Читать книгу Mein neuer Job - Die unerhörte Geschichte der Sabine G. - Victoria Trenton - Страница 4

Kapitel 1 – Vorstellungsgespräch

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Nach einem halben Jahr Arbeitslosigkeit machte ich mir ernsthafte Gedanken, wie es mit meinem Leben weitergehen würde. Ich war nicht nur aus der Firma rausgeflogen, sondern hatte, wenige Monate bevor ich meine gute Arbeit verlor, mir eine eigene Wohnung genommen, hatte meine Sieben Sachen gepackt und war bei meinem damaligen Freund ausgezogen. Ich liebte ihn schon noch, irgendwie, aber seine Art war mir zunehmend auf den Geist gegangen. Er war wenig experimentierfreudig und erdrückte mich mit seiner Zuneigung und seinen peniblen Regeln; Zahnputzbecher rechts, Duschmatte nach dem Duschen aufhängen, Socken einzeln über einen Bügel, ach, seine pedantische Art war schrecklich. Ordnung schön und gut, aber wenn ich ihn spontan spüren wollte, warum mußten wir dann immer erst unter die Dusche? Es war das Schlimmste für ihn, verlassen zu werden, genau deshalb mußte ich es tun. Der wahre Grund war aber eher, daß ihm jeder Sinn für Tiefsinnigkeit fehlte. Wenn ich mich in meinem Freundeskreis bewege, möchte ich mich auch über interessante Themen unterhalten, nicht nur über Fußball; wobei das zunehmend schwerer wird, denn die wenigsten haben noch eine solide Allgemeinbildung.

Ich hatte mir also ein kleines, schickes Apartment genommen und war schon am zweiten Tag, nachdem ich über ein verlängertes Wochenende im Mai alles eingerichtet hatte, nicht allein ins Bett gegangen. Herrlich, diese neue Freiheit! Leider lief es im Job von da an immer schlechter. Vielleicht habe ich zuviel an meine neue Freiheit gedacht, die ich als totale Befreiung empfand, und daran, wie ich das Jucken zwischen meinen Beinen am nächsten Abend stillen würde. Vielleicht war mein Ex, von dem ich mich in „aller Freundschaft“ – und dem ganzen Bla-Bla – getrennt hatte, hinter meinem Rücken aktiv geworden. Ein Verdacht, der mir erst viel, viel später kam. Schließlich hatten wir uns indirekt über die Arbeit kennen gelernt, er damals bei einem unserer wichtigsten Kunden. Sei es drum.

Nun stand ich da, mit einem eigentlich zu teuren Zweiraum-Apartment und ohne Job. Gut, nachdem ich bei Gunter & Kiesling rausgeflogen war, weil ich erst grundlos eine Abmahnung bekam, dann mich regelrecht gemobbt fühlte und schließlich tatsächlich einen Bock geschossen hatte, ein dummer Fehler, eine Nachlässigkeit, ein Ärgernis, daß normalerweise mit zünftigen Kommentaren von den Chefs versehen worden wäre und dann ad acta gelegt, aber nun zu meiner Entlassung geführt hatte, sah ich die Dinge zunächst nicht weiter tragisch. Der Schleimi von Betriebsrat hat noch vermittelt und meinte, nachdem ich zu einem Aufhebungsvertrag genötigt wurde, ich solle ihm noch dankbar sein, weil ich so noch zwei Monatsgehälter Abfindung erhielt. So ein Mist.

