Читать книгу Ärger in Nastätten - Ute Dombrowski - Страница 8

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Am Montagmorgen saß Reiner schon am Schreibtisch und schaute mit einem Lächeln hoch, als Jennifer eintrat. Sie setzte sich ihm gegenüber hin.

„Wie war dein Wochenende? Hattest du einen schönen Geburtstag?“

„Ja, es war sehr nett.“

Reiner wollte seiner Kollegin nicht alles verraten, also stand er auf und erklärte, dem Dienststellenleiter den Bericht bringen zu wollen. Er hatte gut gegessen, einen unterhaltsamen Abend mit Undine verbracht und das erste Mal bei ihr übernachtet. Die Krönung war der Sonntagmorgen gewesen, als er das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit neben einer Frau aufwachte. Undine hatte gegrinst und sich noch einmal in seine Arme gekuschelt. Beim Frühstück im Garten wurde ihm bewusst, dass er mit diesem neuen Leben das große Los gezogen hatte. Plötzlich konnte er gar nicht mehr verstehen, dass er das Allein-Leben einmal super fand.

Sie hatten einen langen Spaziergang mit Zorro gemacht, waren im Schwimmbad, saßen lesend vor der Remise und als Jasmin sich zum Kaffee zu ihnen setzte, redeten sie bis zum Abend, aßen und tranken und Reiner fühlte sich rundum gut. Im Stillen hatte er sich vorgenommen, diese Frau, die ihm ein Gefühl von Ankommen und Zuhause gab, nie wieder loszulassen.

„Wie denn? Was denn? Kein Bericht?“, hörte er Jennifers Stimme hinter sich.

Er zwinkerte und schlüpfte durch die Tür. Jennifer lachte und fuhr ihren Computer hoch. Als Reiner zurück war, erzählte sie ihm von ihren Ermittlungen am Wochenende.

„Tja, und dann müssen wir uns den Sportlehrer vornehmen. Zu ihm hatte Natalie Kontakt und hat Italienisch gelernt. Juliano Nunnio, ich habe mich schon mal auf der Straße mit ihm unterhalten. Er sieht gut aus und ist ein netter Typ.“

„Aha.“

„Nichts aha. Wir sind uns zufällig begegnet.“

„Aber er gefällt dir?“

„Seit ich weiß, dass er in dem Fall drinhängt, nicht mehr. Nie wieder ein Kerl, der womöglich der Täter ist.“

Reiner zog verwundert die Augenbrauen hoch. Die Sache mit Johannes musste Jennifer doch mehr zugesetzt haben als sie zugeben wollte, wenn sie einen netten Mann direkt ablehnte. Anscheinend hatte er ihr ja vorher gefallen.

„Woher weißt du denn, dass er der Täter sein könnte?“

„Das weiß ich natürlich nicht, aber im Moment sind alle verdächtig, die mit Natalie Bresionner Kontakt hatten.“

„Gut, du hast recht, wie machen wir denn jetzt weiter?“, fragte Reiner.

„Wir fahren nochmal in den Kindergarten, um mit den Frauen dort zu reden. Vielleicht haben sie etwas gesehen. Vorher gehen wir in die Gerichtsmedizin.“

„Tja, ich wundere mich auch schon, dass der Obduktionsbericht noch nicht hier ist.“

„Es war Wochenende. Der Doktor wartet sicher schon auf uns.“

Sie stand auf und Reiner folgte ihr hinaus. In der Gerichtsmedizin wurden sie von Dr. Jonn begrüßt.

„Ich wollte gerade hochkommen.“

Reiner setzte sich und genoss die kühle Umgebung.

