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Über alle Flüsse

Hardy Crueger

Es war nicht nur eine Kette unglücklicher Zufälle, die zu den tragischen Ereignissen geführt hatte. Es waren auch die bedrückenden Umstände der Trennung seiner Eltern, die den siebenjährigen Steffen zu der Tat veranlasst hatten, die seiner Mutter so großen Kummer bereitete. Beinahe müsste man sagen, es waren zwei Jungen, die den Plan geschmiedet hatten. Aber der Reihe nach. Es begann früh am Morgen eines sonnigen Karfreitags…

Steffen erwachte gegen fünf Uhr morgens mit einer erheblich schlechten Laune. Mürrisch wälzte er sich im Bett herum. Der neue Freund seiner Mutter entpuppte sich immer mehr als echter Kotzbrocken. Dem Geld und den Süßigkeiten, die er ihm in den ersten Tagen zugesteckt hatte, waren nur Meckereien gefolgt. Gestern Abend hatte er Steffen sogar verboten, während des Abendbrots Fluch der Karibik 3 zu gucken. Steffen und sein Freundbruder Kevin hatten keinen anderen Ausweg mehr gesehen, als eine Kreischattacke loszulassen, bis seine Mutter ihn ins Kinderzimmer zerrte.

Mürrisch kroch Steffen aus dem Bett und krabbelte zu dem Playmo-Piratenschiff hinüber. Er schob das Schiff ein paar Mal über den Teppich, aber das wurde ihm schnell langweilig und so griff er nach der Zwille, die sein Vater aus einer handlichen Astgabel und ein paar Einweckgummis für ihn gemacht hatte. „Du schießt aber nur mit den weichen Plastikkugeln, hörst du“, hatte sein Vater gesagt und ihm einen Beutel davon gegeben. Aber vor ein paar Tagen hatte Steffen im Bastelkeller herumgestöbert und ein Tütchen mit Stahlkugeln gefunden. Damit machte das Zwilleschießen viel mehr Spaß. Wenn die Stahlkugeln auf das Schiff knallten, brachen Teile davon ab, und er musste aufpassen, dass er es nicht vollkommen kaputt schoss.

Beim Einsammeln der verschossenen Stahlkugeln fiel Steffen sein Lieblingsbuch in die Hände. Ein großes Piratenbuch mit tollen Bildern und einer spannenden Geschichte. Mit geblähten Segeln gingen die Piratenschiffe aufeinander los. Die Kanonen spuckten Feuer und Rauch. Die Kugeln zerfetzten die Segel. Ein Schiff wurde geentert. Ein paar Seiten weiter wurde ein Beiboot zu Wasser gelassen und die Piraten ruderten mit einer dicken Schatzkiste an Bord auf eine Insel zu, dann in eine Bucht hinein und einen Fluss hinauf, wo sie den Schatz versteckten. Boa, ey, ein Piratenschatz, meinte Freundbruder Kevin.

Das wär’ was, dachte Steffen. Abhauen. Und einen Piratenschatz finden«. Hinter dem Haus, am Ende des Gartens, floss ein Bach entlang, der Wabe hieß. Steffen durfte da nie alleine hingehen. Alle Erwachsenen waren der Meinung, das sei zu gefährlich. Aber Steffen war sauer. Auf seine Mutter und den Kotzbrocken. Er würde abhauen und den Schatz finden.

Zum Geburtstag hatte er ein blau-gelbes Schlauchboot vom Großvater bekommen. Es war winzig und gerade gut genug, um im Teich bei Bienrode zwischen den Badenden herumzudümpeln. Seit dem letzten Sommer lag es, zusammen mit der Pumpe und zwei Paddel, die man zusammenstecken konnte, unter der Kellertreppe.

Er holte das Boot und schleppte es raus auf die Terrasse. Dann packte er für die Fahrt zum Piratenschatz Schokolade, Gummibärchen, Kartoffelchips und eine Flasche Cola in seinen kleinen roten Rucksack. Er zog die Piratenverkleidung vom Karneval an, steckte die Zwille zu dem Gummisäbel in den breiten Gürtel und warf seine Jacke über.

