Читать книгу Ärger in Nastätten - Ute Dombrowski - Страница 5
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ОглавлениеAm nächsten Morgen saß Bea Klümpert mit Silke Rösbert vor der Apotheke, wo sie sich zufällig getroffen hatten, auf der Bank. Der Mord an der jungen Frau war in aller Munde.
„Es soll Natalie sein“, flüsterte Bea.
„Welche Natalie?“
„Das Au-pair-Mädchen von den Krambachs.“
„Nein!“
„Doch. Ich habe sie auch schon eine Weile nicht gesehen.“
„Hast du mit den Krambachs gesprochen?“
„Nein, was denkst du denn? Die sind sicher durch den Wind. Das war doch erst gestern.“
„Und ich dachte immer, Nastätten ist friedlich und nicht gefährlich.“
Ein weißer Transporter bremste und fuhr schwungvoll und schräg in die Parklücke. Eine Frau mit Kinderwagen, die nicht mehr vorbei konnte, begann zu schimpfen. Jetzt öffnete sich die Tür und Günther Betzberger sprang heraus. Er hatte einen Arm in der Schlinge und war schlecht gelaunt.
Die Frau mit Kinderwagen fauchte ihn an, aber Günther blieb unbeeindruckt.
„Fahr wo anners lang!“
„Na hören Sie mal!“
Bea und Silke wurden Zeugen einer heftigen verbalen Schlacht, nach der die Frau kopfschüttelnd den Kinderwagen um das Fahrzeug herumschob, immer der Gefahr des laufenden Verkehrs ausgesetzt. Wie zur Bekräftigung hupte es laut.
„Der Günther, tz, tz …“
Bea und Silke kannten den Künstler nicht anders. Er pochte stets auf das Recht, aber nur so, wie es ihm in den Kram passte. Der große Mann war in der Apotheke verschwunden. Als er wieder herauskam, entdeckte er die beiden Frauen.
„Na, da habt ihr ja gleich wieder was zum Tratschen. Moin Bea, Silke.“
„Günther“, sagte Silke freundlich, „was hast du denn mit deinem Arm gemacht?“
„Ich habe mir die Schulter ausgerenkt. Bin von der Leiter gefallen. Die hat sicher jemand manipuliert.“
„Wer sollte denn so etwas tun?“
„Dieselben Typen, die immer rummeckern. Meinen lieben Nachbarn passt es nicht, wenn ich arbeite. Aber das ist mir egal. Und wenn sie noch so viele Anschläge planen, mich kriegen die nicht klein. Aber jetzt mal raus mit der Sprache, warum hockt ihr hier herum und tratscht?“
„Hast du noch nichts von dem Mord gehört?“
„Nein, was denn für ein Mord?“
Bea erklärte: „Ich kann es nicht beschwören, aber jemand hat das französische Au-pair-Mädel von den Krambachs umgebracht.“
„Welche Krambachs?“
„Die mit den Drillingen - drei Jungs, du meine Güte, und dann alle auf einmal. Also wenn du mich fragst, das war keiner von hier?“
„Was? Wer soll der Frau denn sonst die Kinder gemacht haben?“
„Ach Günther, das meine ich doch gar nicht. Der Lutz ist natürlich der Vater von den Kindern, ich meine doch den Mörder. Der ist nicht von hier.“
„Sag sowas nicht. Der letzte Mörder war auch von hier. Schade um den Henner. War ein guter Mann.“
„Wie bitte?“, fuhr Silke Günther jetzt an. „Du spinnst wohl, von wegen guter Mann. Er hat seine Frau und die Kinder misshandelt, alles schön hinter der sauberen Fassade. Und dann hat er einen Menschen getötet.“
„Papperlapapp! Die haben das selbst herausgefordert. Das Mädel, das jetzt tot ist, hat bestimmt einen kurzen Rock angehabt und die Kerle um den Verstand gebracht. Eine Französin … das sagt doch alles.“
Bea und Silke waren wütend, aber als Silke weiterschimpfen wollte, legte ihr Bea eine Hand auf den Arm.
