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Kapitel 6

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Augustus erwachte und sah sich verwirrt um. Er hatte einen sehr intensiven Traum gehabt. Wie Dagobert Duck in dem Comic war er immer wieder in einen prall mit Geldscheinen gefüllten Swimmingpool gesprungen und war in ihm herumgeschwommen. Die sanften Berührungen des weichen Papiers hatten ihm ausnehmend gut gefallen. Er hatte das Gefühl, als sei er die ganze Nacht von Engelshänden massiert worden.

„Schade, dass es nur ein Traum war“, dachte er. Aber er fühlte sich wie neu geboren. Trotz seiner gewaltigen Körperfülle schwang er sich elastisch aus dem Bett und ging ins Bad.

Wie immer drückte er den Steuerungsknopf seiner High-Tech-Dusche. Das perfekt temperierte Wasser schoss mit dem genau seinen Bedürfnissen angepassten Druck aus den über die gesamte Duschkabine verteilten unzähligen Düsen.

Er zog seinen roten Seidenpyjama aus und ließ ihn achtlos zu Boden fallen. Dann stieg er in die Dusche und genoss mit geschlossenen Augen die wohltuende Ganzkörpermassage.

„Soll ich dich einseifen?“ fragte eine ihm wohlbekannte Stimme plötzlich.

Augustus bekam fast einen Herzinfarkt. Er riss die Augen auf und japste nach Luft.

„Verdammt, musst du mich immer so erschrecken? Irgendwann falle ich noch einmal tot um.“

„Das wäre aber seehrr schaaaadeee“, säuselte die Stimme neben seinem Ohr gedehnt, „dann hättest du meine Dienste nur läppische 21 Jahre in Anspruch genommen. 21 Jahre allerdings, in denen du dank meiner Hilfe zu dem wurdest, was du heute in der Welt bist: ein unglaublich einflussreicher und mächtiger Mann, der über ein riesiges Vermögen verfügt und nach dessen Pfeife die Regierungen der größten Industrienationen ebenso tanzen wie ich. Du musst ein sehr glücklicher und zufriedener Mensch sein.“

„Wage es nicht, mich zu verhöhnen, Luzifer. Wie du richtig sagst, tanzt du nach meiner Pfeife. Erinnere dich, was mein erster Befehl war, um deinen Diensteifer zu testen. Das können wir gerne wiederholen.“

Luzifer sog hörbar Luft ein. Er erinnerte sich genau, wie dieser hinterlistige Hundesohn es gewagt hatte, sofort nach Unterzeichnung ihres Vertrages von ihm zu verlangen, dass er Dschingis Khan herbeihole.

Verwundert hatte er Augustus seinen Wunsch erfüllt.

Als der barbarische Massenmörder und größte Eroberer aller Zeiten erschienen war, hatte er ihm befohlen, Luzifer, der damals die Gestalt von Michelle Pfeiffer, der Lieblingsschauspielerin von Augustus, angenommen hatte, zu fesseln und ihn auszupeitschen.

Nur zu gerne war Dschingis diesem Befehl nachgekommen und hatte sofort begonnen, wie ein Berserker mit seiner Bullenpeitsche auf ihn einzudreschen. Zwar hatte Luzifer die Peitsche sofort in einen weichen Schaumgummihammer verwandelt und keine Schmerzen empfunden. Aber allein die von Augustus geplante Demütigung reichte aus, um ihn sich eine besonders boshafte Rache ausdenken zu lassen, die er ihn sofort nach seinem Ableben angedeihen lassen wollte. Aber noch war es nicht soweit. Noch galt ihr Pakt. Noch.

„Ich erinnere mich genau, lieber Augustus. Und selbst diesen Wunsch habe ich dir erfüllt, obwohl es ein übler Scherz zu meinen Lasten war. Aber lass uns nicht über alte Zeiten reden. Die Gegenwart erfordert deine ganze Aufmerksamkeit.“

„Warte gefälligst, bis ich fertig geduscht habe. Oder gibt es etwas so ungeheuer Dringendes, dass ich es sofort entscheiden muss?“, fragte Augustus lauernd.

