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Zwischen Schleimspur und Blutspur

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Die vermeintlich abgelegte Provinzschwere ließ Paul Lindner jedoch allzu schnell dem Schein der Leichtigkeit verfallen.

Er sollte alsbald, mit Freds Geleit, die Welt der zweizüngigen Menschen kennenlernen, ohne es in seiner Naivität wahrzunehmen.

Eine Welt, in der die eine vielversprechende Zunge der Umgebung rotzfrech ins Gesicht grinste, unendlich von sich bestrahlt und feucht geleckt, und die andere Zunge ängstlich in ausgetrockneten Schleimhäuten versteckt nach Hilfe suchte.

Paul Lindner betrat unbewusst eine Zukunft, in der sich alte Sinne verabschieden würden und neue Sinne hinzukamen. Es sollten auf Jahre die letzten Tage sein, dass er München mit seinem Geruchssinn wahrnahm. Die letzten Momente, in denen er die Kräuterdüfte und den Malzgeschmack der Biere nochmals so intensiv auf dem Viktualienmarkt aufnehmen sollte, wie bei seiner Ankunft.

Der provinzielle Quastenflosser war an Land gegangen, alte Flossen sollten verkümmern und neue Muskeln wachsen.

Eine neue Sinnlichkeit, zwischen Schleimspur und Blutspur, bekam Hand und Fuß; die Gradlinigkeit sollte verschwinden und das Um-die-Ecke-Denken des Misstrauens sollte sich von Gramm zu Gramm entwickeln.

Doch Paul Lindner dachte keinen Augenblick an ein Scheitern seiner Existenz, an ein Scheitern seiner Schleimhäute. Ganz im Gegenteil, trug er eine Gelungenheit, ein prickelndes Hochgefühl in sich, wie er es selten zuvor verspürt hatte. Der weißblaue Münchner Himmel meinte es gut mit ihm und die Vorfreude auf den nächsten Abend lockerte letzte ländliche Verklemmungen.

Paul Lindner fühlte sich endlich angekommen und sein Auge suchte bereits auf dem Nachhauseweg in die Fraunhoferstraße 23F nach neuen Vertrautheiten, um endlich wieder mit Straßen und Plätzen heimatlich zu sein.

Münchner Feigheit

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