Ich fand dann auch gleich eine neue Stelle, die war zwar schlechter bezahlt, aber immerhin. Sie war sogar näher, als meine alte Arbeitsstelle, ich hätte vielleicht auf meinen schwarzen Polo verzichten können. Dort flog ich aber schon in der Probezeit, genauer nach nur sechs Wochen, wieder raus. Das Blöde ist, in der Probe braucht es keine Begründung. Und die Trottel von der Personalabteilung haben mir nicht auch nur andeutungsweise gesagt, wieso ich meinen Schreibtisch wieder räumen durfte. War ich zu langsam? Haben sie doch keine Kohle für die zusätzliche Stelle mehr gehabt? Hat die flachbusige Vorstandszicke mich mit Blick auf meine 80 D beneidet? Oder weil ich besser mit dem Arsch wackeln kann und auch in hohen Schuhen sicher laufe? Oder etwa, weil ich den unbeholfenen Avancen des Chefbuchhalters keine Beachtung geschenkt hatte? Der Mann hatte scheinbar viel Einfluß, und er hat mich mit seinen Blicken regelrecht ausgezogen. Ich steh aber nicht auf dickbäuchige Halbglatzen, und das gab ich ihm auch zu verstehen. Vermutlich ein Fehler. Sonst habe ich mich ja auch nicht geniert, meine weiblichen Reize einzusetzen. Im Nachhinein denke ich, hierin den wahren Grund für meine schnelle Entlassung zu sehen. Gekränkte männliche Eitelkeit.

Jedenfalls sollte es nicht sein.

Und irgendwie war danach der Wurm drin. Sicher warf auch die Wirtschaftskrise bereits ihre Schatten voraus. Ich schrieb an die 50 Bewerbungen und erhielt kaum mal eine Einladung zum Vorstellungsgespräch, obwohl ich früher oft schon allein meines nicht unattraktiven Äußeren wegen eingeladen worden war. Damit die Herren Chef mal was zu glotzen haben.

Bei der Annonce im Main-Echo hatte ich zwar ein seltsames Gefühl, aber ich habe doch geschrieben, weil die Stellenbeschreibung recht gut zu meinen Fähigkeiten zu passen schien. Und prompt wurde ich eingeladen. Der Mann am Telefon hatte eine merkwürdige Stimme, nicht uninteressant aber auch nicht so recht männlich. Jedenfalls suchte er eine Privatsekretärin, wobei er das „Privat“ besonders betonte. Schon in der Anzeige waren die Begriffe Verschwiegenheit, Loyalität und Diskretion überdeutlich betont worden.

Ich entschloß mich, trotzdem hinzufahren, denn Absagen kann man ja immer und die Monate, die mir das Arbeitsamt noch ALG I zahlen würde, wurden weniger. Und dann Miete, Auto... Urlaub war sowieso schon gestrichen.

Das Anwesen lag etwas außerhalb, mit einem richtigen schmiedeeisernen Tor – welches allerdings immer offen stand – und eigener Zufahrt. Rechts ein größerer Garagenanbau, weiter hinten auf dem recht großen Grundstück ein kleines Gewächshaus mit irgendeinem Gebäude, wie ein Geräteschuppen, aber innen wohnlich ausgebaut, wie ich später erfuhr. Eine Art Cottage.

Ich ging die fünf Stufen hinauf, und bevor ich klingeln konnte – wo war eigentlich die Klingel? – machte mir eine junge Dame auf. So ganz jung war sie auf den zweiten Blick dann doch nicht, aber sie machte zunächst einen sehr mädchenhaften Eindruck. Weil ich vor dem Bewerbungsgespräch ziemlich aufgeregt war, beachtete ich erst einmal nicht weiter, daß sie klassisch wie eine Haushälterin angezogen war, mit kleinem schwarzen Kleid, weißer Schürze und sogar einem weißen Häubchen. In welcher Zeit leben wir eigentlich?

Sie war sehr freundlich und bat mich hinein. In einem kleinen Raum, oder besser: einer Art Diele, durfte ich mich setzen. Alles war mit alten Stilmöbeln sehr vornehm eingerichtet. Der Polsterstuhl, auf dem ich saß, war vermutlich ein Vermögen wert, aber er war ein wenig klein und auch straff, so daß ich in der nun kommenden, längeren Warterei doch unbequem saß. Die Haushälterin servierte Kaffee, ziemlich stark. Sie ließ sich länger nicht blicken, als sie dann wieder vorbeischaute, um mir zu sagen, daß es noch etwas dauern würde, Herr Lukas, der Chef, sei noch in einer Besprechung, bat ich um ein Glas Wasser, was sie mir umgehend besorgte. Ich war erstaunt, wie schnell sie dieses kleine Fläschchen San Pellegrino samt Glas herbeizauberte, die Flasche öffnete und einschenkte.

