Читать книгу Held des Weltraums: Mark Tolins Band 1-17 - Die ganze Serie - W. W. Shols - Страница 36
ОглавлениеMann ohne Skalp
Miss Turplewithe ließ sich nicht umwerfen.
Sie war Lehrerin mit mehr als zwanzigjähriger Berufserfahrung und hatte bereits ausgiebig alles genossen, was sich Kinder an Umwerfendem ausdenken konnten. Sie war nicht so leicht zu beeindrucken, am wenigsten von einem Mann, obgleich es auch in ihrem Leben eine Zeit gegeben hatte, in der sie sich gern von einem Mann hätte beeindrucken lassen. Leider hatte sich niemand bemüht.
Sie sah den kleinen Mann, dessen Hosen merkwürdigerweise über die Schuhe gerutscht waren, mit einem Spankorb in der Hand auf sich zukommen. Sie hatte dabei den sonderbaren Eindruck, dass er etwas schräg von oben auf sie zukam, als wäre er aus einem Parterrefenster herausgesprungen. Genaues konnte sie nicht sagen, weil sie stark kurzsichtig war, aber ihre Brille in der Handtasche trug.
Jedenfalls sah sie ihn auf sich zukommen, und dann prallte er bereits gegen sie und hielt sich an ihr fest. Die jungen Champignons klatschten wie Wattepfropfen gegen sie an, ohne dass sie sagen konnte, um was es sich handelte. Was bedeuteten auch junge Champignons gegen die Tatsache, dass sie auf offener Straße von einem Mann umarmt wurde? Sie empfand nichts von den seligen Schauern, die angeblich weibliche Körper unter männlichen Händen überlaufen sollten, sondern ausschließlich Empörung und Erbitterung. Diese Umarmung auf offener Straße konnte sie um ihren guten Ruf bringen und ihre Autorität bei den Kindern beeinträchtigen.
Sie reagierte, wie nur ein wahrhaft keusches Gemüt zu reagieren vermag, dem nicht unbekannt geblieben ist, worauf die bösen Buben aus sind.
Sie stieß den Fremden mit der linken Hand zurück, hob die rechte Hand mit dem Stockschirm und schlug zu.
Ein Schlag genügte. Er traf den weichen Hut des Fremden und schleuderte ihn in die Gosse.
Dann stand die Welt still und hielt den Atem an.
Miss Turplewithe ebenfalls.
Der Kopf des Fremden war jetzt keinen Meter von ihr entfernt. Selbst ihre kurzsichtigen Augen sahen ihn deutlich. Sie registrierten den sonderbaren Hautton, den schmollenden Babymund und die riesigen lidfreien Eulenaugen. Was aber hatte das schon zu besagen gegenüber dem, was Miss Turplewithe sonst noch sah?
Oder richtiger: Was sie nicht sah!
Der Mann hatte keinen Skalp.
Sein Kopf hörte ungefähr dort auf, wo bei anderen Leuten das Haar beginnt. Die Stirn war noch vorhanden, ebenso auffallend kleine Ohren, aber über ihnen befand sich nichts mehr. Von der Stirn bis in den Nacken lief scharfkantig ein schmales metallisches Band, mit dem der Kopf aufhörte.
Die Schädeldecke fehlte!
Das reichte, um Miss Turplewithe den Atem zu versetzen. Sie war sicher, dass sie nur deshalb nicht tot umfiel, weil sie einen niedrigen Blutdruck besaß. Er brachte ihr zwar gelegentlich kalte Füße ein, aber sie fand in dieser Minute kalte Füße erträglicher als einen Schlaganfall.
Sie hatte ihren Kelch noch nicht bis zur Neige ausgetrunken.
Der Mann ohne Schädeldecke gab einen undefinierbaren Laut von sich, bückte sich und holte den Hut aus der Gosse. Er zerrte aus dem Hut etwas heraus und setzte es auf seinen Kopf.
Die Schädeldecke!
Er bewegte sie etwas hin und her, als müsste er sie richtig einpassen, und dann präsentierte er sich mit einem vollständigen Kopf, der allerdings völlig haarlos war und von dem schmalen metallischen Reif eingefasst wurde.
Miss Turplewithe begriff durchaus, dass sie dem Fremden mit ihrem Regenschirm nicht nur den Hut, sondern auch die Schädeldecke heruntergeschlagen hatte, und dass er sich die Schädeldecke aus dem Hut herausgeholt und sich wieder aufgesetzt hatte, aber damit war auch ihre Grenze erreicht.
Sie schrie gellend auf, rutschte zusammen und legte sich auf die Straße, selbstverständlich unter voller Beachtung der Schicklichkeit, die man von einer Amerikanerin und erst recht von einer Lehrerin erwarten kann.