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KANN MAN BUSINESS WIE NATUR BESCHREIBEN?

Business Ecosystems.

Quellen für gemeinsamen nachhaltigen Wert.

Komplexität ist ein Wert, kein Problem

Kein Computer, keine künstliche Intelligenz hat die Fähigkeit, als soziales Wesen zu denken und zu handeln. Kein Algorithmus kann in der realen Welt Menschen begeistern. Kein Computersystem kann unsere nächsten Verwandten, die Orang-Utan ‚Waldmenschen‘ in Borneo vor dem Aussterben retten. Und keine KI kann ein Unternehmen in seiner Einzigartigkeit begreifen und in die Zukunft führen. Dazu braucht es das Gegenteil von kleinteiliger Organisation: es braucht Menschen, die komplexe Zusammenhänge aus menschlicher Sicht verstehen, mit sozialer Verantwortung und nachhaltiger Prägung handeln, verantwortungsvoll, achtsam, unsere Lebensgrundlagen schützend, und Komplexität als Wert erhaltend.

Wie kommen wir also wieder in die richtige Spur?

Ökosysteme als Blaupause

Es braucht erst wieder einen gedanklichen Schritt zurück, um in diesem Thema vorwärts zu kommen. Wenn wir die Vielfalt und Ausgewogenheit natürlicher Ökosysteme betrachten, sehen wir die perfekte Blaupause für das was uns fehlt: Einzigartigkeit fördern, Zusammenarbeit belohnen, Unterschiede achten, Vielfalt als Chance nutzen.

Natürliche Ökosysteme entstehen langsam. Sie entwickeln sich mit der Evolution der Individuen und erleben immer weiter ansteigende Vielfalt.

Was genau ist ein wirtschaftliches Ökosystem oder Business Ecosystem?

Ein Business Ecosystem ist ein breites Netzwerk von Firmen und Organisationen, das Einfluss nehmen kann auf die Art und Weise, wie seine Unternehmen Werte schaffen und erfassen. Ziel ist die Bereitstellung eines Produkts oder einer Dienstleistung. Auch ein wirtschaftliches Ökosystem funktioniert durch Vernetzung und Vielfalt. Der Begriff geht auf den Anfang der 1990er Jahre zurück und wurde maßgeblich von James F. MOORE geprägt.

Moore war ein Naturfreund. Die Beschäftigung mit den Themen Natur und Industrie brachte ihn auf die Idee, Analogien zwischen beiden zu suchen. Er fand, dass unsere Beschreibungen von Wirtschaft und Industrie nicht mehr zutrafen, weil sich die Komplexität der Wirtschaft erhöht hatte. Er suchte eine Möglichkeit, um diese Situation besser beschreiben zu können. Die meisten Industrien hatten sich im 20. Jahrhundert in ihrer jeweiligen Branche durch steigenden Wettbewerb weitestgehend optimiert. Das tayloristische System hatte bereits seinen Zenit überschritten. Fruchtbarer Wettbewerb fand innerhalb eines Industriezweigs hauptsächlich zwischen den Top 3 Unternehmen statt. Kleinere Player wurden abgehängt und ihre Margen erodierten.

Schaut man sich dagegen die Natur an, findet dort Kooperation, Wettbewerb und Evolution auch quer über alle Spezies hinweg statt. Diese Idee übertrug Moore auf die Wirtschaft. Den Austausch über verschiedene Industrien und Branchen hinweg bezeichnete er deshalb als Business Ecosystem. Der Begriff umschreibt in seiner Moore’schen Definition die Mikroökonomie einer intensiven Koevolution, die sich um innovative Ideen dreht. Was bedeutet das praktisch?

