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Fortschritt

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Wochenlang quält sich Eden zu Hause, bis sie es nicht mehr aushält. Sie ruft beim FBI an und hat einen gewissen Norton am Telefon. Dieser stellt sich als ihr Vorgesetzter vor. Ihr ist es egal, sie will endlich wieder arbeiten.

Der gute Mann an der anderen Leitung begrüßt sie herzlich, fragt nach ihrem Wohlbefinden und ist über ihre Aussage erstaunt, dass sie ab kommenden Montag ihren Dienst wieder antreten möchte. Er versucht sie davon zu überzeugen, sich noch etwas zu erholen, aber sie lehnt vehement ab. Beide einigen sich darauf, dass Eden vorerst nicht auf der Straße agieren und die erste Zeit an ihrem Schreibtisch Akten wälzen wird. Er möchte ihr somit helfen, dass ihr Gedächtnis bezüglich ihrer Arbeit, nach und nach wiederkehrt.

Was die Arbeit angeht, möchte sie jede einzelne Erinnerung zurückhaben, aber nicht was ihr Privatleben angeht. Bloß nicht! Der tägliche Anblick von Ryan versaut ihr schon morgens den Rest des Tages.

Sie erklärt sich damit einverstanden, weil ihr das tatsächlich sehr gut passt. So kann sie die Akten von Neve Preston und Samantha Rodriguez sichten, ohne dass es auffällt, oder einem ihrer Kollegen merkwürdig vorkommt. Was kann ein Agent nur in alten und geschlossenen Akten suchen? Ganz einfach! Ihre Vergangenheit! Denn egal was ihr Verstand ihr sagt, ihr Herz sagt ihr, dass sie diese Akten sichten muss. Sie wird das Gefühl nicht los, dass ihr vorheriges Leben irgendetwas damit zu tun hat. Und da spielt die Tatsache, dass sie zwei Jahre ein Kaninchen war, nur eine minimale Rolle.

Zuhause hat sie allerdings nicht so viel Glück. Ihr Vorgesetzter freut sich sie wieder in seinem Team begrüßen zu dürfen. Ryan hingegen zettelt einen regelrechten Streit an. Er möchte nicht, dass seine über alles geliebte Frau schon so früh nach der OP wieder arbeiten geht. Es sei viel zu gefährlich. Ihr Körper hätte die Stahlplatte noch nicht richtig angenommen und könnte abgestoßen werden. Ihr Gehirn könnte noch immer entzündet sein und sie könnte einen Anfall oder ähnliches erleiden, wenn sie ihren Kopf überanstrengt. Ryan bemuttert sie von vorne bis hinten und möchte sie am liebsten in Watte einpacken. Aber Eden knallt ihm lediglich ihre Horrorzimmertür vor der Nase zu und geht erst tief in der Nacht ins Bett.

Seit dem Zwischenfall mit dem Hund bei dem Basketballplatz, kann sie nicht mehr richtig schlafen. Fast jede Nacht wacht sie schweißgebadet auf und versucht sich von ihren Träumen zu erholen. Was sie träumte, weiß sie meistens kaum noch. Nur hin und wieder tauchte dieser Hund vor ihr auf. Es kommt ihr immer so vor, als wenn sie mit ihm spielen würde. Immer wieder sah sie im Traum, wie eine Hand einen Stock schmiss, der Hund hinterher rannte und dieses Stück Holz brav zurückbrachte.

Dann hatte sie eines Nachts einen Schwangerschaftstest vor Augen und spürte eine Welle des Glücks und der Freude über sich einbrechen, als sie sehen konnte, dass er positiv war. Jede Nacht war pures Kopfkino für sie, womit sie allerdings nichts anfangen konnte. Es waren fremde Bilder für sie! Fremde Szenen! Fremde Leben! Warum fühlt sie sich, als wenn sie ein Teil dieser Szenen und dieses Lebens wäre? Wieso drehte ihr Kopf überhaupt durch und präsentiert ihr jede Nacht diese Träume? Was hat das alles zu bedeuten? Hat Ryan vielleicht Recht? Ist es möglicherweise doch zu früh, schon zur Arbeit zu gehen? Überfordert sie sich etwa jetzt schon? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht braucht sie einfach nur ihre Arbeit, um wieder Ruhe im Kopf zu haben.

