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Alfred Bekker

DIE KONKURRENTEN


Olmayer hatte bereits selbst an die Möglichkeit gedacht, daß er unter Umständen an Verfolgungswahn litt, sie dann aber rasch und energisch bei Seite geschoben....

Aber so furchtbar dieser Verdacht auch war, der in ihm nagte und ihn einfach nicht loslassen wollte: Nun schienen die Tatsachen eine Sprache von grausamer Eindeutigkeit zu sprechen. Nein, für Olmayer gab es keinen Zweifel mehr. Aus dem Verdacht war für ihn Gewißheit geworden.

*


OLMAYER ZEIGTE DEM Polizisten das abgesägte Geländer. "Hier, sehen Sie! Das war kein Unfall! Um ein Haar wäre ich dort hinuntergestürzt!"

Der Polizist warf einen kurzen Blick hinab in die Tiefe, der offenbarte, daß er nicht schwindelfrei war. Nachdem der Uniformierte dann den Blick kurz über die weiträumigen Industrieanlagen hatte schweifen lassen, wandte er sich wieder an den immer noch erregten Olmayer und fragte, so ruhig es eben ging: "Sagen Sie, seit wann leiten Sie dieses Werk hier?"

"Seit vier Monaten etwa!" kam die zornige Erwiderung. "Hören Sie mir eigentlich gar nicht zu? Ich habe Ihnen das doch alles längst erzählt!

Außerdem - was hat das hiermit zu tun?" Und dabei deutete er auf das Geländer.

"Ich schätze, Ihr Job bringt 'ne Menge Streß mit sich, nicht wahr?" Der Beamte legte Olmayer eine Hand auf die Schulter. "Ich will damit nur sagen, daß das alles vielleicht etwas zuviel für Sie war.

Vielleicht..."

"Was?"

"So etwas ist durchaus keine Schande, Herr Olmayer. Bitte, Sie sollten das, was ich gerade gesagt habe, um Himmels Willen nicht falsch verstehen..."

"Sie meinen, daß ich verrückt bin, nicht wahr? So ist es doch!"

"Aber, Herr Olmayrer, ich bitte Sie..."

"Sie denken, ich hätte mir das alles nur eingebildet! Sie glauben, ich würde unter Verfolgungswahn leiden!"

Der Polizist sah Olmayer mit ernstem Gesicht an.

"Offen gestanden sieht es mir wirklich danach aus. Diese Serie von angeblich mysteriösen Unfällen, die Sie mir geschildert haben und hinter denen einige Ihrer Kollegen stecken sollen..."

Olmayer wurde von ohnmächtiger Wut geschüttelt.

Dieser selbstgefällige uniformierte hatte nicht die Absicht, ihm zu helfen und sorgfältige Ermittlungen durchzuführen. Zum Teufel mit dieser Ignorantenseele!

"Schauen Sie, Sie müssen doch selbst zugeben, daß das alles sehr fantastisch ist, was Sie mir da erzählt haben: Ich habe mit Ihren Kollegen gesprochen und kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß jemand darunter ist, der Ihnen nach dem Leben trachtet." Er schüttelte entschieden den Kopf. "Natürlich gibt es innerhalb einer Betriebshierarchie schon einmal Uneinigkeiten und Rivalitäten. Aber wegen solcher Sachen begeht doch niemand einen Mord!" Er faßte sich bedeutungsvoll an die Mütze. "Ich habe zwanzig Jahre Praxis mit solchen Dingen. Sie sollten mir glauben, Herr Olmayer."

"Dann erklären Sie mir doch bitte endlich dies hier!" Olmayer deutete wieder auf das zersägte Geländer. "Sehen Sie nicht, daß es vorsätzlich zersägt wurde?"

"Ich weiß natürlich nicht, wer das getan hat.

Aber ich weiß eins: Von einem zersägten Geländer kann man noch nicht ohne weiteres auf einen Mordversuch schließen."

