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5 Die imperiale Versuchung und der verborgene Segen (2,12-17)

Dieser Brief geht an die christliche Gemeinde von Pergamon. Johannes nennt Pergamon die Stadt, »wo der Thron des Satans steht«. Das ist natürlich auch wieder ein Codewort, eine Andeutung. Anscheinend muss es in Pergamon irgendetwas gegeben haben, durch das der Satan ganz besonders wirken konnte. Und wenn es ein »Thron« ist, dann werden damit imperiale Assoziationen wachgerufen: Es geht um Macht, um Herrschaft, um Hoheit. Also ziemlich das genaue Gegenteil von Jesus, der wusste, dass er in Jerusalem machtlos an einem römischen Kreuz sterben würde und trotzdem unbeirrt dorthin ging.

Ein Zentrum des imperialen Kults

Nun wissen wir, dass in Pergamon der erste Kaiserkult in der römischen Provinz Asien eingerichtet worden ist. Der Kaiserkult ist im Osten des Reiches erfunden worden – die Römer selbst hatten eher eine Abneigung dagegen, Menschen als Götter zu verehren. Sie brauchten ursprünglich keinen religiösen Klimbim, um andere zu unterdrücken. Aber dort im Osten war es normal, dass man großen Herrschern göttliche Ehren erwies, für sie Altäre errichtete und sie anbetete.

Wer heute in Berlin das Pergamonmuseum besucht, der kann dort den berühmten Altar besichtigen, den man vor 130 Jahren ausgegraben und ins Deutsche Kaiserreich gebracht hat. Ein gewaltiger Bau aus Marmor, etwa 35 Meter breit und tief und 20 Meter hoch, mit einer breiten Freitreppe, die zu einer Säulenhalle führt, wo früher ein Altar stand. Und rund um den Bau zieht sich ein Wandfries mit Kampfszenen: Die griechischen Götter besiegen die Giganten, eine Art urtümlicher Riesen. Da geht es schon sehr brutal zu, auch wenn es ein tolles Kunstwerk ist.

Den Altar haben die Könige von Pergamon errichtet, nachdem sie keltische Barbaren besiegt hatten. Es gab also in Pergamon eine Tradition religiöser Überhöhung der Macht, und daran konnte später der Kaiserkult anknüpfen. Vielleicht hat Johannes ja diesen Altar als »Thron des Satans« bezeichnet. Es könnte also tatsächlich sein, dass der »Thron des Satans« heute in Berlin steht.

Auf jeden Fall hatte es die christliche Gemeinde in Pergamon nicht leicht in dieser Atmosphäre der Vergötterung von Macht und Gewalt. Anscheinend hatte es schon Anfeindungen gegeben, die zum Tod eines Christen namens Antipas geführt haben. Und die Gemeinde wird gelobt, weil sie standhaft geblieben ist.

Das satanische Prinzip ist die Macht des Stärkeren, der Wunsch, sich das zu nehmen, was man will, das durchzusetzen, was man möchte, nicht mit anderen teilen und keine Rücksicht nehmen zu müssen. Dauernd geht es unter Menschen darum, wer der Größte ist.

Jesus hat seinen Jüngern gesagt (Markus 10,41-45): Ja, so geht es zu in der Welt – wer die Macht hat, unterdrückt die anderen und lebt auf deren Kosten. Doch dann folgt das große Aber: »Aber bei euch ist es anders.« Ihr seid die neue Menschheit, bei euch gilt eine andere Logik, ihr lebt nach einem anderen Prinzip: nach dem Prinzip des Dienens und Helfens. Erst nach seinem Tod ging den Jüngern langsam auf, dass er das ernst gemeint hatte: nicht auf die Macht der Schwerter und der Gewehre vertrauen, nicht beim Tanz ums Goldene Kalb mitmachen, sondern aus der verborgenen Kraft der Liebe Gottes leben und damit für andere da sein. Anderen dienen, anstatt sich bedienen zu lassen.

Deshalb ist die Glorifizierung der Macht das Gegenteil von dem, worum es Jesus geht. Es ist die satanische Versuchung, der er ganz am Anfang, nach seiner Taufe, widerstanden hat. Und im Schatten dieser Glorifizierung lebt auch die Gemeinde in Pergamon. Wenn das Leitbild der Gesellschaft beinhaltet, dass man der Größte ist und sich durchsetzen muss, dann prägt das die Menschen in ihren alltäglichen Verhaltensweisen und Konfliktstrategien. Dann kann man sich das Verhältnis zwischen Menschen immer nur als Unterwerfung vorstellen: zwischen Männern und Frauen, Starken und Schwachen, Freien und Sklaven, Einheimischen und Fremden.

Unsere heutigen Symbole sind keine Altäre mehr. Eher sind es die Logos und Marken und Events, die möglichst viele Menschen hinter sich versammeln und unterschwellig bestimmen, was schön und sinnvoll ist und was nicht. Seit 2006 dienen dazu gern auch wieder die Nationalfarben. Und der Kampf um die Macht wird ganz oben mit Aktienpaketen, Schlagzeilen und kulturellen Spitzenleistungen ausgetragen, und ganz unten prügelt man sich im Stadion und schlägt auf Behinderte und Ausländer ein. Das Niveau variiert, aber immer geht es um die Frage: Wer ist der Größte?

