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Zur gleichen Zeit saßen Jennifer und Reiner bei den Krambachs. Heike, dreißig Jahre alt und Mutter der achtjährigen Drillings-Jungs, weinte. Vater Lutz, ein Jahr älter als seine Frau, sah betreten auf den Tisch.

„Warum haben Sie denn Natalie nicht vermisst gemeldet?“

„Sie hatte sich am Donnerstagmorgen nach dem Frühstück in ein verlängertes Wochenende verabschiedet“, erklärte Lutz Krambach, „wir haben gedacht, sie sei mit Freunden unterwegs.“

„Kennen Sie die Namen der Freunde?“

„Sie hat zwei Freundinnen, Marita und Linda. Die beiden sind sehr nette Mädels.“

„Sind die beiden aus Nastätten?“

„Ja, Marita arbeitet aber außerhalb. Linda in Nastätten im Supermarkt, Marita in Wiesbaden.“

„Hatte Natalie einen Freund?“

Jetzt lächelte Heike.

„Natalie war seit ein paar Wochen verliebt und wurde immer rot, wenn wir über ihn geredet haben. Er ist Student und heißt Frederick.“

Jennifer nahm ihr Notizbuch und erkundigte sich nach Namen und Adressen.

„Marita Mecken, Linda Kröwert, Frederick Mei­neltz …“

Als Jennifer alles notiert hatte, fragte sie: „Wissen die drei schon, dass Natalie tot ist?“

„Nein, es war schon schlimm genug, dass wir unseren Kindern sagen mussten, dass Natalie nicht mehr kommt. Sie haben das Mädchen ins Herz geschlossen. Es war sehr traurig.“

Reiner räusperte sich jetzt und fragte: „Können Sie sich vorstellen, dass die drei Freunde etwas mit dem Tod von Natalie zu tun haben?“

„Niemals! Das sind gute Menschen, anständige jun­ge Leute. Sie sind … waren gute Freunde. Auch Frederick ist ein ganz netter Kerl.“

„Das war es jetzt erstmal. Bitte überlegen Sie weiter und wenn Ihnen etwas einfällt, melden Sie sich. Wir werden auch auf Sie zukommen, wenn es Neuigkeiten gibt. Informieren Sie die Großmutter?“

Lutz Krambach nickte.

Als Jennifer und Reiner wieder auf der Straße standen, brannte die Sonne unbarmherzig auf sie herab. Der Kommissar schnaufte.

„Die armen Leute“, sagte Jennifer leise, „es wird sicher nicht so einfach sein, ein neues Kindermädchen für die Drillinge zu finden.“

„Ach, mir tut eher das Mädel leid, das jetzt tot ist. Sie stand am Anfang ihres Lebens. Und dann so frisch verliebt …“

Jennifer lächelte, waren es doch ganz neue Töne, die Reiner anschlug. Die Beziehung zu Undine bewirkte Wunder, wie es schien. Der ruppige Kommissar zeig­te Gefühle und sprach auch noch darüber. Plötzlich durchzuckte es sie wie ein Blitz.

„Mensch, Reiner, erster Juli - du hast ja heute Geburtstag! Alles Gute!“

„Mist, ich hatte so gehofft, dass niemand dran denkt. Wehe, du sagst es weiter.“

„Aber warum denn nicht? Geburtstag ist schön, man lässt sich umarmen, bekommt Geschenke, wird gefeiert. Hast du etwas geplant mit Undine?“

„Nein“, brummte Reiner, „sie weiß es nicht. Und das soll auch so bleiben.“

„Also, mein Lieber, jetzt mal ein bisschen Nachhilfe in Sachen Beziehung: Wenn man mit jemandem zusammen ist, dann verschweigt man seinen Geburtstag nicht, sondern lässt die komplette liebevolle Behandlung an diesem Ehrentag über sich ergehen. Außerdem vergisst man den Geburtstag seines Partners auf keinen Fall. Eine Frau bekommt schöne Rosen, ein Mann eher eine Topfpflanze oder Wein.“

„Da spricht die Expertin in Beziehungsfragen“, warf Reiner sarkastisch ein, der seine Wohnung schon voller absolut hässlicher Topfpflanzen vor sich sah.