Sie stiegen die Treppe hinunter. Unten wartete ein weiterer Beamte im Streifenwagen.

"Also, auf Wiedersehen, Herr Olmayer. Wenn Sie gegen irgend jemanden Anklage erheben wollen...", der Polizist konnte sich einironisches Lächeln nicht verkneifen, "...dann wissen Sie wohl sicher den formellen Weg!"

Er stieg zu seinem Kollegen in den Wagen. Als die Beamten davongebraust waren, bemerkte Olmayer etwas abseits drei Gestalten, die leise miteinander flüsterten. Deutlich sah man die Anspannung und den Mißmut in ihren Gesichtern. Als Olmayer sie sah, verhärteten sich auch seine Züge, seine Körperhaltung verkrampfte sichtlich und ja, vielleicht war da auch so etwas wie Furcht. Da waren sie also: Benrath, Larsen und Galring.

Die drei waren von Anfang an gegen Olmayer gewesen - gleich, als er das Werk zum erstenmal betreten hatte, hatte er das deutlich gespürt.

Ursprünglich war ihr Verhältnis untereinander wohl eher von Rivalität geprägt gewesen, aber ihr Buhlen um die Beförderung hatte jäh aufgehört, als man ihnen unerwarteterweise einen Fremden - Olmayer - vor die Nase setzte, anstatt einen von ihnen für die Leitung des Werkes auszuwählen.

Sie taten alles, um Olmayers Autorität zu untergraben und ihm Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Jedes Mittel schien ihnen recht zu sein, um den mißliebigen Vorgesetzten loszuwerden.

Natürlich würden sie, sobald dieses Ziel erreicht wäre, wieder wie Hyänen gegenseitig übereinander herfallen.

"Guten Tag, Herr Olmayer!" sagte Benrath. Die anderen nickten ihrem Vorgesetzten zu, ohne sich jedoch die Mühe zu machen, die von ihnen empfundene Abneigung auf irgendeine Art und Weise zu kaschieren. Olmayer grüßte zurück, ohne richtig zu ihnen hinzuschauen.

"Warum war die Polizei da?" erkundigte sich Galring, als Olmayer sich anschickte, an den dreien vorbeizugehen. Olmayer hielt an. Er hörte das Quentchen Unsicherheit in der Frage des anderen mit sichtlicher Genugtuung. "Ich wüßte nicht, weshalb ich Ihnen das erzählen sollte", brummte er und ließ den Frager stehen.

*


AM NÄCHSTEN TAG GESCHAH etwas sehr seltsames:

Benrath erschien in Olmayers Büro, sichtlich nervös, aber ohne den sonst stets vorhandenen abschätzigen Gesichtsausdruck. Er war freundlich - ja, fast zu freundlich! - und unterbreitete seinem Vorgesetzten ein überraschendes Angebot.

"Schauen Sie, Herr Olmayer, wir hatten in der Vergangenheit einige, nun ja, sagen wir mal menschliche Schwierigkeiten miteinander. Es lief nicht alles so, wie es unter Kollegen hätte laufen sollen..."

"Allerdings! Da haben Sie recht! Sie, Galring und Larsen haben mir ständig nur Schwierigkeiten gemacht, anstatt mich unterstützen, wie es Ihre Pflicht gewesen wäre!" Olmayer beugte sich Benrath entgegen. "Ich habe es bisher noch niemandem gesagt, um nicht Unruhe unter der Belegschaft zu stiften, aber es gibt in der Zentrale große Schwierigkeiten! Wenn wir uns nicht sehr ins Zeug legen, kann es sein, daß man sich dafür entscheidet, dieses Zweigwerk zu schließen!"

Und bei sich dachte Olmayer: Ich bin zum Erfolg verurteilt. Wenn ich es nicht schaffe, den Laden in Schwung zu bringen, wird man mir so schnell keine Werksleitung mehr anbieten...