Die ersten Christen waren noch lange nicht so weit, dass sie das Klima in der Gesellschaft beeinflussen konnten. Aber sie begannen damit, sich selbst der Macht dieser Symbole zu entziehen. Sie nahmen bewusst nicht am Kaiserkult teil, und deswegen galten sie dann später als Atheisten und manchmal als Menschenfeinde. Und sie hatten ihre eigenen Symbole wie das Abendmahl, das in seinem Zentrum an den Tod Jesu erinnert. Damit ist es ein Anti-Symbol zu Geld, Macht und Ruhm. In Pergamon haben sie das unter schwierigen Bedingungen durchgehalten.

Versuchung durch die Hintertür

Aber nun sagt ihnen Johannes: Auch wenn ihr da fest geblieben seid, der Satan mit seiner imperialen Logik hat bei euch trotzdem noch einen Fuß in der Tür, weil es bei euch Anhänger der Nikolaiten gibt. Passt auf, da kommt das, wogegen ihr vorne tapfer kämpft, heimlich durch die Hintertür ins Haus.

Wir wissen kaum noch etwas über diese Bewegung, und Johannes redet nur in Andeutungen von ihr. Er erinnert an eine Episode aus der Wüstenzeit Israels, als sie den Moabitern begegneten. Die Moabiter wussten, dass sie militärisch keine Chance gegen dieses Volk hatten. Stattdessen versuchten sie, Israel von innen her zu schwächen, und das machten sie mit Sex. Sie schickten den Israeliten Frauen, und die infiltrierten das Volk mit anderen Symbolen, sie brachten die Anbetung des Baal mit und untergruben den Zusammenhalt des Volkes mit Gott.

Irgendetwas in dieser Richtung müssen auch die Nikolaiten propagiert haben. Die menschliche Sexualität scheint besonders anfällig für die imperiale Versuchung zu sein. Da sind Menschen besonders verletzlich, und da ist die Möglichkeit zur Rücksichtslosigkeit besonders groß. Wenn Menschen sich intensiv mit anderen verbinden und sich für sie öffnen, kann das leicht missbraucht werden. Auf wenig andere Weisen können Menschen in ihrem Vertrauen in die Welt und in Gott so massiv geschädigt werden wie durch kaputte oder missbrauchende Sexualität. Christliche Gemeinden sollen mitten in einer Gesellschaft mit Beutementalität sichere Orte sein – in jeder Hinsicht.

Das ist der Grund, weshalb in der biblischen Tradition die Sexualität so stark reguliert und mit Warnschildern versehen wird: weil dort das imperiale Verhalten und das Ausnutzen Schwächerer so nahe liegt. Das wird zu allen Zeiten unter den Verdacht gestellt, dass jemand uns den Spaß verderben will (und bei vielen Vertretern der Moral teile ich diesen Verdacht), aber in Wirklichkeit geht es darum, dass Menschen, vor allem Frauen, auf diesem sensiblen Feld vor Ausbeutung und Verletzung geschützt werden sollen.

Segen statt Beute

Johannes schließt mit einer Verheißung Jesu: Wer überwindet, wer diese Versuchung siegreich besteht, dem wird er von dem verborgenen Manna geben. Auch das ist ein Bild aus der Wüstenzeit Israels. Auf ihrem Weg ernährte Gott sie mit Manna, das vom Himmel fiel. Jeden Tag hatten sie genug, aber wenn sie einen Vorrat anlegen wollten, verdarb es. Das ist ein Bild für den Segen, der die Welt durchströmt: Die Welt ist reich, es ist genug für alle da, aber wenn du versuchst, den Segen an dich zu reißen und auf Vorrat zu speichern, dann verdirbt er. Wer mit Lebensmitteln spekuliert, sorgt für Hunger.

Jesus verspricht: Wer die Versuchung des Habenwollens und Beutemachens zurückweist, der bekommt Anteil an dem verborgenen Manna in dieser Welt, Anteil an dem verborgenen Segen, den man nicht zu Geld machen kann und der nur da bleibt, wo man schenkt und teilt. Es gibt eine verborgene Ökonomie Gottes, die nicht nach der Logik des Kapitals funktioniert. Aber wer im Raubmodus durch die Welt trampelt, wird das nie verstehen.

Und statt sexueller Ausbeutung verspricht Jesus einen weißen Stein, auf dem ein verborgener Name steht. Kaputte Sexualität ist immer der Versuch, sich Zugang zum Geheimnis eines Menschen zu verschaffen und unbefugt die Macht bis in das Innerste eines Menschen zu tragen. Dagegen schenkt Jesus hier Menschen ein Geheimnis, das nur dem jeweiligen Menschen gehört: seinen geheimen Namen. Unser Schöpfer kennt uns durch und durch, aber er ist nicht übergriffig.

Wer also der imperialen Versuchung im Großen und im Kleinen widersteht, der bekommt Zugang zu den verborgenen Segensquellen der Schöpfung und eine geistlichen Intimität mit Jesus, in der wir uns selbst erst voll erkennen. Da erfahren wir, wer wir wirklich sind und was unsere wahre Bestimmung ist: unser verborgener Name.

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