Moore fand, in einer Wirtschaft des ständigen Wandels „ist das, was Du tust, nicht so wichtig wie das Verhältnis Deiner Fähigkeiten zu dem, was andere tun“. Daraus ergibt sich Deine Strategie. Die erfolgreiche Geschäftsstrategie hilft Dir nach Moore, gemeinsam mit anderen eine attraktivere Zukunft zu schaffen. Das Moore’sche Paradigma erfordert das Denken in ganzen Systemen - das heißt, Du sieht Dein Unternehmen als Teil eines umfassenderen wirtschaftlichen Ökosystems und einer breiteren Umwelt. Systemdenken sieht Moore als eine zentrale mentale Fähigkeit, die zu diesem Zweck gestärkt und verbessert werden sollte. Biologische Beispiele waren für Moore ganz einfach der direkteste Weg, um schwierige Systemkonzepte zu erklären, deshalb nutzte er die aus der Biologie entlehnte Begrifflichkeit.

Wichtige Elemente des Denkens in Business Ecosystems sind

• eine Opportunity-Umgebung: das große Feld von Chancen das Dich umgibt

Gemeinschaften gemeinsamer Vorstellungskraft: die Vision über Unternehmensgrenzen hinweg einen überlegenen Mehrwert zu schaffen

Business Ko-Evolution: Komplexes Zusammenspiel von wettbewerbsorientierten und kooperativen Geschäftsstrategien

Moore beschreibt vier Stufen ihrer Entwicklung:

Pionierarbeit, Expansion, Autorität, Erneuerung.

Zur sprachlichen Vereinfachung bei klarer begrifflicher Abgrenzung spreche ich im Folgenden von Ökosystemen, wenn die biologische Variante gemeint ist, und von Ecosystems für die wirtschaftliche Variante. Von Ecosystems wird auch im allgemeinen Sprachgebrauch meist synonym zu Business Ecosystems gesprochen.

Ecosystems brauchen wie ihre biologischen Vorbilder Zeit zur Entwicklung. Statt Jahrmillionen sind es jedoch nur Jahrzehnte.

Die Automobilindustrie, um zum Beispiel von Henry Ford zurückzukommen, hatte über hundert Jahre Zeit, um sich zu entwickeln. Leider hat sie sich im Verlauf dieser Entwicklung von anderen Industriezweigen entkoppelt und sich nur innerhalb ihrer eigenen industriellen Grenzen entwickelt. Die Softwareindustrie entwickelte sich unabhängig von der Autoindustrie. Software war für die Autohersteller von Anfang an etwas das man kaufen konnte. Es bestimmte nicht den Wert des Produkts Auto. Dass dies aber einmal völlig anders kommen könnte, erkannte die Autoindustrie viel zu spät. Bis heute wird die Autoindustrie von Maschinenbau Ingenieuren dominiert. Viele von Ihnen haben in ihrem Leben keine einzige Zeile Softwarecode geschrieben. Eine verhängnisvolle Fehleinschätzung nahm unter anderem hier ihren Lauf.

Zunächst hat sich innerhalb der Autoindustrie eine dominante Unternehmensform (der Autohersteller) herausgebildet, die im 2. Teil des letzten Jahrhunderts ihr eigenes Wohlergehen überwiegend auf Kosten der wirtschaftlich von ihr abhängigen Unternehmensform (der Zulieferer) in den nach außen abgeschotteten Silos der Autoindustrie steigerte. Dadurch sank der Druck auf die Hersteller, sich selbst weiterentwickeln oder gar ihre Geschäftsmodelle hinterfragen zu müssen.

Business Ecosystem

Definition

➢ Vernetzung von Unternehmen, oft branchenübergreifend, mit dem Ziel ein überlegenes Leistungsversprechen gegenüber Einzelunternehmen zu erzielen

Vorteile

• Wettbewerbsvorteile, überlegene Wertschöpfung ggü. Einzelunternehmen

• Höhere Innovationsleistung durch individuelle Fokussierung der einzelnen Partner auf eigene Kernkompetenzen und flexible Leistungsbündelung

• KMU und Selbstständige werden im gemeinsamen Ecosystem konkurrenzfähig

Voraussetzungen

• Gemeinsames Leistungsversprechen (Value proposition)

• Vernetzter Unternehmensverbund (Alignment)

