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8. Kapitel

Wo ich Papa mal vergessen kann und mich bewege wie Rosé

Beim Aufwachen stellte Julian entrüstet fest, dass ein Weib mit ihm in seinem Bett gelegen hatte. Er protestierte lautstark. Ich musste bei einer der Witzfiguren der Star-Wars-Serie schwören, keinem seiner Freunde etwas davon zu erzählen. Trotzdem bot er mir seinen männlichen Schutz an, falls ich wieder mal nachts Angst hätte. Ich drückte ihn kurz, gegen seinen Willen.

Papa war zum Frühstück nicht erschienen. Mama sagte uns, er würde ausschlafen und dass er ganz überraschend einen Untersuchungstermin übermorgen in einer Klinik in Freiburg bekommen habe.

„Möchtest du eine Tasse heißen Kakao?“ Sie stand mit dem Milchtopf vor dem Herd.

„Ne, danke!“, wehrte ich ziemlich heftig ab.

„Das ist aber Fair Trade Kakao oder möchtest du nicht wegen deiner Diät?“, fragte sie besorgt.

Julian grinste.

„Grins nicht so blöd!“, fuhr ich ihn an und schenkte mir ein Glas eiskaltes Wasser aus dem Hahn ein.

Sie würde Papa begleiten, fuhr Mama fort, und sie beide würden ein paar Tage in Freiburg bei Tante Elfi, Papas Schwester, bleiben.

Ich jubilierte lautlos.

„Wie lange bleibt ihr genau?“, fragte ich scheinheilig besorgt. Ich rechnete fieberhaft durch: Übermorgen wäre Donnerstag. Das hieße, sie blieben sicher übers Wochenende. Am Montag wäre Rosenmontag. Das hieße weiter, ich würde eine Fasnachtsparty steigen lassen können. Endlich, endlich mal gute Nachrichten! Ich beschloss nicht mehr an Papas Weinen letzte Nacht auf dem Klo zu denken. Bestimmt würde alles gut werden.

Da war ich mir ganz sicher.

In der Schule war ich so gut gelaunt, dass ich sogar Anita einigermaßen sympathisch fand. Warum war ich nur so oft so missgestimmt – ach ja, meine frühkindlichen Depressionen. Es war Mitte Februar, die Sonne schien. Auf der Wiese neben dem Schulhof lugten die ersten Schneeglöckchen aus dem verschneiten Grün hervor. Auch gelbe Winterlinge entdeckte ich. Das Leben konnte herrlich sein!

In der Pause sah ich Sandra von Weitem in einer kleinen Gruppe. Auch Henning stand dabei. Unmerklich nickte Sandra mir zu. Ich richtete mich innerlich auf, ich war die Sängerin Rosé. Was kann ich dafür, dass ich so gut aussehe, versuchte ich mir einzureden. Betont langsam ging ich auf die Gruppe zu, zögerte einen Augenblick und stellte mich bemüht selbstbewusst neben Sandra auf. Die blickte mich verwundert an. „So kenn ich dich ja gar nicht?“, schien ihr Blick auszudrücken.

Ich ließ mir von ihr eine Zigarette geben, ging einen Schritt auf Henning zu und fragte mit verruchter Stimme: „Hast du Feuer?“

„Feuer schon“, grinste Henning, „aber kein Feuerzeug, haha.“ Er lachte und zwei Grübchen kerbten sich in seine Wangen.

Ich schmolz dahin.

Sandra verzog das Gesicht. Henning fischte ein Päckchen Streichhölzer aus der Jackentasche und reichte es mir. „Hier, kannst behalten. Ich hab aufgehört.“

Das Päckchen brannte in meiner Hand. Sandra blickte mich bestätigend an. Jetzt oder nie, dachte ich. „Äh, übrigens am Wochenende ist bei mir sturmfrei. Meine Eltern sind in Freiburg“, sagte ich fest und blickte in die Runde. „Wenn ihr Lust habt, könnt ihr ja am Sonntag kommen.“ Mein letzter Blick galt Henning.

Der schüttelte seine dicke, weizenblond gefärbte Strähne nach hinten, schaute die andern an, dann mich und sagte: „Also, ich hab sonst nix vor. Und ihr?“

Mein Herz kreischte vor Freude. In der Runde breitete sich allgemein zustimmendes Gemurmel aus. Mir reichte das schon. Mehr hielt meine zarte Seele im Moment nicht aus.

„Na dann.“ Ich drehte mich um und ging mühsam beherrscht ganz langsam in Richtung Mädchentoilette.

„Warte Tilda!“ Sandra kam hinter mir her gerannt.

„Pssst, ganz langsam“, raunte ich ihr zu. Ich hatte das in einem Videoclip mit Rosé gesehen. Noch wenige Schritte, wir hatten die Toilette erreicht, rissen die Türe auf. „Uaaah! Jippiiii!“, begann ich zu kreischen und warf die Arme in die Luft. Sandra tanzte um mich herum wie ein Torero. „Jippiiii!“ - „Jippiiii!!“, brüllten wir, bis uns einige jüngere Mädchen aus der 7c verstört anschauten. Sie hatten vor wenigen Tagen einen Drogenberater im Unterricht gehabt. „Das kommt von Ecstasy“, murmelten sie ehrfürchtig.

Ausgelassen sangen wir: „Ja, das ist Ecstasy, das nimmt die Ex-Stasi, to get into exstasy...!“ Oh, Mann, oh Frau, waren wir albern.

Meinen Vater hatte ich total ausgeblendet.

„Aber den Spruch von Henning mit dem Feuer fand ich blöd“, sagte Sandra.

Das Orionband

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