Читать книгу Mimi, Roberta und der König - Viveca Lärn - Страница 7

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13. Juni

Als ich heute Morgen aufwachte, wusste ich sofort, dass ich Sommerferien hab. Meine Füße waren ganz heiß und müde. Ich beguckte meine Hände und sah, dass sie auch abgearbeitet aussahen. Das kommt daher, weil ich in der ersten Klasse so viel schreiben musste.

«Ihr dürft euch den ganzen Sommer erholen», sagte ich zu meinen kleinen Händen. Dasselbe haben der Direktor, unsere Lehrerin und der Pastor gesagt. «Ihr braucht nicht zu schreiben und keine Betten zu machen, nicht abzuwaschen und nichts zu tragen, was schwerer ist als ein Eis.»

Sommerferien sind wunderbar. Es ist wirklich ungerecht, dass man erst sieben Jahre alt werden muss, ehe man Sommerferien kriegt. Dann ist man vielleicht müde!

Ich wollte bis elf im Bett bleiben. Mindestens. Wenn dann die Sonne schien, wollte ich aufstehen, wenn es aber regnete, wollte ich auch aufstehen. Es ist gefährlich, länger als bis elf Uhr im Bett zu bleiben. Dann kann man sich wund liegen. Das hab ich mal gehört. Und ich möchte mich nicht wund liegen. Als ich noch darüber nachdachte, kam Mama herein und sagte: «Die Post ist da.»

Das war wirklich ein komischer Satz am ersten Montag in den Sommerferien. Ich finde, es ist überhaupt nichts Besonderes, dass jeden Tag die Post kommt. Mein Papa ist nämlich Briefträger, ich weiß genau, wie es zugeht.

Aber Mama hatte eine weiße Karte in der Hand.

«Du musst zum Zahnarzt», sagte sie. «Wir haben einen Termin, morgen um Viertel nach elf.»

Ich vergaß meine müden Füße. Sprang aus dem Bett wie ein Gummiball und schrie.

«Ich geh in den Sommerferien nicht zum Zahnarzt! Das glaub ja nicht! Willst du mir meine ersten Sommerferien kaputtmachen?» Und dann warf ich mich aufs Bett und weinte und weinte, und Mama saß neben mir und seufzte und redete und stöhnte.

«Aber Mimi», sagte sie, «hör doch mal, Mimi. Du bist immer so gern zum Zahnarzt gegangen. Du hast doch noch nie ein Loch im Zahn gehabt! Und gerade jetzt, wo du vier neue Zähne hast. Erinnerst du dich nicht an die Zahnärztin? Die mit den braunen Locken? Du hattest sie doch so gern letztes Mal. Und wenn du diesmal ein winziges Loch hättest, obwohl ich das nicht glaube, dann kriegst du eine Spritze. Und die Spritze tut nicht mehr weh als ein Mückenstich, und dann schläft dein kleiner Zahn, und du fühlst nichts. Und vielleicht schenkt dir die Zahnärztin einen Button, wenn alles vorbei ist. Du erinnerst dich doch noch an die Buttons in der Blechschachtel? Wär das nicht gut?»

Aber ich lag nur da und starrte an die Decke. Eine Woche eher wäre ich losgehüpft und hätte nur gelacht über den Zahnarztbesuch. Aber in den Sommerferien – das war grausam!

«Ich glaub, es wird ganz prima», sagte Mama und öffnete eine Tür von meinem Kleiderschrank. Da fiel ihr einiges entgegen. «Der Winter ist vorbei, jetzt ist Sommer.» Sie sah sich ein Paar Wollfäustlinge an, und es klang, als ob sie mit den Handschuhen redete. Damit war das Gespräch über den Zahnarztbesuch wohl zu Ende.

Immer noch der 13. Juni

Ich klingelte an Robertas Tür. Sie machte sofort auf, und ich fiel fast in Ohnmacht, denn Roberta hatte einen großen Tintenfisch in der einen Hand. Sie warf ihn an die Wand, und der Fisch lief an der Tapete runter.

«Lebt er?», fragte ich. Ich hatte ein bisschen Angst.

