Читать книгу Sammelband 6 Krimis: Die Konkurrenten und andere Krimis für Strand und Ferien - Walter G. Pfaus - Страница 20

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Milo und ich parkten vor einem einfachen Brownstone-Bau in der West 10th Street. Lee Trentons Adresse lag im vierten Stock.

Das Haus war gepflegt, verfügte aber über keinerlei besonderen Luxus und auch nicht über besondere Sicherheitstechnik. Die Mieten waren in dieser Gegend aber auf Grund der zentralen Lage trotzdem gepfeffert.

Wir klingelten nicht bei Trenton, sondern bei einem der anderen Mieter, der uns hereinließ, nachdem wir uns mündlich als FBI-Agenten vorgestellt hatten.

Mit dem Lift ging es dann hinauf in den vierten Stock.

Wenig später standen wir vor Trentons Tür. Aus der Wohnung waren Geräusche zu hören.

„Das hört sich an, als würde dort jemand einen Umzug beginnen!“, meinte Milo und drückte auf die Klingel.

Die Geräusche verstummten.

Nichts geschah. Wir postierten uns rechts und links der Tür, die Hand an der Dienstwaffe.

„Mister Trenton, hier spricht das FBI! Bitte machen Sie die Tür auf! Wir müssen dringend mit Ihnen sprechen!“

Im nächsten Moment folgten fünf kurz hintereinander abgegebene Schüsse. Die großkalibrigen Projektile stanzten daumengroße Löcher in die Tür.

Anschließend waren auf der anderen Seite schnelle Schritte zu hören.

Ich schnellte vor, zog die Dienstwaffe vom Typ SIG Sauer P226 und stürmte los.

Zwei Schritte weit kam ich.

Dicke, blassgrüne Schwaden zogen mir entgegen, die die Augen tränen ließen.

Der Nebel war so dicht, das kaum etwas sehen konnte.

Nur eine schattenhafte Gestalt. Ein Mündungsfeuer blitzte durch den Nebel hindurch.

Kein Schussgeräusch.

Die Kugel zischte dicht an mir vorbei. Ich feuerte zurück ins Nichts hinein. Das Geräusch einer zerspringenden Fensterscheibe war zu hören.

Dann war die Gestalt verschwunden.

Ich kämpfte mich durch den beißenden Nebel und presste mir dabei mein Taschentuch vor die Nase.

Ein paar Schritte vor mir lag dir Leiche einer jungen Frau.

„Zurück, Jesse!“, rief Milo – und er hatte Recht.

Ich taumelte zurück zur Tür und hustete erbärmlich. Brechreiz machte sich bemerkbar. Wer diese Wolke durchquerte, war anschießend kampfunfähig.

Milo klingelte inzwischen an der Tür der Nachbarwohnung und klopfte heftig gegen die Tür. „FBI! Machen Sie die Tür auf!“

Ich erholte mich unterdessen einigermaßen.

Ein Mann von Mitte vierzig öffnete die Tür der Nachbarwohnung.

„Was wollen Sie?“

„Gehen Sie zur Seite!“, forderte Milo und hielt ihm seinen Dienstausweis unter die Nase. „Wir müssen durch Ihre Wohnung.“

„Aber...“

„Gibt auf Ihrer Seite des Hauses Feuerleitern?“

„Ja.“

„Dachte ich mir!“

Milo stürmte voran. Ich schnellte hinterher. Der Wohnungsbesitzer, an dessen Tür der Name ‚Mark Leslie Nelson’ stand, sah uns verdutzt hinterher.

Mit schnellen Schritten war Milo durch das Ein-Zimmer-Apartment geeilt und hatte die Balkontür erreicht. Ich war ihm dicht auf den Fersen. Milo öffnete die Tür und wir traten ins Freie.

Aus Trentons Wohnung quollen blassgrüne Tränengasschwaden.

„Das ist aber ein anderes Zeug, als unsere Kollegen von der City Police verwenden“, meinte Milo.

„Aber mindestens genauso wirksam!“, gab ich zurück und versuchte den Drang zu unterdrücken, mir die Augen zu reiben.

Ich ließ den Blick schweifen.

Eine Feuerleiter war von Trentons Balkon aus gut zu erreichen.

Über sie war der Täter vermutlich geflüchtet.