Es dauerte länger. Jetzt, ich saß wohl schon fast eine Stunde, traute mich aber nicht auf die Uhr zu sehen, weil ich mich irgendwie beobachtet fühlte, mußte ich auch noch auf die Toilette. Aber wo war eine? Die Haushälterin war auch verschwunden, und beim letzten Mal, wo sie sich nach meinem Befinden erkundigte, dachte ich noch, ich kann locker anhalten, bis das Gespräch gelaufen sein wird. Ich stand auf, betrachtete mir eine Weile die zwei Ölbilder an der Wand, die offenbar Originale waren, und ging durchs Zimmer, von dem aus mehrere Türen abgingen. Ich war mir jetzt nicht mal mehr sicher, durch welche ich hereingekommen war. Endlich hörte ich sie. Sie trat ein, und bevor sie mir etwas sagen konnte, fragte ich nach der Toilette. Sie zeigte mir den Weg, ging mit hinein und sagte mir dort, daß Herr Lukas jetzt bereit sei, mich zu sprechen. Klasse. Echt peinlich. Sie stand jetzt mitten in dem großen, luxuriös eingerichteten Bad und machte keine Anstalten, zu gehen, um mich schnell mein Geschäft machen zu lassen. Schließlich bemerkte sie meine Verlegenheit und sagte: „Oh, ich lasse sie dann mal kurz alleine, sie kommen danach bitte sofort raus!“ Wieso sprach sie so mit mir, ich meine, als Haushälterin? War das ihre Angst vor ihrem Chef, wenn sie nicht gleich mit mir antanzt? Ich beeilte mich. Ich hätte mich gern noch etwas frisch gemacht, aber ein kurzer Blick in den Spiegel mußte reichen.

Wir stöckelten durch mehrere Zimmer, klack-klack-klack, klack-klack-klack, ich war mehr darauf bedacht, ihrem schnellen Schritt zu folgen, da riß mich schon ein kräftiger Händedruck aus meinen Gedanken. Das war also der Herr Lukas. Ganz ansehnlich, obwohl nicht besonders groß. Er hat ein sympathisches Lächeln, wirkt charmant. Wir setzen uns, die Haushälterin geht, sie kommt allerdings schon schon kurze Zeit später wieder und bringt erneut Kaffee, Wasser und Schnittchen und geht dann ganz. Er beginnt zunächst von sich etwas zu erzählen, während er selbst ein Häppchen nimmt und mich mit einer Geste auffordert, es ihm gleich zu tun. Er berichtete über seine Arbeit im Immobilienbereich und andere Geschäfte. Er ist im Irgendwo-Vorstand, leitet ein Architektenbüro, hat verschiedene Beteiligungen und Beteiligungsgesellschaften und einen Aufsichtsratsposten hat er auch noch. Überall hat er seine Leute plaziert, meistens Sekretärinnen in den Firmen und Büros, die ihn auf dem Laufenden halten. Er hat sich gerade von einem langjährigen Mitarbeiter getrennt, der eine Art Assistent war und Kommunikationsströme für ihn hier gebündelt hatte. Jetzt soll den Part eine sympathische, loyale, diskrete Frau übernehmen. Zwar sagt er auch, er habe Kinder und sei verheiratet, aber spätestens, wo er erwähnt, daß seine Gattin nur zeitweise bei ihm wohnt, beschlich mich das Gefühl: hier wird nicht nur eine Sekretärin gesucht.

