zu haben, der Familie für sie war, wenn ihre Mutter den Kampf gegen den Krebs verlieren würde. Die Mutter jedoch schwieg eisern über seinen Namen und das machte alles noch schlimmer. Marcel liebte Shirin, denn sie war schön und klug, und er lebte mit dieser Macke, wie er es liebevoll nannte.

Cathrin sagte sanft: „Ich bin seine Mutter, ich würde es spüren, wenn er so etwas Schlimmes getan hätte. Glaub mir, er hat nichts damit zu tun.“

Nun seufzte Pascal und ging in seine Werkstatt, um sich mit Arbeit abzulenken. Cathrin brachte die Küche in Ordnung, duschte, zog sich an und ging in die Stadt zum Einkaufen.

Als sie zurückkam, saß Marcel auf den Stufen vor dem Haus.

„Mama! Da bist du ja endlich. Ich habe geklingelt, aber Papa hört wohl nichts.“

„Wo warst du denn? Warum hast du nicht angerufen? Papa ist außer sich vor Sorge.“

„Ich war bei Shirin und wir haben über den fremden Mann geredet, der ein Foto seiner Tochter dabei hatte. Wir haben ihn gesucht, aber nicht wiedergefunden. Wir wollten doch nur das Foto sehen.“

„Er ist tot, mein Lieber.“

„WAS?“

„Er wurde am Morgen nach der Ausstellung mit einem Messer in der Brust in der Lohbach gefunden. Und Papa dachte, weil du abgehauen bist, dass du etwas damit zu tun hast.“

Sie nahm ihren Sohn mit ins Haus und dann in den Arm.

„Mann, Mama, das ist nicht euer Ernst!“

„ICH wusste immer, dass du keinem ein Haar krümmen könntest. Geh zu deinem Vater, sonst kann er nicht klar denken. Er weiß auch, dass du kein Mörder bist, aber er hat Angst dich zu verlieren.“

Sie küsste ihren Sohn, der ein Jahr älter als Shirin war, auf die Wange und schob ihn in Richtung Werkstatt.

Tod in Nastätten

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