Читать книгу Mimi, Roberta und der König - Viveca Lärn - Страница 6

10. Juni

Оглавление

Ich hab’s ausgehalten. Als Mama meine Haare auskämmte, waren sie ganz kraus. Aber wir hatten Windstärke acht, wenn ihr versteht, was das bedeutet. Das weiß man, wenn man wie ich an der Westküste von Schweden wohnt. Windstärke acht, das bedeutet «Engelshaar auf Wiedersehen!». Schon als ich an Johanssons Schuhgeschäft vorbeiging, war mein Haar genauso glatt wie sonst.

Enok Johansson stand vor seinem Laden und stellte Pelzpantoffeln auf einen Ständer, lauter linke Pelzpantoffeln.

«Zwei hübsche Damen», sagte Enok. «Ihr seht aus, als ob ihr auf eine Schulabschlussfeier gehen wolltet.»

Enok kann zwei und zwei zusammenzählen, wie meine goldige Lehrerin das nennt.

Der Hausmeister hatte die Fahne gehisst, und das Schulorchester stand in einer Ecke des Schulhofs und spielte. Alle hatten die gleichen weißen Pullover an. Ihre Notenblätter wehten dauernd weg. Die Spieler mussten rumlaufen und die Noten wieder einsammeln. Jedenfalls spielten sie «Im Frühtau zu Berge». Das hab ich sehr gern. Roberta Karlsson, die in die dritte Klasse geht, spielt auch mit im Orchester. Ich hab sie wohl gesehen, wie sie dastand und auf ihrer Flöte blies. Aber ich hab so getan, als hätte ich sie nicht gesehen. Sonst bildet sie sich noch was drauf ein.

Alle aus meiner Klasse und ihre Mamas und Papas standen in einem Extrahaufen zusammen. Mama und ich kamen natürlich zuletzt. Die Mädchen waren besonders schön angezogen, die Jungen sahen komisch aus. Björn trug sogar eine Fliege! Keine Fliege, die fliegt, nein, eine unterm Kragen wie ein alter Opa. Aber auch die konnte jeden Augenblick wegfliegen bei dem Sturm. Die anderen Klassen standen auch jeweils in Gruppen zusammen.

Dann kam unsere goldige Lehrerin. Sie sah hübsch wie ein Marzipanschwein aus. Rosa Kleid mit weitem Rock und rosa Schuhe. Und sie lächelte wie eine Sonne. Sie begrüßte alle Eltern, nicht mit Handgeben. Aber sie nickte allen sehr vornehm zu. Ich hätte sie in den Arm beißen mögen, so goldig war sie.

Aber ich hab es nicht getan.

Dann kam der Direktor in einem karierten Jackett. Sportlich hüpfte er auf eine Holzkiste. Als er so sportlich hinaufsprang, schrien alle aus den sechsten Klassen «Buuh!». Die sind ja verrückt. Und trotzdem sagte er nur Nettes über sie.

«Lebt wohl, liebe Sechste», sagte er, «jetzt sehen wir uns nie wieder. Ihr wechselt auf eine andere Schule. Aber wenn ihr mal alt seid, werdet ihr euch an uns erinnern, und dann wisst ihr, dass dies die beste Schule war.»

Dann sagte der Direktor noch so einiges, was ich leider nicht verstand, weil Linda sich an mich rangeschlichen und mir einen Zettel zugesteckt hatte. Seine Ränder waren ganz fusselig. Ich entfaltete ihn und las:

«Ich gehe jeden Tag nach Liseberg. Tschüs, Linda.»

Liseberg, das ist unser Vergnügungspark in Göteborg.

Plötzlich wurde es ganz still. Dann fingen einige an zu kichern. Dem Direktor waren die Zettel weggeweht, von denen er seine Rede ablas, und jetzt versuchte er, die Zettel zu erwischen.

Einige Lehrerinnen rannten auch hinterher. Schließlich hatte er alle Papiere wieder beisammen und konnte auf seine Holzkiste zurückkehren. Aber diesmal sprang er nicht ganz so sportlich.

Er guckte auf den Zettel, und dann sagte er:

«Ich wünsche euch allen einen wunderschönen Sommer. Und denkt immer daran: Springt niemals in unbekannte Gewässer.»

Dann kam ein Pastor mit Bart und schaute hinauf in den Himmel.

«Ich möchte wissen, ob die Vögel sprechen können», sagte er. «Ich glaube, sie können es. Passt auf euch und die Vögel auf. Im richtigen Himmel sind alle nett zueinander.»

Alle aus unserer Klasse guckten hinauf in den Himmel. Dort oben segelten nur ein paar Wolken und Möwen. Er sah aus wie der richtige Himmel. Aber der Pfarrer sagte, der richtige Himmel ist jenseits von alldem hier. Vielleicht sieht man deswegen oft so wenige Möwen, wenn man zum Himmel hinaufschaut. Sie sind zu weit geflogen. Aber ich hab schließlich meine eigene Fellmöwe. Die heißt Alfons.

Dann sangen wir «Geh aus, mein Herz, und suche Freud», und fast alle Mamas und Papas weinten. Meine Mama schluchzte am lautesten. Ich fand es ja auch feierlich, aber wir haben das Lied mehrere Wochen lang geübt, deshalb bin ich schon dran gewöhnt und brauch nicht zu weinen.

Schließlich sagte unsere Lehrerin «tschüs» und gab uns allen die Hand. Jeder kriegte ein kleines Stück Papier. Darauf stand, wann das nächste Schuljahr beginnt.

Es war eine schöne Abschlussfeier, nur ein bisschen stürmisch.

Mimi, Roberta und der König

Подняться наверх