Vor uns lag ein Hinterhof, der von mehrstöckigen Gebäuden umgeben war. Offenbar sollte der gesamte Komplex gründlich saniert werden. Das Gebäude auf der Rechten war eine entkernte Ruine ohne Fenster. Offenbar wurde das Haus gerade abrissfertig gemacht. Auf der Linken war bereits ein acht Stockwerke hoher Rohbau zu sehen, der zeigte, wie sich die Eigentümer die Zukunft vorstellten.

Die Arbeiten ruhten zurzeit. Wie ich später erfuhr, gab es Unstimmigkeiten über die Zahlung einiger Zwischenrechnungen.

Der Asphalt auf dem Mittelplatz war von feinem Zementstaub bedeckt. Der Wind wehte ihn aus dem Neubau, sodass eine feine Schicht davon auch die Baumaschinen und den Kran der Abrissbirne bedeckte.

Frische Fußspuren fanden sich dort – gleich im Anschluss an das Ende der Feuertreppe.

Leider verloren sie sich bereits nach wenigen Schritten.

Milo telefonierte mit unserem Field Office an der Federal Plaza. Ich überkletterte inzwischen die Balkonbrüstung und machte einen Satz, sodass ich auf dem nächsten Absatz der Feuertreppe landete.

„Warte, Jesse!“, rief Milo.

Aber ich dachte gar nicht daran.

Der Kerl, den ich gesehen hatte, konnte sich schließlich nicht in Luft auflösen. Die Einfahrt zum Hinterhof war mit einem drei Meter hohen Zaun aus Stahlgitter gesperrt. Dass der ‚Schatten’ es innerhalb der kurzen Zeit geschafft hatte, diesen Zaun zu überklettern schien mir sehr unwahrscheinlich.

Vielleicht hatte er versucht, über das Abbruchhaus oder den Rohbau zu entkommen.

Es war anzunehmen, dass die jeweiligen Baustellen ebenfalls zur Straßenseite stark gesichert waren. Schon deshalb, weil es keine Baufirma und kein Bauherr riskieren konnte, unter Umständen millionenschwere Schmerzensgelder zahlen zu müssen, wenn sich dort irgendein Passant verletzte.

Vielleicht steckte der ‚Schatten’ also noch ganz in der Nähe, verbarg sich einfach irgendwo und hoffte darauf, dass wir ihn bereits aufgegeben hatten.

Ich rannte mit Riesenschritten die Feuertreppe hinunter.

In den Augen brannte es immer noch höllisch und ich hatte gleichzeitig ein Gefühl, als wollte mir jemand die oberen Atemwege ohne Betäubung aus dem Leib reißen. Aber ich biss die Zähne zusammen.

Unten angekommen verharrte ich für einen kurzen Moment neben einem übervollen Müllcontainer. Dort hatte ich zumindest etwas Deckung.

Die Spur verlor sich, zeigte aber für meinen Geschmack eindeutig in Richtung des Abbruchhauses. Ich beobachtete sorgfältig die Fenster, achtete dort auf jede Bewegung, jede Kleinigkeit...

Aber da schien niemand zu sein.

Mit der SIG in beiden Händen stürmte ich voran. Einige Meter ohne Deckung musste ich überwinden, ehe ich einen etwa zwei Meter fünfzig hohen Schuttcontainer erreichen konnte.

Kurz bevor ich die Deckung erreichte, tanzte der feine, kaum sichtbare Strahl einer Laserzielerfassung durch die Luft und brach sich im aufgewirbeltem Staub.

Ich wartete nicht, bis mein Gegner mich perfekt im Visier hatte.

Stattdessen hechtete ich mich zu Boden, und rollte um die eigene Achse über den Boden.

Der ‚Schatten’ entschloss sich eine Sekunde zu spät zum Schuss. Die kurz nacheinander abgefeuerten Kugeln krachten in den Asphalt und stanzten dort Löcher hinein, deren Tiefe der Länge eines Zeigefingers entsprach.

Im nächsten Moment hatte ich den Schutz des Schuttcontainers erreicht. Ein Projektil kratzte pfeifend über der oberen Metallkante.

Milo feuerte unterdessen von einem der Absätze der Feuertreppe aus auf das Fenster, wo sich der ‚Schatten’ verborgen hielt.

Inzwischen waren in der Ferne bereits die Sirenen der City Police und des Fire Service zu hören, die Milo ebenfalls alarmiert hatte.

