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ES IST KOMPLIZIERT

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Ich bin katholischer Priester und somit Kleriker. Das ist nun mal so.

Wie schon angedeutet und wahrscheinlich allgemein bekannt bzw. gedacht: Im Zusammenhang mit Klerikalismus geht es oft darum, was Kleriker tun, wie sie sich verhalten und gebärden. Und das kommt natürlich auch nicht von ungefähr. Es gibt genügend Aussagen und Beispiele von Mitbrüdern in genau diesem bekannten bzw. gedachten Duktus, bei denen ich mich dafür schäme, Kleriker zu sein.

Zum einen geht mir das aber bei vielen pastoralen Mitarbeiter:innen oder allgemein bei vielen Christ:innen auch so, weil sie sich nicht weniger klerikal gebärden. Und zum anderen geht es sicherlich vielen meiner Mitchrist:innen und Mitbrüdern mit mir in manchen Situationen genauso ….

Früher dachte ich, Klerikalismus sei ein gewisser Habitus und klerikalistisches Handeln gewisse Gesten, Worte und Entscheidungen, die etwas von fehlender Augenhöhe erzählen und von denen ausgehen, die klerikal handeln. Natürlich wird dies meist und leider auch wirklich aus vielerlei schlechten Erfahrungen heraus Klerikern zugeschrieben. Aber, dass es diesen Habitus natürlich genauso unter Lai:innen, Haupt- und Ehrenamtlichen, Frauen und Männern gibt, war mir immer schon klar und dies habe ich leider auch oft genug schon erlebt.

Zum Beispiel erlebe ich eine Kollegin im pastoralen Dienst, die immer eine große Kritikerin gegenüber der kirchlichen Hierarchie und dem Klerikerstand war und ist, die nun aber, als Pfarrbeauftrage in einer Gemeinde, genauso geworden ist wie alles, was sie kritisiert hat und immer noch kritisiert. Ist Klerikalismus vielleicht oft einhergehend mit einer gestörten Selbst- und Fremdwahrnehmung?

Und daran anschließend denke ich an eine Frau von Maria 2.0, die klug und klar, aber auch mit ruhigen und völlig abgeklärten Worten bei einem Interview in einem Fernsehstudio sitzt und Forderungen stellt. Leider bekommen ich bei alldem aber das Gefühl nicht los: Wenn ein Bischof mit diesem Habitus dort genauso sitzen und reden würde … – du würdest ihn zerfleischen.

Oder ich denke an die vielen Haupt- und Ehrenamtlichen, Männer und Frauen, die ich schon getroffen habe, die durch manch schlechte Erfahrung mit Kirchenmenschen (oft völlig nachvollziehbar) frustriert sind, sich nun aber in ihren Frust suhlen oder vielleicht einfach nicht mehr herausfinden und leider über die Zeit hinweg auch nicht besser mit ihren Mitmenschen umgehen und dadurch ihre schlechten Erfahrungen einfach weitertragen.

Diese Liste könnte ich noch lange weiterführen und wahrscheinlich kennt jede:r, wenn sie oder er nachdenkt, solche Bespiele. Wenn wir all diese Erfahrungen und Situationen zusammentragen würden, würden sich vielleicht viele davon ähneln, aber noch mehr würden sich unterscheiden, weil es sich hierbei meistens um ein Konglomerat aus Überzeugungen, Erfahrungen und Gefühlen handelt. Vielleicht ist das auch ein Haken in der ganzen Diskussion um Klerikalismus. Jede:r denkt, dass es doch völlig klar ist, um was es da geht. In Wirklichkeit vermischen viele einfach die eigenen Erfahrungen mit ihren Idealen und nennen den Frust, den sie dann anderen (manchmal auch vorschnell) vor die Füße werfen, so.

‚Klerikalismus‘: Dieses Wort ist ein Kofferwort. Jede:r packt das hinein, was er oder sie will, kann und meint: Machtgehabe, fehlende Augenhöhe, Klerikergedöns, verletzter Stolz, Kirchenpolitik, manchmal auch nur die eigene Befindlichkeit, weil man den Pfarrer oder die Mesnerin oder die fromme, schlesische Kirchenbesucherin nicht mag bzw. was er oder sie zu einem gesagt hat oder sagt oder getan hat oder tut. Ja, es gibt Klerikalismus, aber genauso gibt es Laiismus, Ehrenamtswichtigtuerei und pastorale Enge, die daraus resultieren. Es gibt die Menschen, die hinter jedem gesprochenen Wort eines Klerikers eine unerhörte Aussage suchen und es gibt die, die so verängstigt sind, dass sie sich auf gar keine Diskussion mehr einlassen können. Dies alles wird im gleichen Koffer zusammengeworfen, der unter dem Stichwort ‚Klerikalismus‘ zugeklappt, abgeschlossen und umhergetragen wird.

Lebendige Seelsorge 1/2022

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