Vom Frühjahrsregen war der Bach ziemlich angeschwollen. Flott pumpte er sein Boot auf und schon schwamm es auf dem Wasser. Steffen legte alle Sachen hinein, dann gingen er und sein Freundbruder Kevin an Bord. Er nahm ein Paddel zur Hand, aber der Bach war so eng und schmal, dass er damit mehr die Uferböschung durchpflügte, als dass er wirklich paddelte. Trotzdem kam er voran und das Piratenboot trudelte langsam den Bach hinab.

*

Nachdem Steffens Mutter aufgewacht war und festgestellt hatte, dass ihr Sohn sich nicht in seinem Zimmer befand, machte sie sich große Sorgen. Zusammen mit ihrem neuen Freund durchsuchte sie aufgeregt das Haus und den Keller, die Garage und den Garten. Dann noch einmal den Keller, das Haus und die Garage. Sie suchten den Garten und das Stück Land bis zur Wabe ab und schauten auf die Straße. Aber der Junge blieb verschwunden. Die Mutter lief aufgeregt zu den Nachbarn. Sie rief ihre Eltern an, raste mit dem Fahrrad durch ganz Querum, telefonierte mit Freunden, fragte hier, fragte dort, aber niemand hatte ihr Kind gesehen. Der neue Freund rief die Polizei an.

*

Die Frühlingssonne brannte vom Himmel herab. Die Blätter der Bäume hatten sich noch nicht ganz entfaltet, und die Sonnenstrahlen stachen auf das Land, das Wasser und auf das winzige Schlauchboot. Steffen hatte das Piratentuch mit dem weißen Totenschädel über den Kopf gezogen und eine schwarze Klappe bedeckte sein linkes Auge.

Tapfer hatte er sich Meter für Meter durch den engen Bach gekämpft, und Freundbruder Kevin hatte gemeint, wenn sie hier erstmal raus wären, würde es besser werden. Er hatte recht. Das Boot wurde aus dem engen Bach hinaus und in einen größeren Wasserlauf hinein getrieben, der mit einer viel stärkeren Strömung dahinfloss. Es schlingerte herum und drehte sich um die eigene Achse, ehe Steffen es mit dem Paddel zähmen konnte. Er glitt unter einer Eisenbahnbrücke hindurch, dann ging es ein ganzes Stück geradeaus bis zu einer gebogenen Fußgängerbrücke aus Holz. Auf der Brücke stand ein Pärchen mit einem Hund. Die Frau winkte ihm zu, und als Steffen unter der Brücke hindurch fuhr, sagte der Mann: „Oh, der böse Schunter-Pirat, jetzt wird’s aber gefährlich.“

Steffen sagte nichts, denn nur wenn er sich auf das Paddeln konzentrierte, kam das Boot gut voran. Aber es war anstrengend. Manchmal ließ er sich einfach von der Strömung tragen und beobachtete die Enten, die in der Nähe des Ufers herumschnäbelten. Da!, rief Freundbruder Kevin. Das sind die Feinde! Schiff klar zum Gefecht! An die Kanonen! Gebt ihnen Saures! Steffen zog die Zwille aus dem Gürtel und legte eine Stahlkugel in die Schlaufe. Er spannte das Gummi, zielte auf eines der feindlichen Schiffe und ließ los. Die erste Kugel zischte ins Wasser.

*

Nach einer halben Stunde hielt ein Streifenwagen vor dem Haus. Während die Beamtin Steffens aufgebrachte Mutter befragte, zeigte der neue Freund dem anderen Polizisten Steffens Zimmer und den Garten. Sie sahen das halb zerstörte Playmo-Piratenschiff und das aufgeschlagene Piratenbuch, zogen aber keine Schlüsse daraus.

Steffens Mutter und die Polizistin stellten fest, dass Steffens kleiner roter Rucksack, eine Jacke und ein paar Schuhe verschwunden waren. Nur das Handy lag in seinem Zimmer. „Der ist doch abgehauen“, sagte die Beamtin. „Hatten Sie Streit?“ Steffens Mutter sank weinend auf das leere Kinderbett und erzählte mit gebrochener Stimme, was am Abend vorher geschehen war. Die Beamtin ließ sich Fotos von Steffen zeigen, ging zum Streifenwagen und gab eine Beschreibung des Jungen an die Zentrale durch.