„In der Tat. Um dich und deine Pläne zu schützen, habe ich einen Pakt mit Big Ralf geschlossen. Und jetzt hat er von mir verlangt, dass ich dich sofort beseitige, wörtlich sagte er, dass ich dir einen gewaltigen Tritt in deinen fetten Hintern verpassen solle.

Ich soll ihn an deiner Stelle einsetzen und ihn zum neuen Herrscher über dein gesamtes Imperium machen. Und, was meinst du, was soll ich jetzt machen?“

Augustus schnaufte vor Wut.

„Das hast du ja wieder prima hinbekommen, du hinterlistiger Falschspieler. Hatte ich dir nicht aufgetragen, dich um meinen Neffen Caspar zu kümmern? Mit ihm solltest du einen Pakt schließen, der ihn auf meine Seite holt. Wie kommst du dazu, stattdessen einen Vertrag mit diesem Dummkopf Big Ralf zu schließen, der in Wirklichkeit keinerlei Durchblick hat? Kein Wunder, dass er sofort meint, er könne meine Stelle einnehmen.“

„Ach, weißt du, ich habe von meinen amerikanischen Freunden gelernt. Sie haben auch immer einen Plan B. Nein, Spaß beiseite. Schon seit langem beobachte ich, wie Big Ralf dich immer weniger ernst nimmt. Ein körperbewusster Mensch wie er, der jeden Tag ins Fitnessstudio geht, verachtet alle Männer, die sich so gehen lassen wie du.

Schau dich an. Du bist wirklich zu einer schwabbeligen Fettmasse geworden. Und weil er keinen Respekt mehr vor dir hat, hat er angefangen, sein eigenes Süppchen zu kochen. Weißt du, dass er nicht nur die von dir bestellten Teile in der Ukraine geholt hat? Hast du eine Ahnung, was er noch auf dem LKW mitgebracht hat?“

Augustus hatte sich die Ausführungen Luzifers zwar äußerlich ruhig angehört, aber innerlich kochte er vor Zorn.

„Nein, weiß ich nicht. Was hat der Hundesohn noch mitgebracht?“

„Nur eine Mini-Atombombe, lieber Augustus. Aber sie hat dieselbe Sprengkraft wie die beiden Bomben, die einst diese beiden japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki vollkommen zerstörten.“

Augustus riss die Augen auf.

„Unglaublich. Was hat er vor? Was will er damit?“

„Das weiß ich noch nicht. Aber um es herauszubekommen, habe ich den Pakt mit ihm geschlossen. Allerdings ist es ein nicht gültiger Pakt. Ich habe ihn nämlich nicht mit meinem vollen Namen unterschrieben. Doch um sein Vertrauen zu gewinnen, muss ich so tun, als würde ich seine Wünsche erfüllen. Deshalb schlage ich vor, dass du jetzt einige Tage von der Bildfläche verschwindest, bis ich herausgefunden habe, was Big Ralf wirklich vorhat.“

„Warum bringen wir ihn nicht einfach um, und du nimmst in mit in die Hölle?“, fragte Augustus wütend.

„Wie du weißt, ist das mit dem Töten eines Menschen eine gefährliche Sache. Das Opfer kommt zu Petrus und der entscheidet, ob es gleich ins Paradies darf oder vorher noch einige Zeit mein Gast sein muss. Aber der Mörder wird sein Leben lang mit der Schuld leben müssen. Und wie du weißt, plagen jeden Mörder furchtbare Alpträume, in denen er Nacht für Nacht von grausigen Ungeheuern gefoltert und gepeinigt wird, die aus einem besonders finsteren Teil meines Reiches stammen, den selbst ich nur sehr ungern betrete.“

„Letzte Nacht habe ich geschlafen wie ein Murmeltier und habe sogar wundervoll geträumt“, erwiderte Augustus trotzig.

