Читать книгу Restart - Valuta Tomas - Страница 11
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ОглавлениеAm nächsten Nachmittag parkt Eden ihren Wagen am Straßenrand, stellt den Motor aus und steigt aus. Abrupt verharrt sie in ihrer Bewegung. Starr blickt sie auf die andere Straßenseite. Ihre Augen haben sich an diese Südländische Frau geheftet, die sie vor einiger Zeit in dem Schnellrestaurant sah. Die Frau, die ihr so zuvorkommend ihr Tablett über den Tisch schleuderte.
Diese Frau sitzt jetzt auf einer Bank und hält etwas in den Händen. Konzentriert blickt sie auf das in ihren Händen herunter, hebt den Kopf, schaut über Edens Kopf hinweg und senkt erneut den Blick. Bevor sie aber wieder auf das was sie in den Händen hält, blickt, stockt sie kurz. Zögernd hebt sie den Kopf und erfasst Eden. Stirnrunzelnd betrachtet sie sie. Sie neigt den Kopf etwas und überlegt augenscheinlich. Im nächsten Moment setzt sich ein höhnisches Lachen auf ihre Lippen. Sie hat Eden offensichtlich ebenfalls erkannt.
Mit einem frechen Grinsen, senkt sie schüttelnd den Kopf und konzentriert sich wieder auf das in ihren Händen.
»Die Welt ist echt zu klein«, murmelt Eden erschlagen über diese unverhoffte Begegnung mit dieser unverschämt frechen Frau. Mit einem lauten Knall schlägt sie die Wagentür zu, dreht sich um und glaubt ihren Augen nicht zu trauen.
»Mein lieber Herr Gesangsverein. Was zum Teufel ist das?« Ihr Mund steht weit offen, ihre Augen gleiten an der Glasfassade des Gebäudes hinauf. Eine aus Glas und Stahl gebaute Käseglocke baut sich vor ihr auf und raubt ihr für einige Sekunden den Verstand. So etwas Außergewöhnliches hat sie noch nie in ihrem Leben gesehen. Wie kommt jemand dazu, so etwas zu entwerfen? Zu entwerfen und dann auch noch zu bauen? Welche kranken Geister waren hier am Werk?
»Interessant«, murmelt Eden und betritt diese gigantische Käseglocke. Die Vorhalle ist lediglich mit einem Empfangstresen ausgestattet. Jeder ihrer Schritte hallt ungewöhnlich laut wieder. Erstaunt legt Eden den Kopf in den Nacken und blickt nach oben. Ihre Augen erfassen eine Decke aus Milchglas. Füße laufen dort oben herum, Stühle werden hin und hergeschoben, Tischbeine sind nur durch die kleinen Punkte am Boden zu erkennen.
»Hallo. Agent Stewart vom FBI. Ich habe einen Termin bei Mister Richmond«, stellt sich Eden dem Mitarbeiter hinter dem Tresen vor. Während er suchend in seinen Blättern wälzt, blickt Eden sich weiter um. Hier unten gibt es aber auch wirklich nichts Interessantes zu sehen. Der Tresen, und direkt dahinter befindet sich ein Fahrstuhl aus Glas. Mehr beinhaltet dieses Gebäude hier unten nicht.
»Mister Richmond erwartet sie«, zieht der Mitarbeiter Edens Aufmerksamkeit auf sich. Mit einer flüchtigen Handbewegung zeigt er zum Fahrstuhl.
Dort eingestiegen, schmunzelt Eden flüchtig. So viele Etagen sind zur Auswahl zum Glück nicht vorhanden.
In der gedrückten und somit einzigen Etage angekommen, setzt Eden ihren Fuß zum ersten Schritt aus dem glasigen Fahrstuhl und zögert. Erschrocken blickt sie nach unten. Ein dicker Kloß bildet sich in ihrem Hals. Leichte Panik keimt in ihr auf.
»Verdammt, wer hat dieses Gebäude entworfen?«, flucht sie ängstlich. Offensichtlich war es zu laut, denn sie kann den Mitarbeiter unten am Tresen kichern hören.
»Ja, sehr witzig!«, flucht Eden und blickt an ihren Füßen vorbei. Unter ihr befindet sich nichts. Eine dicke Glasscheibe trägt ihr Gewicht und hält sie davon ab, als blutiger Fleck auf dem Gebäudeboden zu enden. Ein langer Steg erstreckt sich zur rechten Seite. Natürlich ist auch dieser nur aus Glas. Am Ende des Steges sieht Eden eine große Glastür, auf dem die Buchstaben R&R geklebt sind.
»Rodriguez und Richmond Immobilien.« Flüchtig blickt sie noch einmal zu ihren Füßen herunter. Nur langsam wagt sie sich Schritt für Schritt voran.