*

Die zweite Kugel traf das feindliche Schiff mit voller Wucht. Der Kopf der Ente wurde nach hinten geschleudert. Ein Auge flog heraus und für einen Moment stach ihr Schnabel kerzengerade in die Luft, bevor der Hals zur Seite knickte und ihr Kopf im Wasserversank. Ein sauberer Schuss, Kapitän, meinte Kevin.

Steffen erschrak. Das hatte er nicht gewollt. Ganz sicher nicht. Auch wenn die Stahlkugel die Ente nicht getötet hatte – jetzt würde sie mit Sicherheit ertrinken. Er musste sie retten. Sofort. Schnell. Höchste Alarmstufe.

Hektisch paddelte er zu der Ente hin, beugte sich über den Rand des Bootes, griff nach dem Tier, erwischte es an den Schwanzfedern und zog es aus dem Wasser.

Ein wenig Blut sickerte aus der leeren Augenhöhle, aber die Füße zuckten, und Steffen glaubte, dass das Tier noch lebte. Wir haben einen Schiffbrüchigen an Bord, Kapitän Steffen, meinte Kevin. Es ist ein Mädchen. Sie heißt – Ente.

*

Die Sonne stand hoch am Himmel, als viele aufgebrachte Nachbarn halfen, in Querum und Umgebung nach dem vermissten Jungen zu suchen. Man schaute in die Schunter, Streifenwagen fuhren langsam am aufblühenden Querumer Forst vorbei, während Steffens Mutter weinend und mit einem Foto in den Händen zu den Pferdewiesen an der Wabe hinunterlief, durch die Kleingärten eilte und jeden Menschen, den sie traf, nach ihrem Sohn befragte.

Wie ein Lauffeuer hatte sich das Verschwinden des Jungen herumgesprochen und nach dem Mittagessen ging die Suche weiter. Das Waldstück, das bis an die Autobahn 2 reichte, wurde besonders unter die Lupe genommen. Die beiden Polizeibeamten beendeten die Schicht und gaben ihre Informationen an die Kollegen weiter. Der vermisste Junge war nicht das einzige Vorkommnis in ihrem Revier, aber sie sprachen sehr genau darüber. Seit fünf Stunden wurde nach ihm gesucht. In den nächsten fünf Stunden sollte er wieder auftauchen. Sonst wurde es eng – denn eine Nacht überleben nur sehr wenige vermisste Kinder.

*

Zu dem Zeitpunkt hatte das winzige Piraten-Schlauchboot die Autobahn längst hinter sich gelassen und glitt am Dörfchen Wenden vorbei auf die große Röhre zu, in der der Fluss unter dem Mittelandkanal hindurchrauschte. Steffen hatte die Kartoffelchips aufgegessen und schöpfte mit der leeren Tüte Wasser aus dem Boot. Ente hatte sich nicht mehr bewegt, seit er sie aus dem Wasser gezogen hatte. Aber sicher lebte sie noch. Als er wieder aufschaute, bemerkte er, dass sich das Schlauchboot schneller bewegte als vorher. Viel schneller. Verdammt schnell.

Im Wasser bildeten sich Strudel und Wirbel, die das Boot hin und her rissen. Es drehte sich um sich selbst, Steffen tauchte das Paddel in das gurgelnde Wasser, aber er konnte das Boot nicht mehr lenken. Und dann hörte er auch schon das Brausen des Wassers, das durch die Röhre strömte. Wie das aufgerissenes Maul eines Wals tat sich der gähnende Schlund vor ihm auf. Plötzlich wurde ihm klar, dass der Schlund das Boot verschlucken würde. Und mitsamt dem Boot ihn selbst, Freundbruder Kevin und Ente. Schnell tauchte er das Paddel ins Wasser und versuchte zurückzurudern. Aber so sehr er gegen die Strömung ankämpfte, gegen die Stärke des Wassers hatte er nicht die geringste Chance. Es gab kein Entrinnen. Er wurde in den Schlund hineingesogen.