Natürlich merke ich auch, wie er mich mustert, obwohl er dies nicht aufdringlich tut, sondern gentlemanlike nebenbei. Ich scheine ihm zu gefallen, er gibt sich Mühe und schafft eine angenehme Atmosphäre, wo ich viel über mich erzähle. Zu viel. Tatsächlich erzähle ich sogar über mein letztes Intermezzo und meinen Rausschmiß bei Gunter & Kiesling zuvor. Ich hätte nie gedacht, daß er die Firma kennt, wer kennt schon einen Großhändler für Gartenbaufachbetriebe? Vielleicht tut er aber auch nur so, irgendwie bin ich mir bei ihm nicht sicher. Auch scheinen seine Bemerkungen manchmal, wenn auch nicht doppeldeutig im platten Sinne, so doch irgendwie ambivalent zu sein. Manchmal erscheint mir der Herr Lukas merkwürdig. Zum Beispiel erzählt er mir, er heiße mit Vornamen in Wahrheit Anton, nenne sich aber immer Antonio und auch alle seine Briefköpfe lauten so. Und sogar in seinem Paß steht Antonio. Aber wenn es in seinem Paß so steht, dann heißt er doch Antonio. Nein, das ist quasi sein Künstlername. Antonio klingt italienisch und er habe ein Faible für Italien. Und Pässe können auch auf Künstlernamen ausgestellt werden. Das habe ich nicht gewußt.

Aber warum erzählt er mir das? Ich finde es eher peinlich. Mein Name klingt ja auch ein wenig schräg, wenn man von nördlich des Weißwurstäquators kommt, aber warum sollte ich mich anders nennen. Ich bin eben die Sabine Greubel. Nun ja, jeder hat so seine Marotten.

Nun unterbrach uns die Haushälterin. Tat sie noch öfter. Und ich bekam auch mit, warum: wir saßen mehr als zweieinhalb Stunden zusammen und zwei Bewerberinnen, die wie ich einen Termin hatten, wurden einfach wieder weggeschickt. Das hätte der mit mir mal wagen sollen! Unverschämtheit! Da war mein malträtiertes Sitzfleisch nichts dagegen.

Ich schien also spürbar in die engere Wahl zu kommen. Er gab mir zum Abschied einen Arbeitsvertrag in die Hand, allerdings mit der deutlichen Warnung, dies sei keinesfalls als Vorentscheidung zu verstehen, schließlich habe er selbst den Vertrag noch nicht unterschrieben. Ich solle mich nur mit dem Inhalt schon mal vertraut machen, für unser zweites Gespräch zu dem er mich bereits einlade. Termin ausgemacht, nach Hause gefahren, Bad genommen. Puh, was für ein Tag! Ich hatte Riesenschweißflecken unter den Achseln. Hatte er die bemerkt?

Erst am nächsten Tag fand ich Kraft, mir den Arbeitsvertrag genauer anzuschauen. Oder besser, ich hätte es tun sollen. Ein Monstrum von 24 eng beschrieben Seiten, oder so. Ja, ich gebe zu, ich habe ihn nicht gelesen, jedenfalls nicht ganz. Nach dem üblichen Bla-Bla am Anfang habe ich weitergeblättert, ob irgendwo was vom Gehalt und Zusatzgratifikationen steht. Dann habe ich da gelesen 4500 Euro monatlich, plus Weihnachtsgeld, plus Urlaubsgeld und 30 Tage Urlaub und dachte nur noch: das wäre geil! Manche Leute scheinen Kohle ohne Ende zu haben. Ich meine, ich hatte fast 2700 Euro bei Gunter & Kiesling und fand das schon absolut spitzenmäßig. Und war entsprechend sauer, da rausgeflogen zu sein. Bei der Trotteltruppe, wo ich nur sechs Wochen schaffen durfte, war es deutlich weniger. Bei meinem Lehrbetrieb, wo ich noch drei Jahre geblieben war, sowieso.