Sie gönnt sich aber noch eine Fahrt mit ihrem Teufel und hält irgendwann vor einem Autohaus. Mit einem Hochgefühl betritt sie die Verkaufshalle und spürt, wie ihr Herz zu rasen beginnt, als sie die vielen Modelle der Mercedes Fahrzeuge dort stehen sieht. Ihr läuft das Wasser im Mund zusammen, als sie zwischen den Autos läuft und immer wieder an einem stehen bleibt, um sich im Innenraum umzuschauen.

Gemütlich schlendert sie umher, bis sie von einem geschniegelten und gebügelten Verkäufer angesprochen wird. Er redet ihr die Ohren blutig, worauf sie aber kaum eingeht, weil sie eines der Fahrzeuge ins Visier genommen hat. Ohne den guten Mann zu beachten, schlüpft sie an allen anderen Autos vorbei und bleibt vor einem silbernen SL AMG stehen. Ihr Herz beginnt regelrecht zu rasen. Ihr Kopf feiert eine prächtige Party. Sie kann es kaum fassen, wie dieser Wagen auf sie wirkt. Es ist ein absolutes Hochgefühl das sie durchströmt. Dieses Auto, das wartend und lautstark brüllend vor ihr steht, löst in ihr Gefühle aus, die sie das letzte Mal bei ihrem Teufel empfand.

»Ich möchte eine Probefahrt machen«, haucht sie betäubt von diesem Vehikel und spürt, wie ihr das Wasser erneut im Mund zusammenläuft. Ihre Finger beginnen vor Aufregung zu zittern, unter den Achseln bildet sich Schweiß. Sie glaubt vor Hitze fast zu zergehen, weil ihre Körpertemperatur bis ins unermessliche steigt. Wie kann ein Wagen nur so eine körperliche Reaktion auslösen? Das ist doch nur Blech, Gummi und Kupferleitungen. Ein paar Schalter und brennbare Flüssigkeiten. Weshalb fühlt sich ihr Körper an, als wenn dieser mit einer der Flüssigkeiten überschüttet und angesteckt worden wäre? Was ist los mit ihr?

Ihr ist es egal. Sie rupft dem Verkäufer nur noch die Wagenschlüssel aus der Hand, als dieser nach wenigen Minuten damit zurückkehrt und setzt sich sofort in den schwarzen Ledersitz. Sie atmet tief durch und spürt selber, wie ihre Augen beginnen zu strahlen, als sie sich im Innenraum umblickt.

»Wow«, haucht sie sabbernd. Vorsichtig rollt sie das Auto aus der Verkaufshalle. Kaum berühren die Räder den Asphalt, gibt sie Gas. Mit quietschendem Reifen rast sie die Straße entlang. Sie blickt in den Rückspiegel und fängt schallend laut zu lachen an, als sie sehen kann, wie der Verkäufer ängstlich und panisch auf die Straße eilt. Verstört blickt er ihr hinterher. Hat der gute Mann etwa Angst um sein Eigentum? So eine schlechte Fahrerin ist sie nun wirklich nicht.

