Читать книгу Das Orionband - Ute Friederici - Страница 11
Оглавление7. Kapitel
Wo Papa mir das Herz bricht und Julian nicht merkt, dass ich in seinem Bett schlafe
Leise schlich ich die Treppe wieder hinauf. Als ich die letzte Treppenstufe erreicht hatte, durchfuhr mich ein Mordsschreck: Ich hörte Geräusche aus der Toilette. Die Klotür stand offen. Da sah ich meinen Vater. Er saß auf der Kloschüssel. Sein Oberkörper wankte vor und zurück. Hatte er etwas bemerkt? Verlegen grinste er mich an. Er war total betrunken.
„Ich kann nicht pinkeln, mein Bärchen“, lallte er. „Dein Papa kann vor Schmerzen fast nicht mehr laufen und kann nicht mal mehr pinkeln. Hicks ... ein richtiger Nichtsnutz, ein echter Loser, dein Vater, kein Mann. Nicht laufen, nicht pinkeln, nicht ...“
Rasch stieß ich die Klotür zu. Ich hastete zurück in mein Zimmer, zerknüllte den Zettel, den ich bei Papas Sachen gefunden hatte, und warf ihn in die Ecke. Meinen Sportbeutel warf ich dazu.
Ich hockte mich auf die Bettkante und begann zu heulen. Ich schaltete das Radio ein: „I don’t wanna know…“, sang Mario. Im Hintergrund rappte P. Diddy. Ich drehte etwas lauter und schluchzte vor mich hin.
Nach einer Weile fiel mir ein, dass Julian nachts manchmal aufs Klo musste. Ich wollte nicht, dass er unseren Vater in diesem Zustand sähe. Ich stellte das Radio aus und putzte mir die Nase. Als ich an der geschlossenen Klotür vorbeischlich, hörte ich, dass Papa drinnen ganz laut weinte. Es brach mir das Herz.
Julian lag zusammengerollt auf der Seite. Im Lichtkegel der Taschenlampe sah ich, dass er die Zudecke fest um seinen Körper gewickelt hatte.
„Julian“, flüsterte ich, „Julian.“
Vorsichtig zerrte ich ein Stück Decke unter seinem Körper vor. Er murmelte irgendetwas.
„Darf ich mich zu dir legen?“
Wieder murmelte er Unverständliches. Er klang ja fast wie sein lallender Vater auf der Kloschüssel. Jetzt musste ich doch grinsen. Ich legte mich neben meinen Bruder, zog die Zudecke um uns beide und schmiegte mich eng an seinen Rücken.
„Alles wird gut, kleiner Bruder“, sagte ich leise und atmete den Kinderduft seines Nackens. Ich spürte, dass er schlaftrunken nickte. Durch einen Schlitz der geschlossenen Vorhänge ahnte ich das Morgengrauen.