Aber noch hatte ich den Job nicht, sondern nur das erste Gespräch. Für mich aber war schon klar: Ich würde mich auf zu ziemlich alles einlassen, wenn ich so ein super Gehalt bekommen kann, anstatt Hartz IV, was sonst bald drohen würde. Und wenn er wirklich mehr wollte als nur Sekretariatsarbeit? Auch darüber dachte ich nach; Prostitution war ja seit 2002 nicht mehr strafbar und besonders prüde war ich nicht. Solange also alles irgendwie im Rahmen blieb, wer weiß wie weit ich gehen würde? Ich würde jetzt erst einmal alles auf mich zukommen lassen.

Gleich am folgenden Montag fand das zweite Gespräch statt. Er hatte angedeutet, daß er meine Fähigkeiten testen will, ob ich meine Fremdsprachenkenntnisse nicht verlernt habe, wie gut ich in verschiedenen Office-Programmen bin, etc. Gut, ich war vorbereitet. Meinen Job kann ich. Und was ich nicht weiß, lerne ich. Das ich von Immobilien keine Ahnung hatte, hab ich ihm ja gleich gesagt. Das ich bei Herrn Lukas noch einiges lernen würde, hatte ich mir damals zwar schon gedacht, aber ich hatte keine Vorstellung, was es sein würde.

Ich hatte mich total aufgedonnert. Ich dachte nur, jetzt will ich es wissen. Beinahe hätte ich mir ein neues Kostüm gekauft, konnte mich aber gerade noch zurückhalten, denn erstens ist mein Kleiderschrank ziemlich gut gefüllt und zweitens würde ich mir doppelt in den Hintern beißen, wenn ich den Job dann doch nicht bekommen hätte, schließlich gab es weitere Bewerberinnen.

Schade nur, daß ich Herrn Lukas nur zweimal kurz zu Gesicht bekam und er mir sogar ein Gefühl vermittelte, als kenne er mich kaum – was ja ehrlicherweise auch stimmte. Bei unserer ersten Begegnung an diesem Tag begrüßte er mich kurz und ein bißchen kalt sogar, und drückte mir mehrere Blätter in die Hand, mit Aufgaben, die ich in einer bestimmten Zeit erledigen sollte.

Aber zuvor begegnete ich natürlich wieder der Haushälterin, die ich diesmal aufmerksamer musterte. Sie trug nicht nur ein schwarzes Kleid, wie es Haushälterinnen in diesen Kreisen wohl zu tragen pflegen. Es war eng geschnitten an der Taille, aber nach unten hin bauschte es auf, bzw. wurde durch ein Unterkleid aufgebauscht. Und es war ziemlich kurz. Sie hatte sehr schöne lange Beine, die in einer schwarzen Strumpfhose steckten. Ihr Busen war eher klein, aber schien straff zu sein. Sie hatte zwar Fältchen im Gesicht, war aber auf ihre Art durchaus eine Schönheit. Und sie hatte etwas Schelmisches. Außerdem trug sie Stilettos. Für Hausarbeit eher ungeeignet. Sie bewegte sich dabei absolut sicher und natürlich in diesen hohen schwarzen Schuhen. Sie sah elegant aus, und, ja, auch erotisch. Diese langen Beine in diesem kurzen Kleidchen. Mit Schürze. Und dann ein Häubchen. Und sie trug eine Seidenbluse. Tatsächlich, sie trug wirklich eine halbtransparente, schwarze Seidenbluse unter ihrem Kleid, wie ich sie vielleicht ins Theater anziehen würde. Als Arbeitskleidung einer Haushälterin.

Zum Schluß nahm er mir die Blätter wieder ab, entschuldigte sich dafür, daß er heute kaum Zeit für mich habe und verabschiedete mich mit der Floskel, er werde sich auf jeden Fall bei mir melden.

