Читать книгу Visionen gegen die Monster - Walter Faerber - Страница 8
Оглавление3 Back to the roots! (2,1-7)
Mit diesem Abschnitt beginnen die sieben »Sendschreiben« der Offenbarung: sieben Briefe an sieben Gemeinden in Kleinasien. Johannes kennt diese Gemeinden, wahrscheinlich hat er dort gewirkt. Das Merkwürdige ist, dass ihm in dieser Vision von Jesus aufgetragen wird, nicht direkt an die Gemeinden zu schreiben; er soll an ihren »Engel« schreiben.
Der »Engel« der Gemeinde
Vermutlich ist die Vorstellung dahinter: Der Engel ist der gute Geist der Gemeinde, ihr »spirit«, er ist in jeder Gemeinde der Anwalt Jesu und seines Weges, er steht auch in aller Verwirrung und Abirrung für die göttliche Berufung der Gemeinde. Er verkörpert ihre verheißungsvolle Seite.
In der Offenbarung schauen wir tiefer und sollen die Kräfte verstehen, die im Hintergrund wirken. Später werden wir den Mächten im Hintergrund des Weltgeschehens begegnen; hier geht es zunächst einmal um die unsichtbare Seite der Gemeinden, ihren kollektiven Repräsentanten, den »Engel«.
Dieser Engel ist nicht Gott, er ist nicht allwissend, er ist nicht gefeit gegen Fehler, sondern er muss auf die Spur gebracht und an seine Aufgaben erinnert werden. Er hat Anteil an unseren Begrenzungen und Defiziten, aber er ist das hoffnungsvolle Potential jeder Gemeinde.
Und nun kommt die erste Botschaft an den Engel der Gemeinde von Ephesus. Die Gemeinde ist von Paulus gegründet worden, an sie hat er den Epheserbrief geschrieben. Und zuerst wird die Gemeinde gelobt, dass sie eine klare Urteilskraft bewiesen hat, als umherziehende Verkündiger versuchten, sich dort einzunisten, sogenannte »Apostel«, die die junge Bewegung unter Kontrolle bringen wollten, großspurige Alphatypen, die nicht Diener der Gemeinde sein wollten wie Paulus, sondern die ihr gewaltiges Ego raushängten und sich bedienen ließen.
Das passiert bis heute vielen jungen Bewegungen, dass sofort Trittbrettfahrer aufspringen und versuchen, die lebendige Energie des Aufbruchs für sich zu nutzen. Im christlichen Milieu arbeiten sie oft mit prophetischen Eingebungen, die ihnen Autorität verschaffen sollen, oder sie sind fürchterlich fromm und nutzen den Eifer und die Hingabebereitschaft der engagierten Gläubigen aus.
Aber in Ephesus hat das nicht geklappt.Die Gemeinde hat sich nicht beeindrucken lassen. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass Paulus sie bei seinem letzten Besuch noch vor dieser Gefahr gewarnt hat. Im 20. Kapitel der Apostelgeschichte legt er den Leitern der Gemeinde dringend ans Herz: Wenn ich hier weg bin, werden reißende Wölfe kommen, die über eure Gemeinde herfallen. Darum seid wachsam und schützt die Gemeinde davor!
Das hat offenbar gewirkt. Die Epheser waren tatsächlich wachsam und sind nicht auf die Apostel mit dem gewaltigen Ego hereingefallen. Später kamen die Nikolaiten, wahrscheinlich eine frühe christliche Verirrung, über die man heute nur noch Vermutungen anstellen kann, und versuchten ebenfalls, sich in der Gemeinde einzunisten. Auch da haben die Epheser Urteilskraft und einen klaren Kopf bewahrt. So weit, so gut.
Aber anscheinend hatte dieser richtige Abwehrkampf gegen falsche Christen eine problematische Konsequenz: Die Christen von Ephesus wurden misstrauisch. Wenn man dauernd darauf achten muss, nicht ausgenutzt zu werden und nicht auf falsche Fährten gelockt zu werden, dann traut man irgendwann keinem mehr. Die selbstverständliche Solidarität, die die Stärke so einer jungen Bewegung ist, die schrumpft nach und nach. Gastfreundschaft war eine Schlüsselkompetenz der jungen Christenheit. Wenn du aber ein paar Mal erlebt hast, wie deine Gastfreundschaft missbraucht wird, dann schaust du zweimal hin, wen du dir ins Haus holst.
Und deswegen ist die Botschaft Jesu nach Ephesus: Finde wieder zurück zur ersten Liebe, zu dem selbstverständlichen Zusammenhalt, der die junge christliche Bewegung damals so attraktiv gemacht hat. Diese Selbstverständlichkeit, mit der man andere Christen in sein heiliges Wohnzimmer lässt; dieses feste Vertrauen, dass man sich dabei keine Sorge machen muss, weder um das Tafelsilber noch um den Ehepartner; diese tiefe Verbundenheit mit anderen Christen, die man noch gar nicht lange kennt; die Bereitschaft, großzügig mit anderen zu teilen, wenn es um die Sache Jesu geht: All das sind Kennzeichen einer lebendigen christlichen Gemeinschaft. Ja, es besteht immer die Gefahr, dass das ausgenutzt wird, aber die viel größere Gefahr ist, dass diese Hingabebereitschaft verschwindet und sich stattdessen Misstrauen und Kälte ausbreiten.
Jesus macht den Engel der Gemeinde darauf aufmerksam, was die Gemeinde verloren hat, während sie den – richtigen – Abwehrkampf gegen die falschen Christen führte. Und jetzt ist es Zeit, sich an den Ursprung zu erinnern und wieder an die ursprüngliche Liebe anzuknüpfen. Sie wird dann noch tiefer und klarer werden als am Anfang, weil sie jetzt nämlich auch die Erfahrungen aus der Kampfzeit in sich aufgenommen hat.
Nach der Pubertät
Es ist ja kein Zufall, dass solche pseudochristlichen Blender sich besonders in ganz jungen christlichen Bewegungen tummeln. Da sind alle noch unsicher. Da gibt es viel Begeisterung, aber wenig reife Führungspersonen. Das ist so ein bisschen wie die Pubertät einer Gemeinde: der jugendliche Überschwang, wo man denkt: Was kostet die Welt? Nur der Himmel ist die Grenze! Und dann muss man erst lernen, dass es Fußangeln und Fallen gibt, von denen man vorher nichts ahnte. Und leider bleiben dabei junge christliche Bewegungen manchmal auf der Strecke.
Aber wenn man durch diese Sturm-und-Drang-Zeit hindurch ist und es dann noch schafft, sich die Energie und Begeisterung der Jugend in verwandelter Form zu bewahren, dann ist etwas Großes geschehen. Dann hat man eine wichtige Klippe überwunden.
Und deshalb beendet Jesus die Botschaft nach Ephesus mit einem Satz, in dem es ums Überwinden geht: Wer siegreich aus diesem Kampf hervorgeht, der darf vom Baum des Lebens essen, der im Paradies steht. Wenn ihr es geschafft habt, ein klares Urteil zu entwickeln, ohne dadurch in ständiges Misstrauen abzurutschen, dann seid ihr im Paradies angekommen. Dann lebt ihr in einer Liebe und Urteilskraft, die sich ein Außenstehender gar nicht vorstellen kann. Die Trittbrettfahrer aller Art durchschaut ihr sofort, ihre Sprüche und ihr Stil beeindrucken euch nicht mehr, aber mitten in einer Gesellschaft voll aufgeblähter Egos kennt ihr die Solidarität im Volk Gottes, die die richtige Nahrung für unser Herz und unser Leben ist.