„Dann schieß mal los.“

„Kannst du nicht lesen?“

„Ich möchte nicht lesen. Also, lieber Kollege, ich bitte um eine Zusammenfassung.“

„Na prima, aber egal. Ich würde meine Schuhe verwetten, dass der Tod von Natalie Bresionner keine Absicht war.“

„Wie kommst du darauf?“, fragte Jennifer entgeistert. „Bei einem Unfall hätte man doch den Notarzt gerufen.“

„Möglich, aber hört zu. Natalies Genick ist gebrochen, sie hat eine riesige Beule am Hinterkopf und einen Abdruck von einer harten Kante. Tisch, Stein … sowas in der Art. Ansonsten hatte sie Geschlechtsverkehr, aber nicht direkt vor ihrem Tod, sondern eher am Nachmittag. Sie haben ein Kondom benutzt. Ein paar Abdrücke an den Schultern könnten davon herrühren, dass sie gestoßen wurde, aber das muss nicht sein.“

„Das mit dem Sex wäre meine nächste Frage gewesen.“

„Liebe Kollegin, das habe ich geahnt.“

„Hat man ihr sonst irgendwie Gewalt angetan? Ich meine, hat sie weitere Verletzungen?“

„Nein, die Abschürfungen am hinteren Rücken und den Beinen kommen vom Transport. Warum man sie in den Kindergarten gebracht und dort abgelegt hat, müsst ihr herausfinden. Sie ist auf keinen Fall dort gestorben. Wir haben alles abgesucht, es gibt keine Kante, die diese Verletzung hervorrufen konnte.“

Reiner stand auf. Er ahnte, dass der Fall schwierig werden würde, denn einen Unfall zu verschleiern, das kam schon mal vor, wenn jemand in Panik war. Aber wer sollte die sympathische junge Frau getötet haben und vor allem: WARUM?

Jennifer wollte gehen, da fiel ihr noch etwas ein.

„Es gab kein Blut, oder?“

„Nein, die Kante muss stumpf gewesen sein. Sie hatte Blutungen im Gehirn, aber nur innen. Gestorben ist sie eindeutig am Genickbruch.“

Erst im Auto sprachen Reiner und Jennifer wieder miteinander. Sie waren beide in Gedanken versunken.

„Glaubst du an einen Unfall?“

Jennifer zuckte mit den Schultern und sagte: „Ich möchte es hoffen. Denn ein eiskalter Mord macht mir mehr Angst als ein Unfall, der von einem verzweifelten Täter vertuscht werden sollte. Weißt du, seit Johannes bin ich durcheinander. Ich … ich … ich habe Alpträume.“

Reiner fuhr auf den kleinen Parkplatz am Straßenrand und sah seine Kollegin an. Sie hatte feuchte Augen, verkniff es sich ab zu weinen. Sein Blick war ganz sanft.

„Was träumst du denn? Sperrt er dich ein?“

„Es ist viel schlimmer. Ich … ich erschieße ihn, bevor er das Feuer anzünden kann. Im Traum liebe ich ihn wie verrückt und heule, als ich abdrücke, aber wenn ich es nicht tue, stirbt Undine.“

„Mann, das ist krass. Vielleicht solltest du mal mit der Polizeipsychologin reden. Oder mit einer Freundin. Guck mal, Karla und du, ihr versteht euch doch gut, und sie hat auch viel Schlimmes erlebt, mit ihr kannst du sicher reden, einfach mal dein Herz ausschütten.“

„Das ist eine gute Idee. Zu der Psychotante will ich nicht.“

„Es gibt noch eine Möglichkeit: Du verliebst dich neu.“

Jennifer lachte laut los. Die trübe Stimmung war sofort verflogen.

„Ach, Reiner, wenn ich dir vor einem halben Jahr gesagt hätte, dass du mal Gefühle zeigen sollst, hättest du mich an den Nordpol versetzt. Das mit Undine ist der reinste Glücksgriff.“

„Ja, du hast recht. Ich hätte dich an den Nordpol geschickt. Und wenn du denkst, ihr Mädels könntet mir auf der Nase herumtanzen, dann tue ich das vielleicht noch. Ich bin froh, dass du wieder lachen kannst. Wollen wir jetzt deinen zukünftigen Traummann besuchen?“

„Nicht besuchen. Verhören!“

„Willst du im Auto warten oder traust du dich mit in die Höhle des Löwen?“

Reiner lenkte wieder auf die Straße und fuhr nach Nastätten. Juliano Nunnio wohnte in der Nähe der Schule in einer kleinen Wohnung. Als Reiner den Finger auf den Klingelknopf legen wollte, wurde die Tür geöffnet und eine junge Frau kam heraus. Sie zog kurz die schwarzen Augenbrauen hoch und schlüpfte an den Kommissaren vorbei. Eilig lief sie hinaus und war verschwunden, ehe jemand etwas sagen konnte.

