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Schopenhauer, Johanna
I

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Weimar, d. 2ten Dec. 1823.

Ich wage mich mit einer Bitte an Sie, verehrter Freund, deren Gewährung ich mit Gewisheit von Ihnen hoffe, besonders da ich sie Ihnen so bequem als möglich zu machen gedenke. Ich kenne Ihre große Bekanntschaft mit dem englischen Theater, in der Ihnen in Deutschland Niemand und vielleicht auch in England Keiner gleich kommt, und bitte Sie daher, mir die Titel von etwa ein Duzend englischer Lustspiele aus dem vorigen Jahrhundert aufzuschreiben, die Schröder noch nicht benuzt hat, und die gehörig modernisirt und umgearbeitet vielleicht den Stoff zu deutschen Lustspielen liefern könnten, wenn eine geschickte Hand sich darüber machte. In diesem Jahrhundert ist glaube ich nichts bedeutendes erschienen, die Engländer wie die Deutschen, ergözen sich meistentheils an Nachahmungen französischer Melodrams, doch wären Ihnen auch einige neuere für diesen Zweck paßende Stücke bekannt, so bitte ich ebenfalls ihre Titel mir mitzutheilen.

Ihnen will ich es nicht verhehlen, daß ich selbst Lust und Trieb in mir fühle, mich auch einmal in diesem Fach zu versuchen, doch würde ich, aus Gründen, die Sie selbst fühlen, dieses nie unter meinem Namen thun, daher bitte ich Sie gegen Niemand etwas von diesem Vorsatz, nicht einmal von meinem jetzigen Anliegen an Sie, zu erwähnen. Ich glaube, daß das englische Theater noch viele Schätze bietet, die gut benuzt endlich dazu beitragen könnten, die französischen kleinen Lustspiele, die für Deutsche doch nie ganz paßen, von der Bühne, wenn nicht zu verdrängen, doch wenigstens ihre jetzige Alleinherrschaft zu beschränken. Ob ich das dazu nöthige Geschick habe, kann freilich nur die Zeit lehren, aber ich habe Lust, den Versuch zu wagen, besonders da ich bei meiner jetzigen Kränklichkeit einer erheiternden und leichtern, weniger anstrengenden Arbeit bedarf.

Ich weis, lieber Herr Doktor, Sie schreiben ungern Briefe, ich entsage also schon im Voraus der Freude, diese Zeilen von Ihnen beantwortet zu sehen. Ich bitte Sie nur die Namen der Stücke, die Sie für meinen Zweck tauglich halten, ohne weiteres aufzuschreiben und unter meiner Adreße mir zu senden. Ich habe eben in etwa vierzehn Tagen eine Gelegenheit, sie ohne Nebenkosten aus England kommen zu laßen.

Um Sie nicht zu ermüden, entsage ich jetzt sogar der Lust, noch länger mit Ihnen zu plaudern, und unterschreibe mich blos als

Ihre

Sie innig verehrende

Johanna Schopenhauer.

Briefe an Ludwig Tieck 4

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