Ich tauchte aus der Deckung hervor, richtete die Waffe empor und hielt sie auf das Fenster, aus dem auf mich geschossen worden war.

Aber der Schütze hatte sich von dort offenbar inzwischen zurückgezogen.

Ich rannte in geduckter Haltung auf das Haus zu. Milo gab mir dabei von seiner Position aus Feuerschutz.

Wenige Augenblicke später erreichte ich die Wand und schwang mich dann im Erdgeschoss durch ein Fenster ins Innere. Mit der SIG im Anschlag schlich ich voran und versuchte, keinen Laut zu verursachen.

Ich ging davon aus, dass Milo inzwischen die in Kürze eintreffenden Einheiten der City Police so instruierte, dass sie damit begannen, den gesamten Block komplett abzusperren.

Ich arbeitete mich vorsichtig voran.

Aus dem Inneren des Hauses war buchstäblich alles herausgerissen worden, was sich noch irgendwie verwenden ließ. Es gab weder Fenster noch Heizkörper. Das Dämmmaterial der Wände hing hier und da noch in Fetzen herunter. In den Schächten für die Lifte hingen nicht einmal mehr die Stahlseile, deren Aufgabe es war, die Kabinen zu tragen.

Ich durchquerte das Erdgeschoss. Durch die offenen Fenster blickte man auf eine Verblendung aus Wellblechelementen, die das Gelände zur Straße abschirmte.

Ich erreichte schließlich eine Treppe, die in den zweiten Stock führte.

Von oben hörte ich ein Geräusch und erstarrte.

Mir wurde schlagartig klar, dass sich mein Gegner in einem der oberen Stockwerke aufhalten musste. Wegen der hohen, so gut wie unüberwindbaren Wellblechverblendung, hatte er nur von dort überhaupt eine Chance, das Haus auf der zur Straße liegenden Seite wieder zu verlassen.

Also begann ich, die Treppe empor zu schleichen.

Es gelang mir beinahe lautlos.

Nachdem ich mich in den ersten Stock hochgearbeitet hatte, hörte ich ein paar Geräusche, schätzungsweise zwanzig Meter von mir entfernt. Mir war klar, dass er gerade irgendwie versuchte, die Straße zu erreichen.

Ich rannte los.

Dann stoppte ich.

Ein Wasserschlauch fiel mit auf.

Er war stramm gespannt. Durch eines der offenen Fenster im zweiten Stock führte er hinaus zur Straße. Der Killer hatte den Schlauch offenbar dazu benutzt, um sich vom Fenster aus über die Wellblechelemente hinweg abzuseilen.

Als ich das Fenster erreichte, fand ich meine Vermutung bestätigt.

Ich ließ den Blick über die Passanten schweifen, die hier her gingen. Jeder von ihnen hätte es sein können! Einsatzkräfte der City Police kamen gerade mit mehreren Fahrzeugen an. Sie schwärmten aus und schickten sich an, den Block zu sichern.

Ihr Einsatzeifer änderte nichts daran, dass sie zu spät waren, um den Täter noch aufzuhalten.

Ich atmete tief durch und steckte die Dienstwaffe wieder zurück ins Gürtelholster.

Schritte ließen mich herumfahren.

Milo kam im Laufschritt auf mich zu.

Ich deutete auf den Schlauch. „Ein ganz schön cleverer Bursche, mit dem wir es da zu tun haben.“

Milo atmete tief durch.

„Ich hoffe, dass wenigstens dieser Marenkov endlich etwas mehr Klarheit in die Sache bringen kann!“

Dem konnte ich nur beipflichten. „Es scheint fast so, als hätte dieser Zweig des organisierten Verbrechens über so viele Jahre hinweg existiert, dass ihm niemand wirklich gefährlich werden kann!“

„Und das hat sich seit den Ereignissen um die Eremitage offenbar geändert“, ergänzte Milo. „Jetzt versucht jeder rücksichtslos seine eigenen Claims zu halten und möglichst viel von den ergaunerten Millionen noch mit auf die eigene Seite zu schaffen.“

„Milo, ich gebe es ungern zu, aber bislang haben wir noch nicht einmal einen Ansatzpunkt, um an jene ominösen grauen Eminenzen heranzukommen, die hier in New York die Kunstmafia offenbar wie ein Marionettentheater aufziehen!“

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