• Ein Orchestrator für das Ecosystem

Charakteristika

Erhöhung der Attraktivität von Kooperation und Ko-Kreation durch

• Teilen von Ressourcen (Sharing)

• Informationsplattformen

• Digitale Marktplätze

• Vernetzung (idealerweise digital)

Erfolgsfaktoren

• Maximale Zentrierung auf die Kundenbedürfnisse

• Fokus auf gemeinsames überlegenes Leistungsversprechen

• Digitale Orchestrierung mit minimalem Aufwand

Auswirkungen

• Wettbewerb im Ecosystem verschwindet und wird auf eine höhere Aggregationsebene zwischen den Ecosystemen verlagert

• Im Ecosystem digital vernetzte und divers spezialisierte Start-ups und KMU haben Vorteile gegenüber Konzernen aufgrund der sinkenden Transaktionskosten der Vernetzung und der steigenden Geschwindigkeit der Leistungserbringung, insbesondere in Verbindung mit agilen Methoden und zunehmendem Selbstorganisationsgrad

• Konzerne, die ein Ecosystem orchestrieren können in marktbeherrschende Stellung kommen, was eine Regulierung erforderlich machen kann

• Konzerne mit klassischer Lieferkette haben hohen Transformationsaufwand

Vor allem aber führte der unaufhaltsame Aufstieg der Hersteller zu einem krassen Fehlurteil: In den Führungsetagen wurde implizit vorausgesetzt, dass es aufgrund der Dominanz der großen Hersteller niemanden mehr geben werde, der sie in ihrer eigenen Industrie verdrängen könne. Gekämpft wurde nur noch um die Krone innerhalb der eigenen Industrie. Und mit einer Absatzzahl als Maßstab: wer verkauft die meisten Autos, VW oder Toyota? Es war diese verhängnisvoll falsche Schlussfolgerung, die das aktuelle Problem auch der deutschen Automobilindustrie verursachte.

Zwar kam niemand, der die etablierten Autohersteller in ihrer eigenen Industrie verdrängte. Aber Tesla baute kurzerhand etwas ganz anderes auf: ein neues Ecosystem, das über die Grenzen verschiedener Industrien hinweg ein überlegenes Wertversprechen für die Autokäufer realisiert – den Lebensraum Auto als volldigitalisierten und umweltfreundlichen Begleiter im digitalen Lifestyle. Ein visionärer Unternehmer brauchte zum Aufbau dieses völlig neuen Ecosystems der Mobilität gerade einmal ein Jahrzehnt. Innerhalb von nur 15 Jahren brüskierte das Start-up sogar alle Automobilhersteller und wurde der wertvollste Hersteller der Welt nach Börsenwert. Doch Tesla ist im Kern eben kein Autohersteller, sondern der Orchestrator seines Ecosystems.

Wie konnte das geschehen? Der Erfolg von Tesla ist eine Tatsache, die von den meisten Fachleuten für unmöglich gehalten wurde. Das Unternehmen wurde zuerst belächelt, dann lange Zeit von den Großen der Branche ignoriert, später wurde der mögliche Erfolg negiert. Dann folgte der opportunistische Versuch, Tesla als Zulieferer für Komponenten wie Batterien und Antriebsmotoren zu nutzen. Im nächsten Schritt wurde das Unternehmen selbst von Experten als Insolvenzkandidat diffamiert. Das vorläufige Ende der Geschichte des unaufhaltsamen Aufstiegs: 2020 adelte der Vorstandsvorsitzende von VW seinen Mitbewerber in einem Interview: „Was mir am meisten Kopfzerbrechen macht, sind die Fähigkeiten bei den Assistenzsystemen“, zitiert die Automobilwoche (4) VW-Chef Herbert Diess aus einem VW-internen Webcast. „Die rund 500.000 Tesla, die auf den Straßen rund um den Globus unterwegs sind, funktionieren laut Diess wie ein neuronales Netz“. Kontinuierlich würden diese Daten sammeln. Späte Erkenntnis. Denn entwickelt wurde die Idee für dieses neuronale Netz, genau zu diesem Zweck, schon vor einem Jahrzehnt.

