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Weisheit

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»gesättigtes Wissen«

Versteht der moderne Mensch eigentlich noch die Bedeutung dessen, was das Wort »Weisheit« beinhaltet? Oder erlebt er damit verbunden etwas aus grauen Vorzeiten, was für einen Menschen unserer Zeit gar nicht erstrebenswert ist? Mit 60 Jahren schrieb der deutsche Schauspieler Curd Jürgens (1915–1982) seine Biografie und nannte sie 60 Jahre und kein bisschen weise. Sieben Jahre später verstarb er. In lange vergangenen Zeiten war Weisheit Ziel eines Menschenlebens, es war nicht sicher, ob der Einzelne es erreichte. »Weisheit« kommt von »Wissen«, sie ist ein gesättigtes Wissen, geprägt von der gesammelten Erfahrung eines langen Lebens mit allen seinen Höhen und Tiefen. Mit ihr verbindet sich auch der Ernst, die Ernsthaftigkeit. Das findet sich wieder in den Worten, die nach den auf Rudolf Steiner zurückgehenden »Baumsprüchen« Saturn durch die Bäume des dunklen Waldes zum Menschen spricht, durch Buchen, Tannen und Zypressen (oder Wacholder): »O Mensch, fühle die Verantwortung für die Not deiner Zeit und der ganzen Menschheit. Ergreife mit Innigkeit und Ernst die Aufgabe, die dir das Leben stellt.«38

Lebensaufgaben ergreifen Wissen über den Tod hinaus

Die griechische Mythologie nennt den römischen Saturn Kronos, eine Urschöpfergestalt, Vater des Zeus und verbunden mit der Zeit. Die Erreichnisse der beiden vorausgegangenen Jahrsiebte kulminieren in dieser Saturnzeit und sammeln sich im Weisewerden. Es muss erstaunen, dass jetzt darauf hingewiesen wird, die Aufgaben – mit Innigkeit und Ernst – zu ergreifen, die einem das Leben stellt. Das war doch längst der Fall, auch die damit verbundene Verantwortlichkeit. Doch nun bekommt dies einen ganz neuen Aspekt: Jetzt wird bereits Zukunft begründet, jetzt weitet sich der Blick in Zeiten nach dem Tod und in ein künftiges Leben. Hier werden Willensimpulse gelegt, die uns aus dem nachtodlichen Leben wieder zu einem irdischen führen. Auch das beinhaltet Weisheit: ein Wissen über den Tod hinaus, unverlierbar, wesentlich auch für die geistigen Hierarchien, die uns immer – hier wie dort – eng verbunden begleiten. Vieles davon tritt gar nicht einmal in unser Wachbewusstsein, bleibt auch für uns im Verborgenen, entschleiert sich erst, wenn wir den Leib abgelegt haben und als Geistseele im Allbewusstsein erwachen.

In vielen Biografien werden wir heute nicht auf die geschilderte gesättigte Lebensweisheit stoßen, zu groß sind die Zeitwiderstände, die jeden einzelnen Menschen an einer gesunden Entwicklung seines Alters hindern, als dass viele unbeschadet durch diese Zeit gehen können. Aber immer wieder finden wir Biografien, in denen sich die diesem Lebensabschnitt innewohnenden Gesetzmäßigkeiten zeigen oder zumindest erahnen lassen. Diese zu erkennen, mag dazu beitragen, für sich selbst Wege zu suchen und sie sich auch ausleben zu lassen. Sich ein Ziel zu setzen heißt ja nicht, es immer und unbedingt erreichen zu müssen, wohl aber einen auf dieses Ziel gerichteten Weg einzuschlagen und zu beschreiten. Es ist nicht der Zielort, sondern die von ihm ausgehende Kraft, die für den Menschen von Bedeutung ist.

nie erlahmendes Streben

Es ist das immer sich bemühende, nie erlahmende Streben, das letztlich die Erlösung für Faust erwirkt, wie Goethe es uns vermittelt. So möge dieses Kapitel abschließen mit Worten Christian Morgensterns, der das zuletzt Gesagte so »ver-dichtete«:39

Wer vom Ziel nicht weiß,

kann den Weg nicht haben,

wird im selben Kreis

all sein Leben traben;

kommt am Ende hin,

wo er hergerückt,

hat der Menge Sinn

nur noch mehr zerstückt.

Wer vom Ziel nichts kennt,

kann’s doch heut erfahren;

wenn es ihn nur brennt,

nach dem Göttlich-Wahren;

wenn in Eitelkeit

er nicht ganz versunken

und vom Wein der Zeit

nicht bis oben trunken.

Denn zu fragen ist

nach den stillen Dingen,

und zu wagen ist,

will man Licht erringen;

wer nicht suchen kann,

wie nur je ein Freier,

bleibt im Trugesbann

siebenfacher Schleier.

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