Nach einer gefühlten Ewigkeit atmet sie erleichtert aus, als sie an der Eingangstür steht.
Auch bei dem weiteren Tresen, stellt sie sich der Mitarbeiterin vor. Schon nach wenigen Sekunden wird sie zum Büro des Inhabers dieser Immobilienfirma geführt.
»Agent Stewart, willkommen«, begrüßt sie ein Mann Mitte Fünfzig mit kurz geschnittenem Vollbart. Mit ausgestreckter Hand geht er auf sie, nimmt ihre gereichte Hand, schüttelt diese kräftig und zeigt danach auf einen Stuhl.
»Bitte setzen sie sich.« Ihr wird noch ein Kaffee angeboten, den sie freundlich ablehnt. Michael Richmond lehnt sich auf seinen Schreibtisch, faltet die Hände und blickt Eden neugierig fragend an.
»Was führt sie zu mir? Was kann ich für sie tun?«
»Neve Preston und Samantha Rodriguez!«, schmeißt Eden ihm unverblümt an den Kopf. Schlagartig verändert sich Michaels Gesicht. Es wird mit Trauer, Schmerz und leichter Verzweiflung überzogen. Steif lehnt er sich in den Stuhl zurück. Niedergeschlagen blickt er zu seinen Händen herunter.
»Es ist eine Tragödie, was mit den beiden geschehen ist«, murmelt er leise.
»Was können sie mir über die beiden sagen?« Michael stützt sich mit einem Ellenbogen an der Armlehne des Stuhls ab, streicht sich mit einer Hand über den Bart und blickt zu der Glasfront des Gebäudes hinaus. Ohne zu antworten, steht er vom Platz auf und tritt an das Fenster. Konzentriert verfolgt Eden ihn mit ihrem Blick.
»Neve ist… Entschuldigung, war, eine wundervolle Frau. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie eine solche starke und selbstbewusste Persönlichkeit kennengelernt. Sie war wie ein Fels in der Brandung. Ein Arbeitstier wie es im Buche steht. Sie hat bis zu zwanzig Stunden am Tag gearbeitet, nur um all das hier wahr werden zu lassen.« Mit einer wischenden Handbewegung deutet er über die Glasfront, was Eden im Augenblick nicht recht deuten kann.
»Aus Liebe zu Samantha«, flüstert Michael und senkt den Kopf. Auch wenn diese Worte leise gesprochen wurden, versteht Eden jedes einzelne. Sie kann an Michaels Tonlage erkennen, dass er mit den Tränen kämpft. Ein dicker Kloß bildet sich in ihrem Hals. Was ist los mit ihr? Da werden nur wenige Sätze über Neve ausgesprochen und sie könnte schon wieder wie ein Schlosshund heulen?
»Was genau möchten sie denn über die beiden wissen, Agent?« Lächelnd dreht sich Michael zu Eden um. Ein verzweifelter Versuch die Fassung zurückzuerlangen.
»Wie haben sie die beiden kennengelernt? Wie kam es dazu, dass sie gemeinsam eine Firma gegründet haben? Wussten sie denn nichts von deren kriminellen Laufbahn?«, durchlöchert Eden ihn mit Fragen. Mit einem kleinen Schmunzeln setzt sich Michael in seinen Stuhl zurück.
»Ich werde ihre Fragen nach bestem Wissen und Gewissen beantworten.« Michael lehnt sich mit gefalteten Händen zurück und beginnt davon zu erzählen, wie er Neve kennengelernt hat. Schon nach wenigen Sätzen fällt Eden auf, das er hauptsächlich von ihr erzählt, aber nicht von Sam.
»Natürlich wusste ich, dass die beiden eine dunkle Seite in ihrem Leben haben. Aber das war für mich kein Hindernis eine Firma mit ihnen zu gründen. Schauen sie sich das Ergebnis doch einmal an. Wir haben gemeinsam ein kleines Imperium geschaffen. Sam hat unglaubliche Gebäude entworfen. Sie war ein Ausnahmetalent. Ihre Arbeiten durften einfach nicht länger in irgendwelchen Schubladen verstauben. Das wäre ein sehr großer Verlust eines außergewöhnlichen Talentes gewesen!« Stirnrunzelnd zieht Eden eine Augenbraue hoch.
»Welches Ergebnis soll ich mir anschauen?« Michael lächelt, hebt beide Hände und zeigt in alle Himmelsrichtungen. Nachdenklich blickt Eden nach oben. Es dauert etwas, bis bei ihr der Groschen fällt. Mit großen Augen schaut sie zurück zu Michael.
