Читать книгу Kommissar Katzorke - Volker Lüdecke - Страница 7

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Kommissar Katzorke hatte bei seinen Nachforschungen außerhalb seiner Dienstzeit eine Wohnung in einem vierstöckigen Mietshaus im Stadtbezirk Mariendorf ins Visier genommen. Bisher ergebnislos.

Laut Aktenlage, mit der er sich morgens im Büro erneut zu beschäftigen hatte, residierten dort Mitglieder einer neu aufkommenden, kriminellen Bande.

Die Akte über die Herrschaften war ein Prachtexemplar.

„Die größten Dilettanten des Berliner Polizeiapparates präsentieren hier eindrucksvoll ihr persönliches Versagen.“

Katzorkes Hände zitterten vor Wut.

Selten hatte er ein nachlässigeres Stückwerk an Ermittlungsarbeit vor Augen gehabt. Solch einen Pfusch von ermittelnden Streifenhörnchen! Solche schriftlichen Protokolle der unleserlichsten Art!

„Nicht zu ermitteln! Das geht in Buxtehude vielleicht!“

Schimpfte er und las sich diesen Satz immer wieder vor: „Nicht zu ermitteln“.

Die drei Worte fast das Einzige, was er von dem Gekritzel überhaupt entziffern konnte.

Selbst bei seinem gewohnten Verständnis für unter Stress ermittelnde Streifenbeamte, das Geschmiere war Arbeitsverweigerung.

„Eine Verspottung der höheren Dienstgrade!“

Laut Anmerkung am Seitenrand des Protokolls, von wem auch immer in die Akte hineingeschrieben, hätten die Beamten nebenbei noch einen fliehenden Bankräuber zu verfolgen gehabt.

Für Katzorke war das eine faule Ausrede.

Daraufhin hatte er minutiös die Tagesereignisse parallel zu diesem Fall recherchiert und festgestellt, dass sie auch den nicht geschnappt hatten.

Immerhin, gelogen hatten sie nicht.

„Totalversager!“

Katzorke vermutete Alkohol im Dienst. Aber sich an höherer Stelle über die beiden zu beschweren, brachte nichts.

„Wir scheißen uns ja innerhalb der Polizei nicht gegenseitig an. An diesem Beispiel sieht man, wohin das führt.“

Die Verdächtigen waren laut Protokoll zweifelsfrei Bürger aus Griechenland. So viel konnte er endlich entziffern. Der übrige Rest blieben vage Vermutungen und arge Beschuldigungen von angeblichen Zeugen seltsamer Vorfälle.

Mutmaßlich Verleumdung.

Als Beweise der „organisierten Kriminalität“ waren in dem Bericht Vorkommnisse aufgeführt, wie zum Beispiel nächtliche Transportaktivitäten von schweren Gegenständen im Treppenhaus des vierstöckigen Mietshauses. Außerdem nächtliche Zusammenkünfte männlicher Personen in der Wohnung der Griechen.

„Nächtliche Ruhestörung? Welcher Kollegenschuft hat mir diesen Fall zugespielt? Ein Bagatelldelikt!“

Katzorke knurrte wütend seine Prognose des Falls gegen die weiße Wand seines Büros und tigerte minutenlang heftig schwitzend auf zwei Quadratmetern hin und her.

„Mir meine Zeit rauben! Nicht mit mir!“

Er beschloss, diesen Fall besonders schnell abzuschließen.

Er kannte einige Griechen persönlich. Sie betrieben in Berlin freundliche Restaurants. Einfach mal nachfragen. Wegen dieses völlig überbewerteten, läppischen Nachbarschaftsstreits. Wäre ein Ansatz.

Nur, welche begründeten Verdachtsmomente konnte er überhaupt vorbringen? Das wollte sich seinem Verstand auch nach noch intensiveren Recherchen im alten Aktenbestand über Mariendorf nicht erschließen.

Katzorkes an sich schon notorisch schlechte Laune hatte ihren absoluten Tiefpunkt erreicht.

Welcher Kollegenschuft wollte seine Fähigkeiten als analytischer Ermittler auf die Probe stellen? Er öffnete die Tür seines Büros, lugte hinaus ins Großraumbüro. Dort herrschte eine unauffällige Arbeitsatmosphäre.

Katzorke war nach einem frustrierenden Arbeitstag nichts übrig geblieben, als eigene Ermittlungen aufzunehmen.

Er würde sich an diesem Fall nicht die Zähne ausbeißen.

Tags darauf arbeitete er eine Liste griechischer Restaurants ab. Rief hier und da seine Bekannten an, erkundigte sich nach den Konditionen für eine angebliche Familienfeier. Dabei erwähnte er Gastronomie Lieferanten, erwähnte die Namen der Verdächtigen Personen aus seiner Akte. Die aus Mariendorf.

Ergebnislos! Lebensmittelimporte aus Griechenland? Lieber Gott! Das war höchstens eine Angelegenheit für den Zoll!