„Das ist eben so, auch wenn es mit dem Doktor nicht funktioniert hat, aber das lag aus bekannten Gründen nicht an mir. Jetzt ruf Undine an und lade sie zum Essen ein! Und dann bestellst du zackig einen Tisch.“

„Wir haben aber noch keinen Feierabend.“

„Dann ordnest du den eben an, Chef.“

Reiner musste lachen, so vehement kämpfte seine junge Kollegin für das Feiern seines Geburtstages. Er hatte sich die letzten Jahre immer davor gedrückt, indem er Urlaub genommen hatte. Heute waren ihm leider die Ermittlungen dazwischengekommen. Seufzend nahm er sein Handy, rief zuerst Undine und dann den Bucher Hof an.

„Zufrieden?“

Jennifer nickt, gratulierte ihrem Kollegen jetzt nochmals zum Geburtstag und der ließ es sich sogar gefallen, dass sie ihn umarmte.

„Als Geschenk bekommst du nichts zum Auspacken. Ich mache für dich den restlichen Dienst am Wochenende. Das heißt, ich will dich morgen auch nicht im Büro sehen. Ich werde mit den Freudinnen und diesem Frederick reden und am Montag sehen wir weiter. Vielleicht hat einer von denen eine Idee für ein Motiv.“

„Ganz allein? Dann lass dich aber nicht wieder in den Keller sperren.“

Jennifer boxte Reiner gegen den Oberarm. Der Kommissar setzte sie bei Karla ab und fuhr zu Undine, die ihn mit einem Lächeln erwartete. Sie sah ihn mit sanften Augen an, reckte sich und küsste ihn auf die Wange.

„Alles Gute zu deinem Geburtstag. Ich wünsche dir ein langes Leben, viel Erfolg im Beruf und vor allem Gesundheit.“

„Das klingt aber feierlich. Hast du das vorher geübt?“

„So etwas kann ich spontan. Wenn du mir schon deinen Geburtstag verschweigst, dann darfst du nichts Großes erwarten.“

Reiner legte die Arme um Undines Taille und zog sie an sich. Als sich ihre Lippen berührten, fühlte er sich seltsam, aber angenehm heimisch. Es war wie nach Hause kommen und er dankte Jennifer im Stillen, dass sie ihn ein wenig geschubst hatte. Irgendwann schälte sich Undine aus seiner Umarmung und sah ihn an.

„Was ist denn passiert, dass du auf einmal so anschmiegsam bist? Liegt das an deinem fortgeschrittenen Alter?“

„Vielleicht. Vielleicht liegt es aber auch an einer ganz bestimmten Frau. Einer verrückten Künstlerin, die mir das Herz gestohlen hat. Ich habe für später einen Tisch im Bucher Hof bestellt. Ich muss jetzt nochmal heim und mich umziehen. Trotz des Mordes habe ich morgen frei, weil Jennifer den Dienst allein macht.“

Undine platzte fast vor Neugier, aber sie riss sich zusammen und fragte nichts zu den Ermittlungen. Wenigstens an Reiners Geburtstag wollte sie ihn nicht gegen sich aufbringen.

„Dann …“

Reiner sah auf.

„Ja?“

„Dann bring doch deine Zahnbürste mit. Du kannst hier übernachten und mit mir auf deinen Geburtstag anstoßen.“

Undine war sogar ein bisschen rot geworden. Reiner hingegen grinste.

„Wofür so ein Geburtstag manchmal gut ist … ich bringe auch gleich meine Pantoffeln mit.“

„Übertreibe es nicht!“

Jennifer hatte sich gefreut, dass Reiner auf sie gehört hatte und hoffte, dass die beiden einen schönen Abend hatten. Sie hatte ihr Auto am Morgen bei Karla gelassen, nahm jetzt den Zollstock und den Block aus dem Kofferraum, um endlich mal in Gedanken ihre neue Bleibe einzurichten. Als sie sich umdrehte und durch das Tor gehen wollte, prallte sie mit einem Mann zusammen, der ganz in die Welt seines Handys eingetaucht war. Das teure Telefon fiel auf den Boden und als der Mann es wieder aufgehoben hatte, zog sich ein Riss quer über den Bildschirm.

