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DECKMANTEL

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Das überhöhte Priesterbild und der herrschende Klerikalismus sowie die damit einhergehende Männerbündigkeit sind also nicht nur zunehmend mit einer demokratischen Gesellschaft unvereinbar, sondern auch nachweislich mitursächlich für die vielen furchtbaren Missbrauchstaten im Rahmen und im Namen der katholischen Kirche. Zudem immunisierten die klerikalistischen Strukturen und der Priester-Nimbus die Geistlichen sowohl gegen jegliche Kontrolle ihrer Macht als auch gegen jegliche Kritik und Anschuldigungen von außen. Gerade im Missbrauchskontext führte dies erschreckend oft dazu, dass den Betroffenen – wenn sie überhaupt den Mut und die Worte fanden, über ihre Missbrauchserfahrungen zu sprechen – nicht geglaubt wurde oder sie sogar für ihre Aussagen abgestraft wurden, denn „ein Pfarrer tut so etwas nicht“. Zudem weist die MHG-Studie darauf hin, dass „ein autoritär-klerikalistisches Amtsverständnis dazu führen kann, dass ein Priester, der sexuelle Gewalt ausgeübt hat, eher als Bedrohung des eigenen klerikalen Systems angesehen wird und nicht als Gefahr für weitere Kinder oder Jugendliche“ (MHG-Studie, Zusammenfassung, 11). Dies hatte regelmäßig zur Folge, dass Missbrauchsfälle vertuscht und der Schutz des klerikalistischen Systems über den Schutz der Opfer gestellt wurde und die Betroffenen somit an den Rand gedrängt, ihr Schicksal und ihr Leid negiert und sie erneut verletzt wurden.

Angesichts dessen drängt sich mir eine weitere schmerzvolle Frage auf: Was ist das nur für eine Kirche, in der „es nicht so sein“ (Mk 10,43) sollte und in der es dann genau so beziehungsweise noch viel schlimmer gekommen ist? Ich habe darauf zwei Antworten: (1.) All das ist sicherlich NICHT ‚im Sinne des Erfinders‘! (2.) Es kann und es DARF kein ‚Weiter so‘ geben!

Die himmelschreienden Zeugnisse der Betroffenen über die dunkle Seite der katholischen Macht und die Empfehlungen der MHG-Studie, die in diesem Zusammenhang eine grundlegende „Änderung klerikalistischer Machtstrukturen“ sowie „eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Weiheamt des Priesters und dessen Rollenverständnis“ (MHG-Studie, Zusammenfassung, 14) anmahnt, dürfen nicht mehr weiter ignoriert oder gar negiert werden. Vielmehr müssen sie als handlungsleitend betrachtet werden. Ihrer Maxime folgend müssen zum einen die klerikalistischen, absolutistischen und männerbündigen Machtstrukturen in der Kirche endlich aufgebrochen und radikal reformiert werden. Macht und Leitung in der katholischen Kirche müssen generell reduziert, (geschlechter-)gerecht verteilt, kontrolliert, transparent gemacht und partizipativ gestaltet werden. Zum anderen muss das Priesteramt ‚entheiligt‘, vom Sockel geholt, geerdet und bei dieser Gelegenheit am besten generell neu – und natürlich im Zuge dessen auch geschlechtergerecht – gedacht werden.

Die jesuanische Form der Machtausübung dreht die herrschenden, missbräuchlichen Asymmetrien komplett um, denn hier geht es um die Macht der Machtlosigkeit, der Verletzlichkeit, der Augenhöhe und des Dienstes.

Lebendige Seelsorge 1/2022

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