Aber natürlich wusste er nur zu genau, wovon Luzifer sprach. Nach dem Tod seiner Schwester und ihres Mannes war es ihm unzählige Nächte genauso ergangen. Vielleicht hatte er sogar deshalb versucht, sich einen so gewaltigen Schutzpanzer in Form einer Fettschicht anzufressen und jeden Abend mindestens eine Flasche Whisky getrunken, um sich zu betäuben. Aber nicht immer hatte es geholfen. Plötzlich fror er innerlich.

Um sich von der düsteren Erinnerung zu befreien sagte er lauter als es erforderlich gewesen wäre:

„Vielleicht hast du Recht und es wäre unklug, ihn verschwinden zu lassen. Das würde zu viele Fragen auslösen, eventuell käme es sogar zu polizeilichen Ermittlungen.

Also werde ich mich in mein Haus an der Amalfi-Küste begeben, bis du herausgefunden hast, was Big Ralf plant und wer seine Hintermänner sind.

Die Geschichte scheint mir nämlich ein paar Nummern zu groß für ihn zu sein, bestimmt steckt jemand anders dahinter. Ein paar Tage der Ruhe werden mir sicher nicht schaden und ich kann mir auch meine derzeitigen Projekte noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Kannst du mich dorthin bringen?“

„Selbstverständlich. Das ist eine kluge Entscheidung. Ich werde dich sofort informieren, wenn ich weiß, was Big Ralf vorhat.“

Bevor Augustus noch etwas sagen konnte, fühlte er einen heftigen Zug an seinen Haaren. Auch das hatte er schon oft erlebt und wie immer schloss er die Augen.

Als er sie wieder öffnete, stand er in dem mit feinen Vietri-Kacheln ausgelegten Wohnzimmer seines Hauses an der Amalfiküste und sein Blick fiel auf das tiefblaue Mittelmeer, das vor der mit Blumen und Zitrusbäumen bewachsenen Steilküste in der Sonne glitzerte. Freudig sog er die mit feinsten Aromen geschwängerte Luft in seine Lungen und ließ sich zufrieden in sein schweres Sofa sinken.

Er wusste, er konnte sich auf Luzifer verlassen. Aber nur, weil sein Bruch ihres Paktes seine endgültige Verdammnis bedeuten würde, wie ihm einst ein jüdischer Rabbi böse grinsend erklärt hatte.

Und die fürchtete selbst der Teufel.

Kapitel 7

Als Caspar das Appartement betrat, schlief Gretchen tief und fest. Auf dem Tisch stand wie versprochen ein Kännchen Tee. Leise setzte er sich und schenkte sich eine Tasse ein. Tief in Gedanken wegen des von Mary Gehörten trank er mit kleinen Schlucken. Seine Müdigkeit war wie weggeblasen. Er beschloss, auf der Stelle seinen Onkel aufzusuchen und ihn vorsichtig auszufragen.

Als er ein paar Minuten später an der Tür zum Wohntrakt von Augustus läutete, öffnete ihm ein offensichtlich sehr verwirrter Henry.

„Was ist los?“, fragte Caspar.

„Ich weiß es nicht“, erwiderte der alte Butler und zuckte hilflos mit den Schultern.

„Ich wollte deinem Onkel vorhin sein Frühstück servieren, aber er ist spurlos verschwunden. Das einzige, was ich von ihm gefunden habe, ist sein roter Seidenpyjama, der vor seiner Dusche am Boden lag. Ich verstehe das nicht. Er kann doch nicht nackt das Haus verlassen haben, denn alle seine Anzüge hängen auf den Bügeln.“

„Lass mich mal nachsehen, Henry“, sagte Caspar sanft, dem der alte Mann leid tat. Vielleicht fand er etwas, was Henry in seiner Aufregung und wegen seiner schlechten Augen übersehen hatte.