„Lass, das hat keinen Sinn, den Sturkopf bekehrst du nicht mehr. Geh mal was schaffe, Günther. Wir müssen jetzt auch los.“
„Schaffe, schaffe! Mit der Schulter kann ich nichts schaffe.“
An seine schmerzhafte Schulter erinnert, machte er sich wütend auf den Heimweg. Bea und Silke beschlossen, Undine einen Besuch abzustatten.
Die Keramikerin saß vor ihrem Brennofen und schaute mit fachmännischem Blick in die Flammen. Sie erkannte an der Farbe, welche Temperatur der Ofen hatte. In der Nacht hatte sie noch einen Satz des Geschirrs, dass sie vor dem Krankenhausaufenthalt zum Trocknen aufgestellt hatte, entdeckt und wollte ihn heute noch brennen.
„Hallo, Undine!“, riefen die beiden Besucherinnen gleichzeitig.
„Oh, wie schön, setzt euch, ich wollte eben eine Pause machen.“
Als sie im Tisch vor der Remise saßen, berichtete Bea von ihrem Zusammentreffen mit Günther. Wortreich machte sie ihrem Unmut über die unhöfliche Art des Holzkünstlers Luft.
„Wenn der Günther jetzt nichts zersägen kann, macht das seine Laune um tausend Prozent schlechter. Aber lassen wir das Thema, es gibt etwas, das spannender ist.“
Die beiden schauten Undine an und nickten.
„Ich musste Reiner versprechen mich herauszuhalten. Wisst ihr schon, dass es eine neue Leiche gibt?“
Silke sagte: „Ja, das arme Mädchen. Bea wusste, dass es Natalie ist, das Kindermädchen von den Krambachs. Wie alt war sie nochmal? Weißt du das?“
„Einundzwanzig. Ich hatte sie mal beim Einkaufen getroffen und da erzählte sie mir ganz stolz, dass ihre Großmutter immer gesagt hat, dass man erst mit einundzwanzig richtig erwachsen ist. Sie ist in Formerie bei ihrer Großmutter aufgewachsen, weil ihre Eltern bei einem Flugzeugabsturz umgekommen waren. Das arme Mädchen, sie kam nach Deutschland, um die Sprache zu verbessern und wollte im Herbst wieder zurück.“
„Woher weißt du das alles?“
„Im letzten Jahr, als sie kam, hatten mich die Krambachs um Unterstützung bei den ersten Sprachbarrieren gebeten. Das hat ganz gut funktioniert.“
„Ich bewundere das Mädel. Mit drei aufgeweckten Jungs zurecht zu kommen, ist eine großartige Leistung.“
„Ach Silke“, sagte Bea leise, „wenn man Kinder mag, dann klappt das, egal, wie viele es sind.“
Die Frauen schwiegen, während Bea ihren Gedanken nachhing. Sie dachte beim Thema Kinder immer wehmütig daran, wie es wohl gewesen wäre, wenn sie ihr Kind nicht verloren hätte.
„Was sagt denn Reiner?“, wollte Silke wissen.
Jetzt lauschte auch Bea wieder neugierig, aber Undine konnte nichts Aufregendes berichten.
„Tja, ich muss mich heraushalten, sonst ist Reiner sauer. Aber …“
„Aber?“
„Ich könnte ja mal die Krambachs besuchen und ihnen meine Hilfe anbieten.“
Die Freudinnen grinsten.
„Dagegen kann er nichts sagen, das ist hilfsbereit.“
„Wie geht es dir denn? Kannst du ruhig schlafen?“
Undine zuckte mit den Schultern.
„Ich wurde gerettet und irgendwie konnte ich dem Kerl nicht mal böse sein. Er tat mir leid. Es ist immer furchtbar, wenn man ein schlimmes Schicksal aushalten muss. Das kann einen Menschen schon irre machen.“
„War er denn offiziell irre?“
„Nein, er war ganz klar und hatte alles lange geplant. Er wollte die Menschen bestrafen, weil sie nicht geholfen haben. Allerdings wusste er nicht alle Fakten und so ist eigentlich alles falsch gewesen.“
„Wie gut, dass du überlebt hast, meine Liebe!“, rief Bea.
Sie verließen den Hof und Undine wendete sich wieder dem Feuer im Brennofen zu.