Читать книгу Hüter des Klimas - Valérie Guillaume - Страница 6
Ein besonderer Troll
ОглавлениеRisi zog einen eleganten Kreis durch den Himmel, bevor er seine Position an der Seite seines Herren einnahm. Der Troll umschloss das vordere Ende seines Fluggerätes mit seinen eisigen Fingern. Dieses erhob sich vor ihm und rollte sich auf Brusthöhe zusammen wie ein Schneckenhaus. Risi brauchte es nur in die entsprechende Richtung zu neigen, um seinen Polar Jet zu steuern. Jeder der vielen Trolle des Eiskaisers besaß seine eigene Eiswolke. Sie alle fanden sich auf der ganzen Welt bestens zurecht, weil sie diese im Lauf der Zeit so oft bis in die entlegensten Winkel erkundet hatten. Der Kaiser bemerkte, dass Risi subtile Veränderungen an seinem Polar Jet vorgenommen hatte. Irgendwie wirkte seine Wolke breiter und zugleich sportlicher als die anderen. Auch unterschieden sich die Eiszapfen auf seinem Kopf von denen seiner Kameraden. Er hatte sie anders angeordnet und sah deshalb etwas wilder aus. Risi hatte kürzlich von den Menschen einen neuen Ausdruck mitgebracht. Er wollte „cool sein“, was immer das bedeuten sollte, schließlich waren sie doch immer alle kalt. Bei näherem Hinsehen stach dem Kaiser noch etwas anderes ins Auge. Der Troll schien eine Hose zu tragen, die aussah wie diese Jeans, die Harald bei seinem letzten Überflug einer Großstadt in niedriger Höhe überall gesehen hatte. Diese Hosen waren bei den Menschen sehr beliebt. Risi wirkte sichtlich stolz auf seine neue Errungenschaft.
„Hallo Risi, wie geht es dir?“ fragte der Eiskaiser mit fröhlicher Stimme.
„Sehr gut, Eure Majestät. Ich zehre noch von der wunderbaren Feier, die Sie uns gestern gegeben haben.“
Ein breites Grinsen überzog bei diesen Worten sein rundes Gesicht. Haralds Mundwinkel hoben sich und sein Lächeln spiegelte seine gute Laune getreulich wider.
„Dieses Jubiläum war der beste Anlass mich für Eure treuen Dienste zu bedanken.“
Haralds kristallklaren Augen glänzten im Schein der Sonne und er ließ die glorreiche Vergangenheit seiner langen Herrschaft in seinem Gedächtnis wiederaufleben, dabei nahm sein edles Antlitz einen versonnenen Ausdruck an.
„Erinnerst du dich an die Zeit, in der wir all diese Eiskönigreiche schufen? Wir haben Jahrtausende damit verbracht, all diese Flächen zu vereisen und mit Schneeflocken zu bestreuen.“
Risi kratzte sich mit seinen Fingern am Kopf wobei sich eine kleine Eisflocke löste.
„Oh, ja, Eure Majestät! Diese Momente sind fest in meinem Gedächtnis verankert. Wir haben für den Bau der Gletscher der Antarktis viel länger gebraucht als für den Nordpol.“
Harald nickte ihm zu.
„Stimmt, jener Kontinent ist ja auch erheblich größer verglichen mit der Eisfläche auf dem Nordpolarmeer. Schon vor 34 Millionen Jahren haben wir angefangen, die Antarktis zu vereisen. Und erst lange danach kam der nördliche Pol an die Reihe. Zum Schluss haben wir dann die Vergletscherung weiter Teile Europas, Asiens, Süd- und Nordamerikas vollbracht! Wie froh war ich, nachdem wir diese langwierige Arbeit abgeschlossen hatten.“
Bei der Rückbesinnung an die vielen Strapazen rollte Risi mit den Augen.
„Wir hatten keine Minute Pause mehr und waren ständig damit beschäftigt, Schnee fallen zu lassen.“
Der Eiskaiser seufzte leise und schaute zum blauen Himmel, als würde er dort etwas suchen.
„Wie erleichtert war ich, über Celestas Vorschlag, den Frühling und den Sommer auf diesen Kontinenten herrschen zu lassen", schwärmte er.
„Ja, dank der so hilfsbereiten, ehemaligen Wärmekönigin konnten wir uns auf den Nordpol, die Antarktis, Grönland und unsere geliebten Gletscher konzentrieren, um hier unsere wahren Meisterwerke zu erbauen", stimmte Risi zu. Die sanfte Celesta hatte Harald in der Tat sehr geholfen. Mit der Einführung wechselnder Jahreszeiten hatte sie die Länder Nordeuropas, Amerikas und Asiens in blühende Kontinente verwandelt. Der Eiskaiser hatte ihr Angebot bereitwillig angenommen. So mussten er und seine Trolle ihre Schneeflocken nur noch wenige Monate im Jahr auf diese Kontinente herabrieseln lassen. Diese Vereinbarung mit der Wärmekönigin brachte Harald und seinen frostigen Gefährten erstmals längere Pausen zur Erholung.