»Dieses Gebäude hat Samantha entworfen?« Ein stolzes Lächeln wandert über Michaels Lippen.
»Ja und noch viele andere. Sie hat das Gebäude ihrer Autowerkstatt entworfen und ihr eigenes Haus. Wir haben über zwei Jahre für den Bau gebraucht. Es war eine unglaubliche Herausforderung für Mensch und Maschine, aber wir haben es bis zum letzten Bleistiftstrich detailgetreu gebaut. Es sollte perfekt werden und Sam aus den Socken hauen, sobald sie aus dem Gefängnis entlassen wurde.«
»Wenn Samantha aber im Gefängnis saß, wie konnten sie dann mit ihr diese Firma gründen? Das wäre doch gar nicht möglich gewesen. Jedenfalls nicht, ohne einen juristischen Eingriff in sämtliche Vorgänge.« Michael schmunzelt erneut.
»Neve wurde oft unterschätzt«, lächelt er stolz.
»Sam wusste von all dem hier nichts. Die Firmengründung der Autowerkstatt und dieser hier, hat Neve in die Wege geleitet. Sie wollte Sam nach dem Gefängnis damit überraschen. Ich habe also praktisch sämtliche Verträge und Arbeiten mit Neve abgeschlossen. Sam zeichnete im Gefängnis die Gebäude ihrer Fantasie weiter, ohne zu wissen, dass diese tatsächlich gebaut wurden. Ich bin Sam nur ein einziges Mal begegnet. Am Tag ihres Todes!« Erneut überzieht ein trauender Ausdruck Michaels Gesicht.
Erschlagen von den neuen Erkenntnissen, lehnt sich Eden in den Stuhl zurück. Nüchtern betrachtet sie den älteren Herren vor sich. Wie konnte das alles funktionieren? Neve hat für Sam alles getan? Firmen gegründet, um ihr ein sicheres zu Hause zu geben und dann sterben die beiden? Nur einen Tag nachdem Sam von Neves unglaublicher Arbeit erfahren hat? Einer Arbeit, die aus purer Liebe getan wurde?
Ohne sich anmerken zu lassen, dass sie sich am liebsten selbst eine Kugel in den Kopf jagen möchte, weil sie für Neves Tod verantwortlich ist, rückt Eden nervös in ihrem Stuhl hin und her. Was zum Teufel hat sie da nur gemacht? Kriminelle Laufbahn hin oder her, das was Neve hier geschaffen hat, ist ein unglaubliches Wunder. Und Eden hatte nichts Besseres zu tun, als sie zu erschießen?
»Wissen sie zufällig wie Neve und Samantha sich kennengelernt haben? Ich meine, die beiden waren von Grund auf absolut verschieden. Samantha war kriminell, Neve war Polizistin und dennoch entstand zwischen ihnen eine Liebe, die vom Grundschatz eigentlich keinen Nährboden haben durfte! Auch gab es einen Altersunterschied von immerhin elf Jahren. Wie konnte das passieren?« Ein ehrliches Lächeln huscht über Michaels Gesicht.
»Die Liebe kennt keine Grenzen, meinen sie nicht auch? Wie Neve und Sam sich aber kennengelernt haben, müssen sie Laura Campbell fragen. Dazu kann ich ihnen leider nicht genug erzählen. Laura war die beste Freundin der beiden.« Schlagartig stellen sich Edens Nackenhaare auf. Laura, Laura, Laura!
»Ich begleite sie.« Plötzlich erhebt sich Michael von seinem Stuhl und blickt Eden erwartungsvoll an.
»Laura arbeitet hier?«, platzt ihr plump heraus. Ein Nicken von Michael zerschmettert ihre Hoffnung, das Gespräch mit Laura noch etwas hinauszuzögern.
»Natürlich. Laura ist seit Jahren für das Management dieser Firma verantwortlich und hat nach Neves Tod ihre Aufgaben übernommen. Ohne Laura würde diese Firma schon lange nicht mehr existieren.« Wie Raketen schnellen Edens Augenbrauen hoch. Einen so verantwortungsvollen Eindruck machte Laura gestern auf dem Friedhof keineswegs auf sie.
Edens Puls beginnt zu rasen, als sie Michael aus dem Büro begleitet, wenige Türen hinter sich lässt und dann vor einer Milchglastür stehen bleibt, auf dem =Laura Campbell – Management= geklebt steht. Tief durchatmend bereitet sie sich auf diese ungewollte Konfrontation vor. Sie zittert leicht, als Michael gegen das Glas klopft und nach wenigen Sekunden ein »Herein!« erhält. Er öffnet die Tür, betritt das Büro und meldet Eden an.