Das Wasser brodelte und kochte. Hilflos wurde Steffen in seinem kleinen Plastikboot hin und her geschleudert. Das Wasser spritzte so hoch, dass es sein Gesicht traf. Die graue Tunnelwand raste an ihm vorüber, es wurde dunkel und er schrie. Schrie und schluckte Wasser, als eine Welle sich über das Boot ergoss. Die nächste Woge hob das Boot hoch, neigte es in einem unmöglichen Winkel und knickte es zusammen. Steffen schrie und schrie und konnte sich nicht mehr halten. Das Heck schabte an der Tunnelwand entlang und der Bug versank in dem schäumenden, wütenden Wasser. Die Fluten schlugen über Steffen zusammen und plötzlich war alles vorbei. Ein helles, gleißendes Licht umfing den Jungen und still trieb er auf einem glitzernden Teich voller Ruhe und Frieden dahin. Nur der Gesang eines Engels schwebte in der Luft, begleitet vom zärtlichen Zwitschern fröhlicher Vögel.

*

Um halb vier traf Steffens Mutter endlich auf das Pärchen mit dem Hund. Ja, früh am Morgen hatten sie einen Jungen gesehen. In einem kleinen, blau-gelben Schlauchboot sei er als Pirat verkleidet die Schunter hinuntergefahren. Weinend und aufgeregt rief die Mutter im Polizeirevier an. Auf der Schunter sei ihr Sohn gesehen worden. Jetzt wusste man, wo man suchen musste! Und jeder hoffte, dass es noch nicht zu spät war.

Eine dreiviertel Stunde später fuhren Feuerwehrmänner mit zwei Rettungsbooten den Fluss hinunter. Das eine ab Querum, das andere ab Wenden. Aber die Motorboote aus Aluminium waren ein bisschen groß für den Fluss, blieben überall hängen und kamen nicht besonders schnell voran.

*

Wie ein Tuch aus goldenem Nebel schwebte der himmlische Gesang über dem glitzernden Teich. Nass bis auf die Knochen lag Steffen auf dem Rücken in seinem Boot. Das Gesicht gegen den grellen Himmel gerichtet und die Augen zusammengekniffen. Ein Bein hing über die schlaffe Bordwand, der nackte Fuß in das kalte Wasser getaucht wie ein Schiffbrüchiger.

Langsam hob er den Kopf und sah eine junge Frau mit einer Gitarre am Ufer sitzen. Als das Lied zu Ende war, hob sie die Hand und winkte ihm zu. „Ahoi, Pirat im Gummiboot“, sagte sie. „Alles okay bei dir?“

Steffen richtete sich auf und sagte: „Ja, ja“, bevor er sich und die Sachen in seinem Boot checkte. Er war unverletzt. Das Piratenkopftuch, der Rucksack, ein Schuh und das zweite Paddel waren weg. Alles andere war noch da und auch Ente lag noch mit weit überstrecktem Hals im Bug.

Das Boot war voll Wasser gelaufen und Steffen schöpfte es mit der leeren Chipstüte heraus. Er pumpte ein bisschen Luft nach, dann tauchte er das übrig gebliebene Paddel in das Wasser, und Freundbruder Kevin meinte: Nun kann es nicht mehr weit sein bis zur Schatzinsel.

*

Mühsam kämpfte sich das Feuerwehrboot auf dem Fluss bis an den Düker bei Wenden heran. Am Ufer jenseits des strudelnden Wassers fand der Suchtrupp einen kleinen roten Rucksack und ein Paddel. Verzweifelt stocherte man mit Stangen und Haken in dem kleinen Becken jenseits des Dükers nach dem Jungen. Wäre die junge Frau mit der Gitarre noch da gewesen, wäre Steffens Mutter die Ohnmacht erspart geblieben, in die sie fiel, als sie von den Funden hörte.

*

Die Sonne trocknete die Kleidung und Steffen wurde es langweilig. Es passierte nichts. Gar nichts. Immer nur Bäume und Büsche und Enten. Seine Arme schmerzten vom blöden Paddeln und er hatte Hunger. Weit und breit war kein Abzweig zu sehen, in den er hätte einbiegen können, um den verfluchten Seeräuberschatz zu finden. Der Fluss zog sich schier endlos dahin, bis er endlich mal wieder eine Brücke vor sich sah. Er überlegte, an Land zu gehen, fand aber keine geeignete Stelle dafür.

Der Fluss beschrieb einen großen Bogen, und dann kam endlich die Mündung in Sicht. Die Stelle, an der sich das Wasser in einen anderen, noch breiteren Fluss ergoss. Hurra!, rief Kevin. Jetzt sind wir bald da!