Netzwerke sind der zentrale Kern von Ecosystems. Netzwerke zum Zweck der Erhebung und Auswertung von Daten, genauso wie Netzwerke zur Zusammenarbeit in der Entwicklung von Produkten und Informationsnetzwerke zum Nutzen der Kunden. Das hat Tesla frühzeitig erkannt. Aus einem Produkt, das man einmal kauft und dann nur noch alle paar Monate oder Jahre in die Werkstatt unter Kontrolle des Autoherstellers bringt, wurde ein ‚always-on‘ Produktnetzwerk aus Internetvertrieb, Fahrzeug, Fahrzeugdaten, Nutzerdaten, Umgebungsdaten, Software mit Over-The-Air Updates, Stromversorgung über Supercharger, Wallbox in der Garage und so weiter. Die oberste Ebene des Ecosystems bildet ein vollständig geschlossenes, eigenes Produkt-Ecosystem. Apple Gründer Steve Jobs hätte seine wahre Freude daran. Er war, zu seiner Zeit unerkannt, aus heutiger Sicht ebenfalls ein ‚Godfather of Ecosystems‘.

Ein weiteres prominentes Beispiel - und eines der ersten konsequent aufgebauten - ist das von Intel orchestrierte Ecosystem. Basierend auf seinen überlegenen Mikroprozessoren ging Intel Kooperationen mit verschiedensten Unternehmen der Personal-Computer Branche ein, um deren Produkte entscheidend zu verbessern. Den Leistungshunger der PC Nutzer konnte Mitte der 90er Jahre nur Intel bestens befriedigen. So wurde Intel zum Differentiator der Firmen in der darüber liegenden PC-Industrie und machte über weite Strecken viermal so hohe Gewinne wie seine Wettbewerber. Dieser Strategie liegt ein besonderes Geschäftsmodell zugrunde: Das sogenannte Ingredient Branding. Die Nutzer von Intel Prozessoren differenzieren ihre Produkte mit dem Aufkleber Intel Inside. Sie lassen die Markenkraft von Intel auf ihre Produkte ausstrahlen. Die Message: ‚Kunde sieh her, hier ist Intel drin, deshalb ist es gut.‘ Auf Ingredient Branding geht der Erfolg vieler anderer Unternehmen zurück wie Bosch, DuPont (Teflon) und W.L. Gore (Gore-Tex). In dem Buch ‚Business Model Navigator‘ zeigen GASSMANN und seine Mitautoren die 55 Geschäftsmodelle die 90% der erfolgreichsten Unternehmen der Welt zugrunde liegen.

Komplexität, richtig verstanden und genutzt, schafft mehr Wert

Ecosystems sind Quellen für nachhaltige Wertgenerierung, weil sie sich aufgrund ihrer Vielfalt ständig erneuern und weil Kernkompetenzen konzentriert entstehen und vielfältig genutzt werden. Das reduziert Blindleistung und somit Ressourcenverschwendung. Wo sie in der Wirtschaft neu entstehen, lösen sie hierarchische Strukturen zunehmend ab. Sie bilden den ersten logischen Schritt vom Familienunternehmen des 20. Jahrhunderts zum Gemeinschaftsunternehmen des 21. Jahrhunderts. Während Familienunternehmen von einem Unternehmer geführt wurden, und dem Wohl einer Familie dienten, können Gemeinschaftsunternehmen größeren, diverser aufgestellten Gemeinschaften und dem Gemeinwohl dienen. Eine Utopie? Heute noch, ja. Aber die Art und Weise wie Unternehmen sich in ihrem Umfeld oder Ecosystem aufstellen, muss sich genauso zwangsläufig verändern wie ihre Geschäftsmodelle. Damit kommen wir zum nächsten logischen Schritt, der Betrachtung wie Unternehmen sich im Datenzeitalter sinnvoll aufstellen.

Unternehmer Deines Business Ecosystems

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