»Laura, hier ist jemand vom FBI. Sie hat ein paar Fragen an dich, bezüglich Neve und Sam«, bereitet er die Mitarbeiterin in dem Büro vor. Eine geräuschlose Antwort wird gegeben. Michael nickt Eden zu. In der Sekunde in der sie den ersten Schritt macht, schwindet ihre Panik. Mut und Selbstvertrauen bauen sich in ihr auf.
Schwungvoll betritt sie das Büro, blickt in eine Richtung und kann Laura sofort hinter einem Schreibtisch ausmachen. Laura hebt den Blick, erkennt Eden und schnauft hörbar laut aus. Maßlose Wut, Zorn und blinder Hass meißeln sich in ihrem Gesicht fest. Der Bleistift in ihrer Hand zerbricht wie ein Streichholz. Blitzschnell schießt sie in ihrem Stuhl hoch. Polternd kippt dieser um.
»Michael…!!«, beginnt sie atemlos zu japsen. Ehe Michael ihre Reaktion richtig einschätzen kann, lächelt er Laura vertraut an.
»Bitte sei so freundlich und sei Agent Stewart bei ihren Ermittlungen behilflich.«
»Stewart??«, platzt Laura fast brüllend heraus. Sie kennt den Namen nur zu gut. Wie kann so eine Bestie, wie diese FBI Tussi, diesen Namen tragen? Ironie und unermesslicher Sarkasmus hängen wie eine dicke Wolke unter der Glaskuppel des Gebäudes.
Ohne sich von Lauras Wut einschüchtern zu lassen, tritt Eden selbstsicher an den Schreibtisch und reicht ihr die Hand.
»Danke, dass sie mir bei meinen Ermittlungen behilflich sind!«, grinst sie ironisch und zwinkert Laura gehässig zu. Laura blickt auf die entgegengestreckte Hand, wirft ihre Augen zu Eden zurück und fletscht die Zähne.
»Fass mich auch nur ein einziges Mal an und…!« Laura flüstert diese Worte nur, aber Eden versteht sie ganz genau. Im Gegensatz zu Michael, der mit wenigen Schritten neben den beiden Frauen steht.
»Agent Stewart würde gerne wissen, wie Neve und Samantha sich kennengelernt haben. Kannst du ihr da behilflich sein? Ich weiß darüber leider nicht genug!«
»Ich werde dieser… dieser… dieser Person nicht eine Frage beantworten!!«, faucht Laura. Ihre Wut verteilt sich im ganzen Büro. Sie ist regelrecht greifbar. Etwas womit Eden sehr gerne spielt. Auf dem Schreibtisch abstützend, lehnt sie sich zu Laura herüber.
»Töten kannst du mich später!«, grinst sie und zwinkert Laura höhnisch grinsend zu. Auch wenn Michael nicht weiß was der Grund dafür ist, spürt er trotzdem die Antipathie zwischen den Frauen.
»Laura, wenn ihr beide eine Meinungsverschiedenheit habt, tragt diese auf der Straße aus und nicht im Büro Hier wirst du jetzt bitte die Fragen des Agents beantworten«, fordert er Laura auf, über ihren Schatten zu springen. Jetzt muss sie sich doch tatsächlich mit dieser widerwärtigen Person auseinandersetzen.
Wütend blickt Laura zu Michael, zu Eden, zu Michael zurück und schmettert dann eine steinerne Faust auf den Schreibtisch.
»Verdammt!!«, brüllt sie rasend und schleudert die Tastatur des Computers mit einer fegenden Handbewegung durch das Büro. Die Wut die in ihr steckt, ist zu groß, als dass sie diese zivilisiert kontrollieren kann. Zornig blickt sie zu Michael.
»Du hast absolut keine Ahnung, was du hier von mir verlangst!«, schnauft sie und blickt zu Eden zurück.
»Was wollen sie denn wissen, Agent S.T.E.W.A.R.T??« Voller Ironie und in einzelnen Buchstaben wirft Laura Eden ihren Nachnamen vor die Füße.
»Ich würde gerne von ihnen wissen, wie Neve und Sam sich kennengelernt haben. Und wenn wir schon dabei sind, können sie mir auch noch gleich verraten, was sie an meinem Nachnamen stört?!« Bockig verschränkt Laura die Arme vor der Brust. Ungewollt blickt Eden auf die Oberweite der Frau. Sie spürt, dass sie rot wird.
»Ein Rabbit hat versucht mir die Brust abzuschneiden, war aber zu dämlich dafür!«
Flüsternd dringt Lauras Stimme in Edens Kopf. Erschrocken zuckt sie zusammen. Mit großen Augen starrt Eden sie an.
»Was?«, fragt sie hauchend.