Irgendwie war es blöd gelaufen. Und ich wußte nicht, woran ich war. Und ich mußte warten. Ich wartete zwei Wochen und dachte die ganze Zeit an nichts anderes als an diese beiden Gespräche. An nichts anderes. Ich erledigte nur das Nötigste im Haushalt, schrieb keine Bewerbungen mehr, obwohl ich das dringend hätte machen müssen und brachte nicht einmal mehr die Konzentration auf, ein Buch zu lesen. Ich wurde immer unruhiger. Dann kam eine E-Mail. Darin in einem Anhang der Vertrag, unterschrieben von Herrn Lukas und ein längerer Begleitbrief.

Ich möge doch am 02.07.2007 zwischen 8:00 Uhr und 8:30 erscheinen, falls ich noch an dem Job interessiert sei. Bedauern, daß es so lange gedauert habe, aber es seinen interessante Mitbewerberinnen aufgetreten und ich hätte hinsichtlich der fachlichen Qualitäten nicht an der Spitze gelegen. Die Aufgaben samt Korrekturen – wie in der Schule, oder was? – waren auch angehängt. Und tatsächlich hatte ich eine Aufgabe schlicht falsch verstanden und darüber hinaus zwei oder drei kleinere Fehler gemacht. Es war keine Katastrophe, aber schlechter als ich selbst gedacht hatte, einfach suboptimal. Vielleicht weil ich zu nervös gewesen war und die halterlosen Strümpfe, die sich immer wieder aufgerollt hatten, mich ständig ablenkten. Das Aufdonnern war beim zweiten Termin einfach unnötig.

Es hieß auch, der Vertrag sei an mehreren Stellen geändert worden und ich sollte ihn noch einmal gründlich lesen, bevor ich unterschriebe. Als Gehalt waren nun nur noch 4.200 Euro angegeben. Immerhin, noch deutlich mehr, als ich jemals verdient hatte, trotzdem ärgerte ich mich über mich selbst. Überstunden mit abgegolten, von denen reichlich versprochen wurden, durch mehrtägige Dienstreisen, auch über Wochenenden, die mich erwarteten. So kam es auch, dazu aber später. Dann waren noch juristische Klauseln, über die ich stolperte, von wegen, daß Verschwiegenheit über den Inhalt des Vertrages gelte, daß sich beide Parteien einig seien, daß auch jene Paragraphen gültig, bzw. von beiden Seiten einzuhalten seien, die von Dritten als sittenwidrig eingestuft werden könnten, daß beide Seiten sich verpflichten, etwaige Streitfragen nicht vor dem Arbeitsgericht klären zu lassen, sondern sich immer einvernehmlich zu einigen. Es kam mir vor, wie ein Arbeitsvertrag mit geheimen Zusatzklauseln, denn über den Inhalt des Vertrags sollte generelles und absolutes Stillschweigen vereinbart sein.

Dazu gehörten ziemliche Klopse: Ich sollte mich zu absoluter Verschwiegenheit verpflichten, durch eine zweite Unterschrift übrigens, auch gegenüber „Betriebsgeheimnissen“, die mit dem Gesetzbuch im Widerspruch stehen könnten. Im Klartext: ich soll Verbrechen decken, und möglicherweise auch als Mittäter aktiv werden. Ich hatte das schon damals durchaus so verstanden, mein IQ ist schließlich über dem Durchschnitt, aber ich hatte es trotzdem verdrängt, bzw. hierbei zunächst nur Schlüpfriges im Sinn. Und damit lag ich ebenfalls durchaus richtig.

Es waren noch weitere heikle Klauseln in dem nochmals gewachsenen Vertragswerk, auf die ich hier nicht näher eingehen werde, nur zu einer noch etwas, die sich als Falle erwies, in die ich sehenden Auges hineinschritt. Seltsamerweise kam mir nicht in den Sinn, an dem Vertrag etwas zu ändern, oder nachzuverhandeln. Dieser Gedanke kam mir gar nicht, muß ich gestehen. Das hätte ich sicher versuchen sollen. Die Klausel, mit der er mich aufs Kreuz gelegt hat, sowohl im übertragenen Sinne als auch buchstäblich, war der kleine Passus:

„Während der Dienstzeit trägt die Arbeitnehmerin ausschließlich Dienstkleidung. Die Dienstkleidung wird vom Arbeitgeber gestellt. Die Reinigung bzw. Reinigungskosten werden vom Arbeitgeber übernommen. Die Umsetzung dieser Regelung hinsichtlich der Reinigung bzw. Reinigungskosten werden entsprechend der Bedürfnisse des praktischen Arbeitsalltags geregelt. Ein pauschaler Reinigungskosten-Zuschuß zur Abgeltung der Reinigungskosten ist möglich.“

Ich hab das natürlich so verstanden, wie jede Frau es verstehen würde: Der Boß spendet nicht nur die Klamotten, sondern zahlt auch noch für die Reinigung. Was will Frau mehr? Das war natürlich etwas blauäugig. Die Konsequenzen sollte ich in den nächsten Tagen erfahren.

Ich war also am Montag pünktlich um acht Uhr da. Wieder empfing mich die Haushälterin, die mir bei dieser Begrüßung noch freundlicher erschien. Sie kam mir die Treppe hinunter entgegen, um mich an der Hand nach oben zu begleiten und sagte, wir wären nun ja gleichsam Kolleginnen, und sie freue sich sehr, daß ich die Stelle angenommen habe. Ich würde es bestimmt nicht bereuen. Sie führte mich in ein kleines Zimmer, wo wir an einem antiken Tisch Platz nahmen. Sie bat mich um den von mir gegengezeichneten Arbeitsvertrag. Kurz irritierte mich, daß sie ihn sogleich durchblätterte und prüfte, ob ich auch beide Unterschriften geleistet hatte. Ich dachte dann, gut, Herr Lukas hat sie wohl damit beauftragt, weil er sonst vielleicht niemanden hatte. Seine Sekretärin sollte ich ja erst noch werden. Die Haushälterin, sie nannte mir jetzt ihren Namen, Michaela, einen Nachnamen nannte sie nicht (und ich fragte auch nicht danach), erklärte, Herr Lukas wäre ab zehn Uhr für mich da, würde mir dann meinen Arbeitsplatz zeigen und mir erste Aufgaben geben. Ob er einen Termin habe? Nein er fängt immer zwischen 9:30 und 11:00 Uhr an. Michaela sagte dann, ich bräuchte mir keine Sorgen machen, die zwei Stunden würden schnell vergehen. Und es ist doch sowieso bezahlte Arbeitszeit.

Nun ja, dachte ich mir, länger Schlafen würde meinem Teint auch gut tun. Als ob sie meine Gedanken erraten hätte, sagte die Haushälterin Michaela, ich könnte ausgiebig das Bad nutzen, das ich ja schon kenne, für Handtücher und alles andere würde sie schon sorgen, aber vorher habe sie noch kurz etwas mit mir zu besprechen. Sie holte einen DIN-A4-Hefter hervor und entnahm wieder Formulare. Sie spielte sozusagen auch die Rolle der Personalabteilung. Das eine betraf solche Dinge wie Kontoverbindung für die Gehaltsüberweisung, Rentenversicherungsnummer, Krankenkasse, Steuerklasse, etc. Beim zweiten mußte ich schlucken. Das waren Gesundheitsfragen, darunter auch sehr intime Fragen, inklusive der Klausel, die ich unterschreiben mußte, daß ich bereit war, mich von einem Betriebsarzt untersuchen zu lassen. Das war eine Ärztin, eine Frauenärztin genauer gesagt, und die Untersuchung fand dann auch knapp zwei Wochen später direkt vor Ort statt. Was sagt man dazu?! Aber darüber will ich später erzählen.

