Читать книгу Psychologie der Eigensicherung - Uwe Füllgrabe - Страница 51
3.5 Unkenntnis der Psychologie gewaltbereiter Personen
ОглавлениеDie Polizisten, die Opfer eines Angriffs wurden, hatten ein vorgefertigtes Bild von der Persönlichkeit eines Täters, von dem sie annahmen, dass er sie vermutlich angreifen würde. Doch die Analyse der Täter durch Pinizzotto et al. (1998) zeigte, dass es kein einheitliches Profil von einem Menschen gibt, der einen Polizisten angreift, zu töten versucht oder tatsächlich tötet. Die vorgefertigten Bilder der Polizisten von dem Täterprofil waren also von geringem Wert, um ihre persönliche Sicherheit zu gewährleisten.
Auf jeden Fall müsste der Polizeibeamte die Möglichkeit in Betracht ziehen, neben friedlichen Bürgern oder höchstens verärgerten „Verkehrssündern“ auch einer gewaltbereiten Person zu begegnen, einem „kalten Praktiker angewandter Gewalt“ (Toch, 1969) oder einem „Straßenkampf-Veteranen“ (Pinizzotto et al., 1997, 1998).
Gemäß ihren eigenen Aussagen betrug das Durchschnittsalter der Täter, bei dem sie ihre erste Tat begingen, 11 Jahre. Für mehr als zwei Drittel der Täter war dies Diebstahl. Sie berichteten, dass sie mehr Verstöße gegen das Waffengesetz begangen hatten, als jedes andere Verbrechen. 24 der 42 Täter berichteten, dass sie vor dem Angriff auf die Polizisten in Ereignisse mit Schusswaffengebrauch verwickelt worden waren, entweder weil sie selbst geschossen hatten oder weil auf sie geschossen worden war. 21 % berichteten, dass sie schon in der Vergangenheit versucht hatten, einen Polizisten anzugreifen. Pinizzotto et al. (1998, S. 18) schreiben anschaulich: „Einige der Straftäter können am besten als Straßenkampf-Veteranen beschrieben werden, angesichts der Häufigkeit der Beteiligung an Schusswechseln mit anderen Kriminellen und der Polizei.“
Bedrohlich wird eine Situation für einen Polizisten, wenn ein grundsätzlich Gewaltbereiter Alkohol oder Drogen benutzt. 62 % der von Pinizzotto et al. (1998) untersuchten Täter benutzten Drogen, Alkohol oder beides zum Zeitpunkt des Vorfalls. Am häufigsten war gleichzeitiger Genuss von Drogen, gewöhnlich Kokain und Alkohol. Ein Täter beschrieb die Wirkung der Drogen folgendermaßen: „Heroin lässt dich unbesiegbar fühlen; Kokain lässt dich defensiver und etwas paranoid fühlen. Drogen behindern nicht deine Fähigkeit, eine Schusswaffe zu benutzen. Sie lassen dich schneller schießen. Wenn du auf Droge bist, bist du leichter erregbar und übergeschnappt, und vielleicht benutzt du schneller eine Schusswaffe“ (Pinizzotto et al., 1998). Selbst wenn diese Äußerungen lediglich die persönliche Meinung des Täters wiedergeben und nicht unbedingt durch klinische Daten bestätigt werden, so ist doch aufschlussreich, wie hoch der Täter seine Aggressionsbereitschaft auf der Grundlage seines Drogenkonsums einschätzt.
Ein Täter, der bei einem bewaffneten Raubüberfall durch den Polizisten gestört worden war, gab an, dass er nicht beabsichtigt hatte, den Polizisten zu verletzen, sondern nur, eine Festnahme zu vermeiden. Er wusste, wenn er verhaftet worden wäre, hätte er sein Bedürfnis nach mehr Drogen nicht befriedigen können, was seinen Raubüberfall an erster Stelle motiviert hatte.