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Schweinsbraten

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Montag, 25. Juni 2019, 12.35 Uhr

»Und des soi a Schweinsbron sei?«, sagte Quirin und stocherte lustlos in der zerfaserten Fleischscheibe vor sich.

»Wow, der Herr ist wohl ein Feinschmecker? Das kannst du dir in der Mensa abschminken. Was erwartest du für drei Euro?«

»An echt’n Schweinsbron hoid.«

»Sei lieber froh, dass ich dich mit meinem Studentenausweis hier reingeschmuggelt habe. Jeden Tag ein durchgeweichtes belegtes Brötchen vom Supermarkt ist auch keine gastronomische Sensation und kostet fast genauso viel.«

»Bei meina Muadda schmeckt’s jedenfois bessa«, beharrte Quirin.

»Muttersöhnchen!«, sagte Irina und lächelte ihn dabei an. »Wenn du mir heute Abend noch mal brav dieses ganze Zeug mit Stammwürze und ober- und untergärigen Biersorten erklärst, lade ich dich mal zu mir nach Speyer ein. Dann koche ich dir einen echten Borschtsch, so wie ihn mir meine Mutter beigebracht hat. Das gibt’s eh nie bei uns, weil mein Mitbewohner ein Veggie ist.«

Quirin horchte auf. »Mitbewohna?«

»Ja, ich wohne bei ihm im Haus.«

Er zögerte. »Du bischt? Also er is …?«, stammelte er unbeholfen.

»Er ist ein prima Kerl, und wir verstehen uns gut.« Irina kostete Quirins fragenden und enttäuscht wirkenden Gesichtsausdruck aus.

»Aber jetzt mal was ganz anderes«, wechselte sie das Thema. »Ist dir eigentlich bewusst, dass die eine Riesenmenge Bier nach Russland exportieren? Und nach China auch. Die haben sogar eine spezielle Abfüllanlage für diese komischen 0,95-Liter-Dosen.«

Quirin nickte nur. Sein Mienenspiel verriet ihr, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte.

»Was ist? Du guckst, als wär dein Goldfisch eingegangen.«

»Es is … Es is wega Dahoam. Wenn mia so a Abfüllanlag’n hätt’n, de des kannt, dann hätt’n mia bessare Chancen, unsa Bier im Ausland zum vermarkt’n. De hom do einfach ois. Neie Sudkessl, große Lagertanks, neie Abfüllanlag’n und a riesig’s Lager. Dahoam is ois oid und nimma wettbewerbsfähig.«

»Wie? Ihr habt eine Brauerei?«, fragte Irina überrascht.

»Ja, scho no, aba wenn des so weida geht … mei Onkel, da Jonny, macht se hie. Er versteht nix vom Bierbrau’n.«

»Und was treibst du hier, wenn ihr zu Hause eine eigene Brauerei habt?«

»Wega meim Großvater. Er wui, dass i mi umschaug, wias andere mach’n. Damit i dann füa unsa Brauerei wos leana ko.«

Irina konnte förmlich beobachten, wie in den letzten Minuten sämtliche Farbe aus dem vitalen rotbäckigen Gesicht des Jungen gewichen war. Sie glaubte sogar zu erkennen, dass seine Augen wässrig wurden.

»Und du meinst, du kannst eurer Brauerei helfen?«

»Na«, sagte Quirin und vergrub sein Gesicht in den Händen.

Irina legte behutsam einen Arm um seine Schultern.

*

Ernst Berger hatte Angst. Angst um seine Hand, in der sich eine heftige Entzündung, ausgehend vom kurzen Stumpf des kleinen Fingers, pulsierend ausbreitete. Angst um seine Familie und Angst um seine Existenz.

Er war matt und hatte den ganzen Sonntag in einem ruhelosen Halbschlaf zugebracht. Fieberträume hatten sich mit Angstfantasien abgewechselt. Wie konnten er und seine Familie lebend aus der Sache rauskommen? Sollte er mit der Polizei Kontakt aufnehmen? Aber was dann? Seine Frau, seine Tochter, wie sollte er ihnen erklären, was er vor zwei Jahren in diesem Bordell in Speyer gesucht hatte? Und dieser Russe. Er wusste zu viel und war zu kaltblütig, um daran zu zweifeln, dass er seine Drohungen wahrmachen würde.

Aber wie sollte er dessen Forderungen erfüllen? Er war Buchhalter. Ein paar Tausender verschwinden zu lassen, Rechnungen zu manipulieren, all das war kein Problem. Aber wie sollte er Dosen mit irgendwas befüllen, das ihm der Russe liefern wollte? Er hatte keine Ahnung von den Abläufen in der Anlage. Aber wieso war dieser Kerl ausgerechnet auf ihn gekommen? Warum nicht auf den Braumeister oder den Techniker, der die Abfüllanlage bediente? Sie wären weitaus geeigneter, um so etwas durchzuziehen.

Bevor er eine Antwort finden konnte, fiel er wieder in fiebrige Träume von schwärenden Wunden und Handamputationen.

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