Dann kam ein Blatt für mein Konfektionsgrößen. Ich guckte wieder irritiert, aber Michaela klärte mich auf: Ich hätte doch sicher die Regelung über die Dienstkleidung gelesen. Ja, in der Tat. Etwas verschwörerisch sagte sie dann zu mir, ich müsse das unbedingt ernst nehmen, Herr Lukas sei da sehr eigen und sehr streng. Was anderes als Business-Kleidung komme ihm nicht über die Türschwelle. wenn ich in der Probezeit die Kündigung wollte, bräuchte ich ihm nur mal in Jeans unter die Augen zu treten. Aber sie würde schon Acht geben, daß das nicht passiert.

Dann erzählte sie mir eine kleine Anekdote: Sie wohne ja in dem Haus und sie darf selbstredend auch Besuch empfangen – natürlich nur in ihrer Freizeit. Aber auch in ihrer Freizeit darf sie nicht herumlaufen wie sie will, wenn Herr Lukas anwesend ist. Das komme zum Glück nicht oft vor, weil sie praktisch immer dann mal frei hat, wenn Herr Lukas auf Reisen ist, und das ist er häufig. Dafür muß sie, wenn er hier ist, auch nachts um Elf in ihrer Haushälter-Uniform herumlaufen. Einmal habe sie mit Freunden eine Radtour unternehmen wollen, und war entsprechend sportlich gekleidet, da wäre er regelrecht ausgeflippt, als er sie so durchs Haus gehen gesehen hatte. Er sei rot angelaufen und habe gebrüllt, das die Wände wackeln. Sie habe ihn selten so erlebt – für einen völlig nichtigen Anlaß. Das sei, meinte sie, nicht normal. Aber wenn man sich an seine geschriebenen und ungeschriebenen Regeln halte, könnte man sich in der Villa Gabelstein ein schönes Leben machen.

Jetzt wußte ich auch, wie dieses Anwesen heißt. Und das ich es wohl mit einem cholerischen Pedanten zu tun hatte, eine Eigenschaft, die mich irgendwie an meinen Ex-Freund erinnerte. Das Unbewußte scheint einen manchmal wirklich zu steuern und einen beispielsweise immer wieder die Nähe zu Menschen ähnlicher Charakter-Deformationen zu suchen.

Nachdem wir den Papierkram durch hatten, war auch schon viel Zeit vergangen, so daß wir den Rest der Zeit mit Kaffeetrinken und Plaudereien verbrachten. Herr Lukas kam dann, zeigte mir meinen Arbeitsraum, ein ziemlich großes Zimmer, das mit ein paar alten und vielen neuen Stücken möbliert war. Ich sollte an einem großen Schreibtisch sitzen, mit modernstem Computer, Telefonanlage und eben allem, was man so als Sekretärin braucht. Sein Büro war nebenan und nicht wirklich größer, nur war es deutlich geschmackvoller eingerichtet, weil das Zimmer ganz mit Holzmöbeln gleichen Stils eingerichtet war. Obwohl auch mein Arbeitsplatz wirklich perfekt war, denn die Büromöbel waren auf Arbeitseffektivität angelegt. Ich fühlte mich wohl, in meinem Sessel. Denn auch ich hatte eher einen Chefsessel, denn einen Schreibtischstuhl. Mit dem konnte man auch eine Menge anstellen.

Beide Büros waren groß genug, um nicht nur Tische, Schränke und anderes typisches Büroinventar unterzubringen, sondern jeweils auch eine kleine Sitzecke, mit Tischchen, Zweisitzer und Einzelsessel. Nur wurden sie selten genutzt. Gäste und Besucher wurden in der Regel im Salon empfangen, manchmal im Speisezimmer oder, seltener, im Musikzimmer. Herr Lukas lud manchmal Musiker zu kleinen Kammerkonzerten ein. Es gab allerdings häufiger andere Arten von Festlichkeiten oder Feiern, bei denen ich eine zunehmend wichtigere Rolle spielen würde. Und das hat er mir damals auch schon so gesagt, ohne das ich im Geringsten geahnt hätte, was mich noch erwarten würde.

Ansonsten passierte diesen Montag nicht viel.


Mein neuer Job - Die unerhörte Geschichte der Sabine G.

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