Am Ufer, wo sich die beiden Flüsse trafen, stand ein Mann und warf einen Stock in das Wasser. Ein klobiger, schwarz-weiß gescheckter Hund sprang knurrend hinterher. Das Wasser spritzte auf, aber dann war es tief genug, dass der Hund schwimmen musste. In seinem Maul blinkten riesige, spitze Zähne, als er auf den Stock zuhielt. Kurz bevor er ihn erreichte, drehte er ab und kam auf das Plastikboot zu. Steffen wusste, wie man diese Art Hund nannte. Es war ein Kampfhund, der da schnaubend auf ihn zukam.

Der Mann am Ufer wurde unruhig. „Arnold!“, rief er. „Arnold … komm-hier-her! Arnold!“ Aber sein Kommando verhallte ungehört über den Fluten der Oker.

Der Hund schob sich immer näher an das Boot heran. Er hatte die Schnauze aufgerissen, knurrte, kläffte und hustete, als er vor Aufregung Wasser schluckte. Steffen sah die vom Jagdfieber blitzenden Augen des Hundes, wusste sofort, in welcher Gefahr er schwebte. Schnell tauchte er das Paddel ins Wasser, versuchte von dem Hund wegzukommen. Aber außer Schaum und einer schnellen Drehung des Bootes brachte er nichts zu Stande.

„Scheiße!“, auch der Mann am Ufer bekam Angst. „Arnold! Komm sofort her! Hiiiier her, du Mistvieh!“ Aber die Augen des Hundes blieben starr auf seine Beute gerichtet – Steffen.

„Hau ab! Hilfe! Hilfe!“, schrie der Junge, versuchte verzweifelt den Abstand zwischen sich und dem Hund zu vergrößern. Es klappte nicht. Das kleine Boot drehte sich mal hierhin mal dorthin, aber es fuhr nicht geradeaus. Panik ergriff ihn. Er kreischte vor Angst. Wie von Sinnen klatschte er das Paddel ins Wasser und schäumende Fontänen spritzten nach allen Seiten. Aber es hatte keinen Zweck. Er schaffte es nicht. Er kam nicht voran.

Als der Hund nahe genug heran war, schlug Steffen schreiend mit dem Paddel nach ihm. Aber was war schon ein Plastikpaddel für Kinder gegen die klaffenden Kiefer eines Kampfhundes? Er schnappte danach, riss es Steffen aus der Hand und schleuderte es zur Seite weg.

Der Hundebesitzer rannte ins Wasser und schrie sich die Lunge aus dem Hals. Auch Steffen schrie und kreischte voller Panik. Das war ein Kampfhund, nichts konnte den von seinem Opfer abhalten. Doch, meinte Kevin. Doch, doch! Fressen, fressen! Ente!

Ente lag noch im Boot. Hektisch suchte Steffen nach ihr. Endlich hatte seine herumzuckende Hand sie gefunden, griff in die Federn und schleuderte sie aus dem Boot heraus genau vor das Maul mit dem tödlichen Gebiss. Noch ehe der Kadaver ganz in das Wasser eintauchte, schnappte der Hund zu. Dann drehte er ab und schwamm knurrend und keuchend mit seiner Beute im Maul zum Ufer zurück.

Steffens Schreie verebbten nur langsam. Durch den Kampf war das kleine blau-gelbe Schlauchboot immer weiter gegen das andere Ufer getrieben und verfing sich in den Ästen eines Baumes. Abwesend griff der kleine Pirat danach, zog sein Boot näher an das Ufer und kroch weinend an Land. Er war vollkommen durchnässt, fror und er wollte nach Hause. So sehr der Kotzbrocken ihn auch geärgert hatte, gegen einen Kampfhund war das gar nichts.

Am anderen Ufer fraß Arnold seelenruhig die tote Ente auf. Der Hundebesitzer rief zu Steffen hinüber, wo er denn um Gottes willen herkomme, so ganz allein in seinem Kinderschlauchboot.

„Aus Querum“, rief Steffen.

„Das glaube ich dir nicht“, sagte der Mann.

„Kannst ja anrufen“, sagte Steffen und rief ihm die Telefonnummer zu. Die sich überschlagende Stimme der glücklichsten Mutter der Welt belehrte den Mann eines Besseren.

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