»Ich habe nichts gesagt!« Zornig aber etwas perplex, wirft Laura einen Blick zu Michael, der mit den Schultern zuckt und schaut dann zu Eden wieder zurück.
»Sam und Neve haben sich auf der UC Berkeley Extension Schule kennengelernt. Neve war dort Aushilfslehrerin und unterrichtete Mathematik. Sie müssen wissen, dass Sam hochintelligent und ein Ausnahmetalent W.A.R.! Und Neve W.A.R. eine hervorragende Lehrerin.«
»Geht es vielleicht mit etwas weniger Ironie, Laura?!«, mischt sich Michael neutral in diese Unterhaltung ein. Laura wirft ihm einen kurzen aber eindeutigen Blick zu. Jetzt ist sie es, die sich auf dem Schreibtisch abstützt und zu Eden hinüberlehnt.
»Und damit ihre Deckung als Polizistin nicht aufflog, verwendete Neve als Lehrerin den Nachnamen Stewart, Agent S.T.E.W.A.R.T.!« Steif schreckt Eden in ihrer Haltung zurück. Erschrocken starrt sie Laura mit großen Augen an. Ein selbstgerechtes Grinsen legt sich auf Lauras Lippen.
»Wollen sie noch mehr wissen? Kann ich ihnen noch weiter behilflich sein, um ihrem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen, oder ist es dafür schon zu spät??«, feixt sie ironisch und blickt an die Kopfseite, an der Eden die Stahlplatte trägt. Verwirrt über diese Übereinstimmung der Nachnamen, schluckt Eden flüchtig.
»Wie konnte es passieren, dass zwischen den beiden eine Liebe entstand? Sam war eine kriminelle Schülerin, Neve Lehrerin und Polizistin. Es hätte niemals etwas zwischen ihnen passieren dürfen.« Erneut verschränkt Laura die Arme vor der Brust. Eine wiederholt ungewollte Aufforderung, dass Eden auf die Brüste in der weißen Bluse blickt.
»Du kannst es ruhig haben, wenn du willst!«
Nochmals ertönt Lauras Stimme leise in ihrem Kopf. Dieses Mal lässt sich Eden nicht auf diese Aussage ein, obwohl es sie schon ziemlich verwirrt. Was soll das? Wieso hört sie Lauras Stimme in ihrem Kopf? Und dann auch noch mit Aussagen, die ganz den Anschein erwecken, als wenn sie wüsste, was sich hinter Lauras Bluse in dem BH versteckt!?
»Liebe, Agent S.T.E.W.A.R.T., ist etwas was nicht zu erklären ist. Zwischen Sam und Neve entstand etwas Magisches. Eine Liebe die nicht in Worte zu fassen war. Nichts hätte ausgereicht, um deren Gefühle füreinander zu beschreiben. Es war egal was für Welten oder Jahre zwischen ihnen lagen. Sie haben sich von der ersten Sekunde an geliebt. Diese Liebe war nicht zu erklären. Sie war zu groß, zu mächtig und zu magisch, als dass jemand wie sie, das je verstehen könnte, Agent S.T.E.W.A.R.T.!«
»Laura!!«, ermahnt Michael seine Kollegin erneut. Wieder wirft Laura ihm einen flüchtigen Blick zu. Erschlagen von dieser Aussage, die so unendlich viel ausdrückt, blickt Eden verunsichert um sich. Sie weiß, dass sie darauf im Moment nicht eingehen, oder reagieren kann. Sie muss es erst verarbeiten. Dafür hat sie jetzt allerdings nicht die Gelegenheit.
Wie ein Rettungsring, klammert sich Eden mit den Augen an einen Bilderrahmen, der direkt hinter Laura an einer Wand hängt.
»Was ist das?«, fragt sie leise. Ohne einen der Anwesenden zu beachten, geht Eden um den Schreibtisch herum und bleibt vor dem Bilderrahmen stehen. Ihre Augen erfassen eine Vollmacht. Eine Vollmacht die ihr etwas Ungewöhnliches offenbart.
Laura tritt mit großem Abstand an ihre Seite und holt Luft. Plötzlich kehrt eine ungewöhnliche Stille im Büro ein. Wenn es hier Mäuse geben würde, könnte man diese ohne Probleme husten hören.
»BITTE???«, kreischt Laura plötzlich. In ihrer Tonlage steckt so viel Entsetzen, dass Eden sich verwundert zu ihr umdreht. Ehe sie die Handlung sehen kann, landet Lauras Hand mitten in ihrem Gesicht. Geschockt und fassungslos, starrt Eden sie an. Erschrocken hält sie sich die Wange. Was…?
»Michael, begleite Agent Stewart bitte aus meinem Büro, bevor ich mich vergesse!!«, zischt Laura aufgebracht.
