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Der Traum von der ewigen Jugend

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negatives Bild des Alters

Das Alter als Abschnitt des menschlichen Lebensgangs wird heute überwiegend negativ gesehen. Besonders in der sogenannten westlichen Welt, zu der ja weitgehend auch Mitteleuropa gehört, ist der anscheinend nie verlöschende Traum von der ewigen Jugend so auf das Alter projiziert worden, dass eine besondere Lebensart oder gar Lebenskultur gar nicht mehr entstehen kann. Kosmetik und prothetische Chirurgie mögen Beispiele sein, wie stark der Versuch, das Alter nicht stattfinden zu lassen, bereits realisiert wird. Das Verhalten alter Menschen ist überwiegend unterschiedslos zu dem junger Menschen oder der Erwachsenen. Auch hat natürlich auf der anderen Seite in einer Leistungsgesellschaft ein alter Mensch keinen Platz, da ja gerade das Leistungsvermögen allmählich nachlässt und Höchstanforderungen im Beruf oder im sonstigen Leben nicht mehr gestellt werden können. Immer weniger wird der alte Mensch noch produktiv wertvoll, immer mehr dafür ein reiner Kostenfaktor.

Aussonderung alter Menschen

Unter solchen Gesichtspunkten muss es nicht verwundern, wenn die Gesellschaft einen starken Drang entwickelt hat, alte Menschen aus sich herauszusondern, in besonderen Einrichtungen zu asylieren. Äußerlich betrachtet sind dies unabdingbare Notwendigkeiten, weil beispielsweise heute kein Wohnraum mehr so gestaltet ist, dass in ihm innerhalb der Familie der Jungen und der Erwachsenen noch ein alter Mensch Platz hätte. Auch scheinen die verschiedenen Generationen in ihren Auffassungen vom Leben so extrem unterschiedlich geworden zu sein, dass ein harmonisches Zusammenleben meist kaum möglich ist.

Natürlich kann man zu Recht an dieser Stelle einwenden, dass es auch in früheren Zeiten Generationsprobleme gab, dass auch damals alte Menschen keinen ausreichenden Platz in der Wohngemeinschaft fanden. Es ist auch in der Tat immer gefährlich, frühere Zeiten zu glorifizieren. Und doch darf man davon ausgehen, dass das Alter – gehen wir hundert oder mehr Jahre in der Entwicklung zurück – einen positiveren Aspekt hatte und besser in die Gesellschaft integriert war, als das heute der Fall ist. Die Ideologie einer Leistungsgesellschaft war noch nicht so ausgeprägt und damit die scheinbare produktive Nutzlosigkeit alter Menschen nicht so eindeutig definiert.

Hilflosigkeit

In Wirklichkeit offenbart sich aber in diesem Phänomen der Aussonderung die ganze Hilflosigkeit unserer heutigen Lebensauffassung speziell mit Bezug auf das Alter und alte Menschen. Wir möchten uns von diesem scheinbar negativen Anblick alter Menschen mit ihren ganzen Einschränkungen, Behinderungen, Degenerationen befreien, um den Traum ewiger Jugend fortträumen zu können. Wir wollen einfach nicht wahrhaben, dass das allmähliche Welken und schließlich Dahinsiechen des Leibes zur Wirklichkeit Mensch gehört, so wie in jedem Jahr Pflanzen verwelken, Tiere sterben. Das scheinbare Paradoxon, dass der Tod zum Leben gehört, will von uns heute nicht verstanden werden.

Bestreben, das Altern »abzuschaffen«

Asylierung der alten Menschen oder der Versuch, sich als alternder Mensch äußerlich eine Jugendlichkeit zu erhalten, was vor allem durch sogenanntes Anti-Aging oder – noch eingreifender – durch Schönheitschirurgie angestrebt wird, wird abgelöst werden von dem Bestreben, das Altern überhaupt abzuschaffen. Wie bereits erwähnt, sind die für das Altern verantwortlichen Gene oder bestimmte Eiweiße längst herausgearbeitet und Experimente begonnen worden, um diese ab- oder auszuschalten. Unvorstellbare Geldsummen werden investiert, um hier auch für den Menschen verlässliche Vorgehensweisen zu etablieren und damit das investierte Kapital in mehrfacher Höhe wieder zurückzugewinnen. Forschungsinstitute im Silicon Valley haben als vorläufiges Ziel vorgegeben, die Lebenszeit des Menschen auf 200 Jahre zu verlängern, 500 Jahre und mehr werden als keineswegs utopisch bezeichnet.28

Ein gesundes Empfinden gerät ins Grübeln, ob diese Planungen eigentlich sinnvoll für die Menschheit sind, ob wir uns nicht auf ein Experiment einlassen, dessen Ausgang höchst ungewiss ist. Es ist zum Beispiel ein ganz wichtiger Aspekt der Krebszelle, dass es ihr gelingt, die für die Zellalterung verantwortliche Apoptosefähigkeit zu unterbinden. Apoptose bedeutet, dass eine alternde Zelle, die nicht mehr ausreichend ihre Funktion im Organ erfüllen kann, abstirbt und durch eine junge, neue Zelle ersetzt wird. Aus diesem Geschehen resultieren alle Regenerationsvorgänge im Organismus, die bis zum Lebensende andauern. Die Krebszelle macht sich durch Abschalten der Apoptose unsterblich, und tatsächlich erreichen die aggressiven Strategien ihrer Vernichtung weder von Chemotherapie noch von Bestrahlung die Krebsstammzelle, die ihre Produktion immer neuer Zellen unbeeindruckt fortführen kann.

Frage nach dem Sinn menschlichen Alterns

Eine viel tiefergehende Frage verbindet sich mit dem Schöpfergedanken und dem von ihm gegebenen Sinn menschlichen Alterns. Sind wir berechtigt, die wohl unbestreitbare Weisheit des Geschöpfes Mensch nach unserem Gutdünken zu manipulieren? Was soll oder wird der Mensch, der 200 Jahre alt wird, mit der gewonnenen Zeit anfangen? (Ganz zu schweigen davon, wie die Frage der Überbevölkerung bzw. der Ernährung all dieser Menschen gelöst werden soll.) Ist es wirklich erstrebenswert, so lange weiterzuleben?

Diese sich damit verbindenden Fragen sollen hier gar nicht vertieft werden, leiten jedoch unmittelbar über in die Beschreibung des Lebensabschnitts, der jetzt ausführlich dargestellt werden soll und dessen tiefe Sinnhaftigkeit dabei deutlich werden wird.

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