Katzorke grübelte bald mehr über die Motive derjenigen, die ihm diesen Fall auf den Schreibtisch gezaubert hatten, als über eventuelle Zusammenhänge mit aktenkundigen Personen!

Vielleicht gab es ja irgendeinen höheren Beamten innerhalb seiner Behörde, der aus welchen Gründen auch immer persönlich etwas gegen Griechen hatte?

„Ein dummer Rassist mit Beamtenlaufbahn!“

In der Presse waren gelegentlich Vorwürfe wegen Ausländerfeindlichkeit inmitten der Berliner Polizei aufgetaucht. Katzorke grübelte auch in diese Richtung.

Geschmacklose Witze kursierten gelegentlich, aber das ergab sich schon allein aus dem gesellschaftlichen Durchschnitt. Den üblichen Prozenten an Dumpfbacken.

Dennoch vernachlässigte er diese Hypothese nicht. Niemals ein Motiv von vornherein ausschließen! So hatte Katzorke Polizeiarbeit gelernt.

Aber Ermittlungen aus rassistischen Motiven gegen ein paar Schinken, Wein und Gastronomiebedarf importierende Griechen seitens der Polizei? Auf diese Art von rassistischer Schikane musste einer erst mal kommen!

Grotesk, hörte sich absolut nicht so an wie die Lösung des Falls.

Andererseits, es gab in der Geschichte der Behörde einige pikante Fälle.

Entführungsopfer durch Inkompetenz ums Leben gebracht. Mord aufgrund von Schlamperei nicht aufgeklärt. Nur weil in der Maschinerie einer Behörde ein Rädchen nicht in das andere gegriffen hatte, ein Großkopferter sein Rad ganz alleine drehen wollte.

„Acht Stunden vergeudet!“

Brummend vor übler Laune hatte Katzorke an diesem Abend mit unbeweglicher Maskenmiene den Ausdruck seiner Online Recherche des Falls in der Aktentasche vorbei an den gemeinen Kollegen in seinen angeblichen Feierabend getragen.

„Schönen Feierabend, Katzorke!“

Fick dich selbst, dachte er wortlos beim Hinausgehen.

Seine Freizeit opfern wegen der Schlamperei von Kollegen!

Erst kürzlich hatte er sich nach kritischer Selbstanalyse ein Hobby als Ausgleich zum Berufsstress verordnet. Einfach mal zur Ruhe kommen! Ein unbekannter Zustand, seit der Kindheit nicht mehr erlebt!

Sein neues Hobby sollte der Aufbau einer Modellstadt werden.

Mit kleinen Häusern, Eisenbahnen, elektrischen Miniaturautos, rauchenden Fabrikschloten und Minimenschen. Kurz, seine Idealstadt, in der von oben betrachtet alles so funktionierte, wie er es für richtig hielt.

Mit dem totalen Überblick. Er würde genau wissen, was in jedem Winkel geschieht.

Am Alexanderplatz war er auf diese Idee gekommen. In einem Einkaufszentrum war dort eine gigantische Modelllandschaft aufgebaut. Wo Kinder wie Erwachsene staunend drum herum standen.

Stundenlang war er an den Tischen mit den Aufbauten gestanden. Schon damals wäre am liebsten unter die Tische in das Innere der Anlage hinein gekrochen.

Aber dann fehlte ihm wie immer die Zeit, seine Pläne für ein eigenes Modell voranzutreiben.

Nach dem Abendessen also erneut auf Verbrecherjagd!

So sah Katzorke eine gesunde Berufsauffassung. Keine Pause, solange ein Fall nicht gelöst war!

Lieber ohne Nachtschlaf am nächsten Tag vor Müdigkeit implodierend, aber die Akte mit einem positiven Vermerk an die Dienststelle in Mariendorf sendend, als morgens ohne Ergebnis seinen Dienst anzutreten.

Laut aktuellem Kartenmaterial vom Bezirk Mariendorf stellte er fest, dass sich gegenüber der bezeichneten Wohnung in Mariendorf eine Kleingartenkolonie befand.

Zu später Abendstunde unter der Woche würde sich dort bestimmt niemand aufhalten. Er fuhr mit seinem Kombi dort hin.

Auf einem der Gartenwege war mit geübten Griffen im Dunkeln bald seine Überwachungsdrohne in Startposition gebracht.

Geschickt lenkte er sie per Fernsteuerung dicht an den beleuchteten Fenstern im dritten Stockwerk vorbei. Das Flugmanöver war nicht einfach. Bäume mit ausladenden Ästen standen im Weg.

Zehn Minuten Akkulaufzeit, dann musste er mit den Aufnahmen fertig sein.

Als sein Fluggerät von der Erkundung zurück war, packte er es vorsichtig in eine große Sporttasche. Augenblicklich sah es so aus, als käme er vom Training in einem der Mariendorfer Sportvereine.

Zu Hause wollte er die Aufnahmen gleich anschauen. Gemütlich bei einem Gläschen Weinbrand mit Cola.

Bekannt war diese alkoholische Mischung auch unter dem Namen „Futschi“!

Kommissar Katzorke

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