„Oh, guten Tag, Frau Kommissarin“, sagte Juliano, als er die beiden in der Tür entdeckte. „Kommen Sie doch rein.“

„Nickich, Kriminalpolizei“, brummte Reiner und ging an dem jungen Mann vorbei in die kleine Küche.

„So sieht man sich wieder. Sie kommen wegen Natalie, nicht wahr?“

Er konnte seinen Blick nicht von Jennifer, die rot geworden war, lassen. Reiner sah, dass ihr die Begegnung unangenehm war und räusperte sich.

„Herr Nunnio, Sie kannten Natalie Bresionner? In welcher Beziehung standen Sie zu ihr?“

„Wir waren in keiner Beziehung, so, wie Sie sich das vorstellen. Ich habe sie in Italienisch unterrichtet. Sie kam ein bis zweimal die Woche, je nachdem, wie wir Zeit hatten. Wir haben uns immer spontan verabredet. Natalie hatte eine besondere Begabung für Sprachen. Sie wollte die Welt bereisen und auf ihrem Plan stand als nächstes Ziel Florenz. Ich wollte ihr helfen, eine Familie zu finden, bei der sie dort die Kinder betreuen konnte. Sie liebte Kinder über alles.“

„Das hört sich ganz nett an, aber Sie müssen verstehen, dass wir jeder Spur nachgehen.“

„Ich verstehe das, natürlich, aber glauben Sie mir, ich habe mit Natalies Tod nichts zu tun.“

„Wann haben Sie zuletzt Italienisch gelernt?“

„Darüber habe ich schon nachgedacht. Es war Mittwoch. Sie kam gegen sechs und ging gegen halb neun.“

„Wohin ist sie dann gegangen?“

„Keine Ahnung, ich denke, nach Hause. Oder zu ihrem Freund.“

„Sie kennen Frederick?“, fragte jetzt Jennifer. „Was wissen Sie über die beiden?“

„Ähm, wir haben Italienisch gelernt und uns über alles, was war, in dieser Sprache unterhalten. Natürlich hat sie ihren Freund und ihre Freudinnen erwähnt, aber nur, um zu sprechen. Konversation ist sehr wichtig.“

Dabei lächelte Juliano die Kommissarin so an, dass sie den Blick abwenden musste.

„Danke, das war es fürs Erste“, warf Reiner ein, um Jennifer zu retten.

Vor der Tür stieß er sie an.

„Der ist ja vollkommen in dich verschossen. Sag mal, wie seid ihr euch nochmal begegnet?“

„Hör auf! Ich finde ihn nett, aber das war es auch schon.“

Jennifer hatte bemerkt, wie sie auf Juliano wirkte und sie konnte das gar nicht einordnen. Mochte er sie wirklich? Wie sollte sie mit ihm umgehen? Schließlich war er ein Verdächtiger. Aber eines wusste sie ganz genau: Sie würde sich nicht erneut auf jemanden einlassen, der mit einem Fall in Verbindung stand. Andererseits war sie irritiert, welches Kribbeln sich in ihrem Bauch ausgebreitet hatte, während er sie so ansah. Sie schüttelte sich, um ihre Gedanken von Juliano loszureißen.

„Lass uns jetzt die Freundinnen befragen. Vielleicht wissen sie, wohin Natalie nach ihrem Unterricht und am Donnerstag zwischen dem Fußballtraining und der Verabredung mit Frederick gegangen ist.“

Reiner spürte Jennifers Verwirrung und wollte nicht weiter auf dem Thema Juliano herumreiten, darum nickte er und setzte sich ans Steuer.

Ärger in Nastätten

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