Michael reagiert sofort und bittet Eden mit einer Handbewegung, das Büro zu verlassen. Eden weiß nicht was passiert ist, dass sie dieser Aufforderung folgeleistet, spürt aber, dass es im Moment sicherlich das Beste wäre.
»Wie konnten sie nur??«, zischt Michael wütend aber leise, als die Glastür hinter beiden in das Schloss fällt.
»Was?« Eden hat keine Ahnung wovon Michael Richmond spricht.
»Wie konnten sie Laura auf ihre Intimrasur ansprechen?«
»WAS?? Ich habe was??«, quiekt Eden und starrt Michael mit großen Augen an. Das hat sie nicht! Das hat sie auf gar keinen Fall! Sie kann sich nicht daran erinnern, so eine Aussage gemacht zu haben. Wieso sollte sie auch? Es interessiert sie keineswegs wie Laura ihren Busch behandelt.
»Agent Stewart, ich glaube kaum, dass die Frage -Rasierst du dein Schamhaar noch immer nach dem Muster eines Blitzes?- und ein freches Augenzwinkern, zu ihren Ermittlungen gehören, oder??«
»Bitte??« Geschockt wankt Eden wenige Schritte zurück. Sie soll was gefragt und gemacht haben? Das kann nicht sein! Niemals! Niemals würde ihr so etwas Plumpes in den Sinn kommen! Warum auch? Diese intime Angelegenheit hat nun wirklich nichts mit ihren Ermittlungen zu tun. Weshalb soll sie das also gesagt haben? Und wieso kann sie sich nicht daran erinnern, das wirklich gemacht zu haben? Was stimmt nicht mit ihr?
Verwirrt über die Informationen, die sie erhalten hat und dem Eigenleben ihres Gehirnes, verlässt Eden die Käseglocke. Sie atmet tief durch und versucht die Fassung zurückzuerlangen. Sie muss definitiv mit ihrem behandelnden Arzt sprechen. Das was ihr Gehirn im Augenblick zu verarbeiten scheint, passt in keiner Form in ihr normales Verhaltensmuster. Niemals würde sie die Unverschämtheit besitzen und jemand Fremden nach dessen Intimrasur fragen. Und warum weiß sie davon nicht das Geringste? Sie hat ihre eigene Stimme nicht gehört. Kein Laut oder Wort ist ihrer Meinung nach über ihre Lippen gegangen. Da Michael und Laura aber gleichermaßen geschockt reagiert haben, scheint dennoch etwas Wahres an dieser Geschichte dran zu sein. Nur warum?
»Vielleicht wirst du ja doch noch verrückt«, murmelt Eden aufgelöst vor sich hin. Es wäre auf jeden Fall eine Erklärung.
Mit dem Schlüssel in der Hand, geht sie zu ihrem Wagen, blickt um sich, um den Verkehr im Auge zu behalten und grinst dann bis zu den Ohren. Auf der anderen Straßenseite sitzt noch immer diese südländische Frau. Sie hat sich offensichtlich keinen Zentimeter bewegt und blickt auf das, was sich in ihren Händen befindet.
Eden denkt nicht nach und hechtet mit eiligen Schritten über die viel befahrene Straße. Ihr Ziel ist der Hot-Dog Stand, der wenige Meter neben der Bank steht.
Ihr Gesicht nimmt einen sarkastischen Ausdruck an, als sie mit der leckeren und neusten Errungenschaft auf die Bank zusteuert. Allerdings fällt ihre Aufmerksamkeit schlagartig auf das geparkte Fahrzeug am Straßenrand. Eine Gänsehaut überkommt sie. Wie hypnotisiert haucht sie ein leises »Wow!«. Nicht nur ihre Stimme beginnt ein Eigenleben, sondern auch ihre Beine. Diese steuern sie gradewegs auf den schwarzen 68'er Dodge Charger. Sie hat das Gefühl, als wenn er regelrecht nach ihr brüllen würde. Gefühle steigen in ihr auf, die sie so noch nicht vernommen hat. Und das nur bei dem Anblick eines Autos.
Mit großen Augen wandert Eden um den Wagen herum. Wissbegierig betrachtet sie jeden einzelnen Millimeter.
»Ey, pass mit deinem scheiß Hot Dog auf!!«, brüllt plötzlich eine weibliche Stimme. Von dem Fahrzeug völlig fasziniert, hebt Eden die Augen. Leicht angesäuert blickt die Frau von der Bank zu ihr herüber und fixiert den Hot Dog in Edens Händen. Ihr selbst fällt nicht auf, dass die Frau sie soeben ungebeten geduzt hat. Ihr ist es auch egal, denn ihr kommt eine freche Idee. Mit einem ironischen Grinsen blickt Eden zu dem Hot Dog hinunter.