Aber welche Chance hatte er, solange er drei erbitterte Feinde in seiner unmittelbaren Umgebung hatte, die Sabotage betrieben und ihn sogar umzubringen versucht hatten - anstatt ihn unterstützen? Olmayer kniff die Augen zusammen.

"Ich hoffe, Sie wissen jetzt, worum es geht!"

Benrath nickte ehrlich betroffen.

"Davon hatte ich keine Ahnung!" sagte er leise.

Als Olmayer dann wieder das Wort ergreifen wollte, kam ihm der andere jedoch zuvor und bot ihm die Versöhnung an.

"Ich habe mit Larsen und Galring gesprochen. Sie waren mit mir einer Meinung, daß diese Fehde ein Ende haben muß! Kommen Sie doch heute Abend zu mir nach Hause! Da können wir dann bei einer Flasche Wein den Frieden begehen!"

*


ALS OLMAYER AM ABEND mit einer Flasche Wein unter dem Arm bei Benraths eintraf, warteten die anderen bereits auf ihn. Die Gläser waren gefüllt und auf dem Tisch stand eine Platte mit belegten Broten.

"Ah, Olmayer! Schön, daß Sie doch noch den Weg zu uns gefunden haben", sagte Galring.

"Entschuldigung", erwiderte Olmayer. "Ich bin etwas spät dran, nicht wahr? Er stellte die mitgebrachte Flasche auf den Tisch.

"Stoßen wir also an!"

"Ja, trinken wir!"

Olmayer blickte zunächst mißtrauisch in sein Glas.

"Nicht Ihre Sorte?" fragte Benrath, der bereits ausgetrunken hatte. Dann lächelte er und fügte hinzu: Natürlich werden wir gleich auch aus ihrer Flasche probieren."

Olmayer trank und brach eine Sekunde später zusammen, während sich die anderen noch einmal zuprosteten. Larsen beugte sich anschließend über den reglosen Olmayer, hob ihn hoch und setzte ihn in einen Sessel.

"Hey, das war nicht abgemacht!" wandte er sich plötzlich kreidebleich an Benrath.

"Was ist denn los?"

"Wir wollten ihn einschüchtern, aber nicht umbringen!"

"Ist er tot?" fragte Galring unnötigerweise.

Larsens Blick war noch immer starr auf Benrath gerichtet.

"Du warst es, der das Zeug zusammengemixt hat, das unseren Freund ins Reich der Träume versetzen sollte!"

Benrath konnte nur mit den Schultern zucken. "Ich muß wohl was in sein Glas geschüttet haben. Anders kann ich mir das nicht erklären. Ein Unfall..."

Larsen erhob sich wütend und packte Benrath bei den Schultern.

"Was hast du getan!"

"Hör auf!" fuhr Galring dazwischen. "Wir sollten uns besser darum kümmern, wo wir mit Olmayer bleiben."

Larsen griff nach der Weinflasche auf dem Tisch, öffnete sie und schüttete sich etwas ein. "Ich brauche jetzt erst einmal einen Schluck. Ihr auch?"

Benrath nickte. "Ja..."

"Mir auch etwas!" murmelte Galring matt.

Sie kippten den Wein hastig hinunter und schenkten sich gegenseitig nach.

"Wir dürfen jetzt nicht die Nerven verlieren!" meinte Galring sachlich. "Das ist jetzt das Allerwichtigste."

"Mir ist auf einmal so schlecht!" brummte Larsen.

Er sank auf das Sofa und hielt sich den Leib. Das Weinglas entfiel seinen Händen und zersplitterte auf dem glatten Holzparkett. Galrings Gesicht begann, sich zu verfärben, er krümmte sich.

"Sag' mal, woher kommt eigentlich der Wein?" fragte er. "Ist das nicht die Flasche, die Olmayer mitgebracht hat?"

Plötzlich, kurz bevor auch ihm übel wurde, begriff Benrath. "Da muß etwas drin gewesen sein!

Olmayer wollte uns vergiften!" keuchte er völlig unnützerweise, denn Galring und Larsen waren bereits tot.

ENDE

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