„Was soll das denn? Haben Sie keine Augen im Kopf?“, blaffte er die Frau an, die ihn genauso wenig gesehen hatte wie er sie.

„Oh, das tut mir leid, aber Sie sind in mich reingelaufen!“

Jetzt trafen sich ihre Blicke und der junge Mann lächelte.

„Sie sind die Kommissarin, nicht wahr?“

„Sieht man mir das an?“

„Nein, ich habe Sie in der Zeitung gesehen, damals bei dem Mord am Bucher Pfädchen.“

„Aha. Ich bin Jennifer Fonnach. Und wer sind Sie?“

„Juliano Nunnio.“

Er streckte Jennifer höflich seine Hand hin und sie griff zu. Seine Finger waren schlank und weich. Er machte einen höflichen, gebildeten Eindruck und schien sein kaputtes Handy vergessen zu haben.

„Italiener?“

„Meine Eltern sind Italiener, aber ich bin hier in Deutschland geboren. Wohnen Sie da?“

Er zeigte auf das Haus.

„Ich werde bald einziehen.“

„Das ist schön, vielleicht sieht man sich mal. Wegen des Handys machen Sie sich keine Sorgen, ich bin versichert.“

„Bis … irgendwann mal.“

Sie schaute ihm hinterher und war ganz fasziniert von seinen dunklen Augen mit den langen Wimpern. Seufzend ging sie in ihre neue Wohnung und auch beim Ausmessen und Zeichnen konnte sie den jungen Mann nicht vergessen. Eine halbe Stunde später schaute sie noch bei Karla vorbei, die auf der Terrasse saß. Neben ihr lümmelte ihr Sohn Julius, dessen Augen am Bildschirm seines Tablets klebten.

„Hallo Jennifer!“

„Hallo, ich habe alles ausgemessen und aufgemalt. Willst du mal gucken?“

Die beiden Frauen beugten sich über die Skizze.

„Julius, holst du bitte eine neue Flasche Wasser aus dem Kühlschrank?“

Der Junge rührte sich nicht, er schien vollkommen abwesend.

„Julius!“, wiederholte Karla.

Erst, als sie ihren Sohn ein drittes Mal ansprach, zuckte er zusammen und schaute hoch.

„Hallo Jennifer.“

Die Frauen begannen zu lachen und Julius schüttelte den Kopf.

„Ich hatte dich gebeten, noch eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank zu holen.“

Der schlanke Junge stand auf und verschwand im Haus.

Jennifer beugte sich zu Karla und flüsterte: „Ich habe eben einen schönen Mann getroffen. Der war so auf sein Handy fixiert, dass es ihm aus der Hand gefallen ist, nachdem er mich beinahe umgerannt hat.“

„Uh, ein schöner Mann. So etwas in Nastätten? Und wie geht die Geschichte weiter?“

„Gar nicht“, sagte Jennifer, die errötet war.

„Warum nicht? Steckt dir die Sache mit dem Doc noch in den Knochen?“

„Ja … nein … ach, ich weiß nicht. Aber er war schon süß. Juliano …“

Sie seufzte verträumt.

„Juliano Nunnio. Aha, ja, der ist ein schöner Mann.“

„Du kennst ihn? Woher?“

„Er ist der neue Sportlehrer von Julius. Er hat jetzt seine Ausbildung beendet, hatte seit Mai eine Vertretungsstelle, aber im neuen Schuljahr ist er mit einer richtigen Stelle in der Schule.“

„Na, das ist ja spannend. Aber wie gesagt, ein neuer Mann hat keinen Platz in meinem Leben. Ich will erstmal die neue Wohnung genießen. Allein. Prost.“

Julius hatte das Wasser nur hingestellt und war in sein Zimmer gegangen. Karla hatte eingegossen und nun prosteten sich die beiden Frauen zu.

Ärger in Nastätten

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