»Sicher, ich werde schon aufpassen«, lächelt sie, beißt genüsslich von dem Hot Dog ab und quetscht ihn absichtlich zusammen. Wie eine Bombe klatscht eine riesige Masse der Soße direkt auf die Motorhaube dieses edlen Goldstücks. Gespielt entsetzt blickt Eden zu dem matschigen Soßenhaufen hinunter.
»Huch, das tut mir schrecklich leid!«, flötet sie ironisch, wischt sich mit der mitgenommenen Serviette den Mund ab und nutzt dann genau dieselbe Fläche, um die Haube von der Soße zu befreien.
»Verdammt!!«, brüllt die Frau, schmeißt das in ihren Händen auf die Bank und hechtet auf den Wagen zu. Mit einem unsanften Rempler stößt sie Eden von dem Auto weg. Wie eine Furie fummelt sie in dem Wageninneren herum, holt einen Reiniger heraus und beginnt in einer offensichtlich eingeübten Bewegung, den Wagen von den Hot Dog Zutaten zu befreien.
»Da ist aber jemand sehr penibel und reinlich«, gackert Eden und beobachtet diesen akribischen Reinigungsvorgang der Frau. Wie ein Roboter geht die Frau einer bestimmten Routine nach. In kreisenden Bewegungen wischt sie den Fleck von der Haube, sprüht den Reiniger auf den Lack und betrachtet nach einiger Zeit das Ergebnis. Skeptisch beobachtet Eden wie die Frau sich tatsächlich etwas herunter beugt und ihren Blick parallel über die Haube schweifen lässt. Wissbegierig befördert Eden ihren Körper in dieselbe Position und schaut zu der Frau hinüber.
»Hast du gefunden was du suchst?«, gluckst sie frech. Ein wütender Blick der Frau, zerschmettert sämtliche weiteren sarkastischen Ideen, die Eden im Kopf hat.
Bockig wie ein kleines Kind, pfeffert die Frau den Reiniger in den Wagen und setzt sich wieder auf die Bank zurück. Gleich darauf versinkt sie in dem, was sie wieder in ihren Händen hält.
Schulterzuckend begibt sich Eden ebenfalls auf die Bank und setzt sich. Mit tiefen Falten auf der Stirn, blickt die Frau missmutig zu ihr herüber. Ihr Blick wandert zu dem matschigen Hot Dog, zu Eden und dann wieder zu dem Essen. Mit einer riesigen Wollust beißt Eden erneut von dem guten Stück ab. Sie spürt den Blick der Frau neben sich. Das wollte sie ja auch erreichen. Sie muss sich aber zusammenreißen, nicht gleich in einem Lachanfall auszubrechen. Daher blickt sie flüchtig zu der Frau hinüber, schaut zu dem Hot Dog, hebt diesen hoch und hält ihn der Frau unverschämt direkt unter die Nase.
»Mal beißen?«, fragt sie mit dicken Hamsterbacken. Angewidert starrt die Frau auf den Hot Dog und richtet ihren Augenmerk dann auf die unzerkauten Reste in Edens Mund, den sie offensichtlich mit Absicht weit offen stehen hat.
»Noch nicht gecheckt, dass ich Vegetarier bin??«, raunt sie fauchend und rückt ein Stück von Eden weg. Wie ein Kleinkind beginnt Eden zu kichern. Demonstrativ beißt sie mit riesiger Lust ein großes Stück vom Hot Dog ab. Nach und nach vertilgt sie dieses Lebensmittel, während ein immer wiederkehrender Ton in ihre Ohren dringt. Davon leicht genervt, blickt sie zu einer Hand der Frau, in der sie einen Bleistift hält und damit auf den Bock unter sich tippt.
»Bist du bald fertig mit dem Schweinkram?«, grummelt die Frau und weist mit einer Kinnbewegung auf den Hot Dog. Ohne sich stören zu lassen, verschlingt Eden auch den letzten Rest, wischt sich den Mund ab und wirft die Serviette in einen Mülleimer. Mit einer fließenden Bewegung dreht sie sich zu der Frau um und reicht ihr die Hand.
»Eden!«, stellt sie sich vor. Überrascht schaut die Frau sie an. Eden zuckt mit den Schultern.