Fast zwei Stunden fährt sie durch San Francisco und öffnete irgendwann das Verdeck, um das Schmuckstück zu einem Cabrio umzufunktionieren. Sie genießt den Fahrtwind und lässt sämtliche Sorgen hinter sich. Egal was noch alles in ihrem neuen Leben auf sie zukommen wird, ihr ist es im Moment egal. Sie will sich und den Wind spüren. Sie will ein neues Leben beginnen und irgendwie versuchen, ihr altes zu vergessen. Jedenfalls was das Private angeht. Denn das ist ihr bis heute zu wider. Ryan, diese Jill, dieses Haus, diese Idylle! Sie merkt einfach, dass dieses Leben nicht ihres ist und nicht zu ihr passt. Ebenso der unersättliche Sex mit ihrem Mann. Fast jede Nacht muss sie ihn ertragen. Ihm fällt es keineswegs auf, dass sie sich kaum an dem Geschlechtsverkehr beteiligt. Sie weiß ja nicht wie ihr gemeinsames Sexleben zuvor aussah, aber ihm muss doch mal langsam auffallen, dass von ihrer Seite kaum Aktivität vorhanden ist. Er hat es noch nicht einmal bemerkt, dass sie in einer Nacht fast eingeschlafen ist. Nur dieser harte und stoßende Rhythmus ließ sie wach bleiben.

Als Eden den Mercedes wehmütig zum Autohaus zurückfährt, entscheidet sie sich kurzerhand und parkt den Mercedes am Straßenrand.

»Ich kaufe den Wagen, so wie er ist. Erledigen sie die Zulassung. Ich hole ihn in zwei Stunden ab«, schmeißt sie dem überfordertem Verkäufer entgegen, der zuerst erleichtert ist, dass das Auto in einem Stück und ohne Schrammen zurückgekehrt ist. Als er dann aber den Verkauf und die dazugehörige Provision wittert, schmeißt er sämtliche Fürsorge über Bord. Ist dann ja schließlich nicht mehr sein Eigentum.

Gegen Abend steigt Eden aus einem Taxi und erfreut sich an dem Gedanken, gleich in ihrem neuen Wagen zu sitzen. Sie hat sich schlagartig in das Schmuckstück verliebt. Weil sie weiß, dass sie genug Geld auf dem Konto hat, hat sie sich kurzerhand zu diesem Kauf entschieden.

Ryans Reaktion auf den Silberpfeil, ist allerdings alles andere als erfreulich. Er schimpft wie ein Rohrspatz mit ihr, wie sie so viel Geld für ein Auto ausgeben kann, weil sie mit dem Geld den nächsten Urlaub bezahlen wollten. Sie hätten sich so viele gemeinsame Pläne gemacht, wofür die Summen benötigt worden wären und nun hätte sie mit einem Schlag alles vernichtet, was sie zusammen geplant haben. Edens Antwort darauf ist allerdings erneut das zuschlagen ihrer Zimmertür.

»Verdammt Eden‼ Was ist los mit dir? Ich erkenne dich nicht wieder! Seit du im Krankenhaus aufgewacht bist, bist du mir völlig fremd geworden! Wo ist meine Frau?? Sind deine Erinnerungen noch immer nicht zurückgekehrt?«, brüllt er fürsorglich durch das Holz.

»Offensichtlich nicht«, nuschelt Eden vor dem Computer sitzend. Sie kümmert sich nicht weiter um ihren Mann. Warum auch? Er ist ihr genauso fremd, wie sie ihm. Sie ist nur noch in diesem Haus, weil es für sie ein Zufluchtsort ist. Sobald sie wieder aktiver am Leben teilnimmt, wird sie ausziehen und die Scheidung einreichen.

Was aber, wenn ihre Erinnerungen voll und ganz zurückkehren? Wie entscheidet sie sich dann? Sie genießt ihr neues Leben! Sie spürt einfach, dass es richtig ist und hat das erste Mal das Gefühl, dass sie tatsächlich lebt und frei von sämtlichen Richtlinien ist. Warum sollte sie also dieses Lebensgefühl aufgeben und ein Leben führen, das instinktiv keineswegs zu ihr passt? Irgendetwas ist falsch, dass weiß sie. Sie muss zu sich selbst finden und das kann sie nur, wenn sie Ruhe hat und alleine ist. Sie braucht keinen Mann an ihrer Seite, der verzweifelt versucht, die Frau zurückzugewinnen, die er in ihr sieht. Denn diese Frau ist sie nicht mehr! Nur wer sie ist, weiß sie selbst noch nicht.

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