Doch eine Viertelstunde später war Caspar genauso verwirrt wie Henry. Tatsächlich hingen alle Anzüge seines Onkels korrekt auf ihren Bügeln und der, den er gestern getragen hatte, war ordentlich zusammengelegt über seinem stummen Diener.

Wie Henry ihm berichtet hatte, lag sein roter Schlafanzug auf dem Boden vor der Dusche. Aber wo war sein Onkel? Es war völlig undenkbar, dass sich Augustus nackt durch das für seinen gewaltigen Körper viel zu kleine Badezimmer gezwängt hätte und dann über den Rasen in den an das Schloss angrenzenden Wald gelaufen wäre, ohne dass ihn einer der vielen Gärtner und Angestellten gesehen hätte. Und warum hätte er überhaupt so etwas Absurdes tun sollen?

Plötzlich hatte Caspar eine Idee. Vielleicht wusste Big Ralf etwas?

Caspar verließ den Wohntrakt seines Onkels und lief über den Hof zu der Einliegerwohnung, die Big Ralf bewohnte. Er läutete Sturm.

Big Ralf schien Besuch erwartet zu haben, denn er riss sofort die Tür auf. Als er Caspar erblickte, schien er erleichtert zu sein. In dem ironischen Tonfall, in dem er immer mit Caspar zu reden pflegte, sagte er: „Sieh an, unsere hauseigene Mutter Theresa. Wat verschafft mir die Ehre?“

Caspar hatte keine Lust auf ein Geplänkel.

„Weißt du vielleicht, wo mein Onkel ist? Er ist spurlos verschwunden.“

Für Sekundenbruchteile meinte er, ein triumphierendes Leuchten in den Augen Big Ralfs gesehen zu haben, doch es verschwand sofort wieder.

„Nein, tut mir leid, ich habe keine Ahnung. Ich war gestern Nacht noch kurz bei ihm, aber dann sind wir Beide zu Bett gegangen.“

Caspar wusste, dass er log. Schließlich hatte er am frühen Morgen Big Ralfs Rückkehr auf der Harley beobachtet.

Er sah Big Ralf durchdringend an. Doch der verzog keine Miene und hielt seinem Blick stand. Caspar begriff, dass er von ihm nichts mehr erfahren würde.

„Dann sag mir bitte sofort Bescheid, wenn du etwas über den Verbleib meines Onkels hörst“, bat er ihn, obwohl er ahnte, dass der das niemals machen würde. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm, das fühlte er.

Big Ralf nickte stumm und schlug ihm die Tür vor der Nase zu.

Caspar ignorierte die Unhöflichkeit und weil ihm nichts mehr einfiel, was er zur Aufklärung des Verschwindens seines Onkels unternehmen könnte, ging er zu seiner Praxis und schaute bei den beiden Schäferhunden vorbei. Sie schliefen tief und fest.

Leise stellte er ihnen frisches Wasser hin und träufelte ein wenig Schlafmittel hinein. Dann hob er den Operierten behutsam von der Bahre und legte ihn auf eine Matratze neben dem Wassernapf. Er würde einen Mordsdurst haben, wenn er aufwachte, alles aussaufen und dank des Mittels wieder einschlafen. Sein treuer Partner hatte zwar die Augen geöffnet und Caspar beobachtet, doch als Caspar den Raum verließ, schlief er schon wieder.

Auch Caspar war jetzt todmüde. Leise betrat er das Appartement, zog sich aus und schlüpfte zu Gretchen ins Bett. Er musste unbedingt etwas schlafen, um ausgeruht zu sein, denn heute Abend war eine Versammlung der „Agenten des Lichts“ angesetzt, für die er fit sein musste. Vielleicht würde bis dahin auch sein Onkel wieder auftauchen und sich alles aufklären. Mit diesem beruhigenden Gedanken schlief er eng an Gretchen gekuschelt ein.

Der See des Teufels

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