»Wenn wir uns schon so anzicken, würde ich schon gerne den Namen meiner Zickengegnerin wissen«, grinst sie frech. Es dauert etwas bis die Frau ihre Hand nimmt und sich mit einem flüchtigen »Leo« namentlich vorstellt. Eden nickt dankbar, wobei ihr Blick auf den rechten Unterarm der Frau fällt. Steif schreckt sie zusammen. Erschrocken blickt sie zu Leo hoch und dann wieder auf die Innenseite des Armes. Für einen Moment steht die Welt still. Edens Atmung reduziert sich auf das Nötigste. Ein betäubender Schleier legt sich auf ihr Gehirn. Sie holt tief Luft.
»Du bist ein Rabbit?«, haucht sie geschockt. Tausend Gefühle brechen über Eden zusammen. Angst, Panik, Wut, Zorn und tiefe Trauer.
»Was?« Leo blickt ebenfalls auf die Tätowierung. Sie betrachtet das schwarze Kaninchen einige Sekunden und zieht die Schultern hoch. Währenddessen rutscht Eden erschrocken etwas von ihr weg. Sie weiß gerade nicht wie sie damit umgehen soll. Sie war selbst eines dieser Rabbits. Und weil sie eines war, tötete sie Neve. Aufgrund dessen richtete sich Sam selbst und dieser ganze Horror nahm seinen Lauf. Dieses kleine niedliche Tier ist ein schwerwiegender Teil in Edens Leben. Sie hat kein Verlangen danach, diesen Teil näher als nötig an sich heranzulassen. Sie weiß, dass sie dieses Kapitel von vorne aufkrempeln und aufräumen muss, aber sie verspürt kein Bedürfnis danach, ein neues Kapitel aufzuschlagen.
»Ich habe absolut keine Ahnung was das für eine Tätowierung ist«, murmelt Leo. Gedankenversunken blickt sie auf die Tätowierung. Das Kaninchen ist kaum noch zu erkennen, aber Eden weiß, dass es dieses verdammte Nagetier ist. Das Motiv ist durch eine dicke und offensichtlich frische Narbe fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Als wenn dieses Thema mit einem Edding von einer Liste gestrichen worden wäre, zieht sich die rosa Narbe diagonal über das Motiv.
Leo hebt den Blick und schaut zu Eden herüber, die noch immer fassungslos ihre Augen auf die Tätowierung geheftet hat.
»Ich hatte vor Monaten einen schweren Autounfall. Ich war schon klinisch tot, als ich in das Krankenhaus eingeliefert wurde. Die Ärzte konnten mich zwar zurückholen, aber seit dem, tja…« Erneut in Gedanken versunken, blickt Leo auf die Tätowierung.
»… habe ich keinerlei Erinnerung mehr an mein Leben. Mein Gedächtnis ist vollständig gelöscht. Ich versuche gerade herauszufinden, wer ich bin und wie mein Leben vor dem Unfall verlief. Die Tätowierung war aber nie interessant genug für mich, als das ich mich damit auseinandersetzen wollte. Ich weiß also überhaupt nicht, weshalb ich das Ding trage und was es damit auf sich hat.« Fragend blickt Leo zu Eden herüber.
»Weißt du was die Tätowierung bedeutet?« Und ob Eden das weiß. Sie weiß es so genau, dass sie Leo mit funkelnden Augen regelrecht fixiert. Wut und Hass steigen in ihr auf. Ihr Blick ist mit solchen hasserfüllten Gefühlen getränkt, dass Leo sie erschrocken anschaut. Schon fast ängstlich lehnt sie sich etwas zurück.
»Und ob ich das weiß!«, zischt Eden. Sie beugt sich das kleine Stück zu Leo herüber. Somit kann sie sich sicher sein, dass diese Frau wirklich jedes ihrer Worte versteht. Nichts soll verloren gehen.
»Und genau aus diesem Grund, solltest du mir nie wieder unter die Augen treten! Meinst du aber dennoch jemals wieder in meiner Nähe aufzutauchen, werde ich keine Sekunde zögern und dich auf der Stelle töten, verstanden?«, faucht Eden. All ihr Wissen über das Thema Dead Rabbits, lässt sie in diesem Augenblick heraus. Egal ob diese Leo etwas damit zu tun hat, oder nicht. Leo ist ein Rabbit und nur ein toter Rabbit ist ein guter Rabbit. Und warum? Weil die Rabbits für Neves und Sams Tod verantwortlich sind. Und weshalb kümmert Eden das? Weil sie sich so unglaublich verbunden mit den beiden Frauen fühlt. Ist das aber gleich ein Grund, sich auf eine Seite zu schlagen?
Erschrocken weicht Leo ein weiteres Stück zurück. Geschockt starrt sie Eden an. Sie ist sich keiner Schuld bewusst. Was soll sie auch gemacht haben? Sie kann sich doch an nichts erinnern. Weshalb droht diese Eden ihr dann also mit dem Tod? Was läuft hier für ein Film ab?