«Klar lebt er, was denkst du denn», sagte Roberta und kam heraus und machte die Tür hinter sich zu. Wir gingen auf den Spielplatz. Da duftet es im Juni so gut nach Jasmin, das mag ich sehr.

Auf dem Spielplatz waren neue Kletternetze aufgespannt. Wir kletterten hinauf, und ich legte mich auf den Rücken.

«Morgen um Viertel nach elf muss ich zum Zahnarzt», sagte ich.

«Prima!», rief Roberta und schoss in die Höhe. «Lass mich mal sehen, ob du Löcher hast.»

«Das kannst du doch nicht sehen», sagte ich. Ich lag da und guckte in den Himmel. Heute waren besonders wenig Möwen zu sehen.

«Klar kann ich das, meine Mama ist schließlich Zahnärztin», sagte Roberta. «Warte mal.» Sie kletterte nach unten, kam aber schnell mit einem Stöckchen zurück, das sie aus der Sandkiste geholt hatte.

«Mach den Mund auf!», befahl sie, und ich gehorchte natürlich. Eine ganze Zeit stocherte sie in meinem Mund herum. Schließlich sagte sie zufrieden: «Du hast elf Löcher.»

«Elf», schrie ich, «das darf nicht wahr sein!»

«Klar ist es wahr», sagte Roberta. «Du hättest deine Zähne eben manchmal putzen müssen.»

«Aber ich putz meine Zähne doch jeden Morgen und jeden Abend und wenn ich was Süßes gegessen hab», sagte ich.

«Komisch», sagte Roberta und zog die Nase kraus. «Jedenfalls hast du elf Löcher. Aber das macht nichts. Der Zahnarzt bohrt sie auf und macht sie wieder zu.»

Ich schaute in den Himmel und machte den Mund zu. Aber ich merkte, wie mir die Tränen kamen.

«Zum Glück gibt’s ja Spritzen», flüsterte ich. «Dann tut es nicht so weh.»

«Nicht in den Sommerferien», sagte Roberta lachend. «Da hat der Zahnarzt keine Spritzen, das weißt du doch. Tschüs, ich muss nach Hause.»

Ich hatte ein Gefühl, als ob die Sommerferien vorbei wären.

Ich ging nach Hause und legte mich aufs Bett und umarmte meine Möwe Alfons. Mama merkte eine ganze Weile gar nichts, denn sie war damit beschäftigt, Schals und Badeanzüge, Schnorchel und Ohrenschützer und Beinwärmer auf verschiedenen Haufen zu sortieren. Und dann ging sie zur Arbeit.

Erst abends fragte Papa, warum ich so traurig wäre. Ich erzählte ihm, dass ich morgen zum Zahnarzt müsste. Aber er fand, davor brauchte ich keine Angst zu haben. Er las einfach weiter in der Zeitung.

«Gut, dass es Zahnärzte gibt», sagte er. «Früher gab es keine. Da kriegten die Leute schlechte Zähne, die wurden schwarz und fielen aus. Manche Leute hatten mit siebenundzwanzig Jahren keine Zähne mehr. Die mussten ihr Leben lang Suppe essen. Kannst du dir das überhaupt vorstellen? Da geh ich doch lieber von Zeit zu Zeit zum Zahnarzt. Außerdem kann man sich ja so eine nette kleine Betäubungsspritze geben lassen.»

«Aber nicht in den Sommerferien», sagte ich. «Da betäuben die Zahnärzte nicht.»

«Wie bitte», sagte er und warf die Zeitung weg. «Wer hat das gesagt? So was Dämliches hab ich noch nie gehört! Die betäuben das ganze Jahr. Wer hat das gesagt?»

«Das ist doch egal», sagte ich.

«Sag es mir», sagte er ein bisschen weniger böse. «Dann bringen wir die Sache in Ordnung.

«Nein, wirklich, es ist nicht so wichtig», sagte ich. «Ich hab’s irgendwo gelesen. Ich kann noch nicht besonders gut lesen. Vielleicht hab ich mich verlesen.»

Und dann ging ich ins Bett. Peng.

Komisch, dass ich sofort einschlafen konnte.

Mimi, Roberta und der König

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