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1.2 Die fünf Kommunikationsregeln

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Regeln als Richtschnur und Analyseraster

Watzlawick hat fünf Regeln menschlicher Kommunikation aufgestellt. Diese Regeln können Ihnen als Richtschnur für Ihre Gesprächsführung dienen. Auch als „Analyseraster“ sind sie nützlich, um Probleme bzw. Störungen zu erkennen bzw. zu vermeiden.

Regel Nr. 1:Es ist unmöglich, nicht zu kommunizieren

Für Watzlawick ist jegliches Verhalten bzw. Handeln Kommunizieren. Aber auch Nichthandeln hat für ihn Mitteilungscharakter. Darum ist es unmöglich, nicht zu kommunizieren.

Immer wenn Menschen in einer Situation sind, sich sehen, unterhalten oder sonstwie aufeinander beziehen (Face-to-Face-Situation), können sie es nicht vermeiden, zu kommunizieren.

Beispiel

Beispiel: Kommunikation trotz Schweigens

Ein Mitarbeiter gibt in einer Sitzung eine falsche Einschätzung über einen Kunden ab. Sein Vorgesetzter reagiert nicht, um ihn nicht zu kränken. Dieses Nichtreagieren des Vorgesetzten ist jedoch für den Mitarbeiter sehr wohl eine Reaktion, die er möglicherweise so interpretiert: „Warum sagt er nichts? War etwas falsch? Was war falsch? Was ist mit mir?“

Auch das Verhalten kommuniziert

Selbst wenn sie nicht miteinander sprechen oder sich voneinander abwenden bzw. sich den Rücken zukehren, beinhaltet dieses Verhalten eine Information. Ein Gesprächspartner teilt dann beispielsweise mit, dass er nicht kommunizieren möchte oder dass er von dem anderen nichts wissen will.

Alles, was ein anderer sagt oder nicht sagt, hat einen Bedeutungsinhalt.

Als Mensch ordnen Sie jedes Verhalten Ihrer Gesprächspartner ein oder interpretieren es auf Ihre Art.

Zwei Ebenen der Mitteilung

Regel Nr. 2: Jede Kommunikation hat einen Inhaltsund einen Beziehungsaspekt

Jede Mitteilung, die Sie (Sender) an einen anderen Menschen (Empfänger) richten, hat einen Inhalt. Zugleich enthält Ihre Mitteilung jedoch noch eine weitere, über den Inhalt hinausgehende Information. Diese bezieht sich auf die Beziehung zum Kommunikationspartner (siehe Abbildung).

Inhalts- und Beziehungsebene


Beispiel

Beispiel: Inhalts- und Beziehungsaspekt

Während der Mittagspause im Büro schaut Kollegin A auf die Halskette von Kollegin B und fragt: „Sind das wirklich echte Perlen?“

Verschiedene Möglichkeiten des Verständnisses

Je nach Hintergrund und Verhältnis der beiden Gesprächspartnerinnen zueinander kann diese Frage sowohl zweideutig gemeint sein als auch zweideutig verstanden werden. Einerseits beinhaltet sie die Bitte um Informationen. Aber gleichzeitig offenbart die Fragerin auch ihre positive oder negative Beziehung zur Gesprächspartnerin. Durch die Art und Weise, wie Kollegin A fragt – insbesondere in diesem Fall durch Ton und Stärke der Stimme, Gesichtsausdruck und Körperhaltung –, drückt sie entweder Bewunderung, Ironie, Neid oder Freundlichkeit aus.

Die Inhaltsebene liefert Informationen zur Sache, während die Beziehungsebene Informationen über das persönliche Verhältnis der Gesprächspartner bietet.

Beziehung steht über Inhalt

Solange die Beziehung positiv oder zumindest neutral ist, bleibt die Inhaltsebene quasi „frei“, das heißt, Mitteilungen können ungehindert zum anderen durchdringen. Fühlt sich aber mindestens einer der Gesprächspartner unwohl (beispielsweise durch Angst, Nervosität, Neid, Eifersucht etc.), dann wird die Beziehung wichtiger als der Inhalt. Der Beziehungsaspekt ist somit dem Inhaltsaspekt übergeordnet und bestimmt das Verständnis.

Missverständnisse durch gestörte Beziehungen

Eine Störung auf der Beziehungsebene kann eintreten, wenn einer der Partner die Beziehungsinformation des anderen nicht akzeptiert oder sich dagegen auflehnt. In solchen Situationen häufen sich Missverständnisse und Fehlinterpretationen. Umgangsprachlich bekommt einer der Partner etwas „in den falschen Hals“. Der Inhalt einer Mitteilung wird vom Empfänger aufgrund seiner Sichtweise der Beziehung anders eingeordnet oder wird wegen der gestörten Beziehung erst gar nicht akzeptiert. Bekannt ist das Beispiel aus der Politik, bei dem eine Partei einen inhaltlich guten Vorschlag macht, der aber nicht akzeptiert wird, weil er von der „falschen“ Partei kommt. Um wirkungsvoll zu kommunizieren, müssten beide Kommunikationsebenen miteinander übereinstimmen. Mit anderen Worten: Kommunikation gelingt, wenn die Informationen und das Verhältnis der Gesprächspartner zueinander kongruent sind.

Regel Nr. 3: Die Interpunktion der Ereignisfolge definiert die Beziehung

Eigener Anfangspunkt

Jeder Partner setzt für den Beginn eines Kommunikationsablaufs einen eigenen Anfangspunkt (=Interpunktion). Jede Kommunikation enthält auf diese Weise entsprechend der Sichtweise der Partner eine bestimmte Struktur. Bei Streitigkeiten kann das bedeuten, dass jeder Partner seinen eigenen Ausgangspunkt setzt und dem anderen vorwirft, er habe angefangen. In einem solchen Fall sehen beide Kommunikationspartner im Verhalten des anderen jeweils die Ursache des eigenen Verhaltens.

Beispiel

Beispiel: Unterschiedliche Sicht der Ereignisfolge

Mitarbeiter A und B sind zerstritten. Sie haben sich deswegen beim Vorgesetzten zu einem Gespräch eingefunden. A beschwert sich über B, weil sich dieser vor seinen Aufgaben drückt und A diese noch zusätzlich bearbeiten muss. B wehrt sich mit dem Argument, ständig der Nörgelei und Schikane seines Kollegen A ausgesetzt zu sein. Er könne aus diesem Grund seine Arbeiten nicht erledigen.

Jeder der beiden macht den von ihm erkannten Anfangspunkt für den Beginn der Auseinandersetzung geltend. Der Kommunikationsspezialist hingegen wird schnell erkennen, dass jede Handlung auf einer vorausgehenden beruht und weitere auslöst (siehe Abbildung auf der nächsten Seite).

Kommunikation hat keinen Anfang und kein Ende. Sie verläuft kreisförmig.

Eigene Struktur

Durch die Interpunktion der Partner erhält die Kommunikation eine subjektive Struktur (in dem Sinne, dass der andere angefangen hat), die objektiv nicht gegeben ist. Jede Partei interpretiert das eigene Verhalten nur als Reaktion, nicht aber als Ursache für das Verhalten der anderen Seite. Im genannten Beispiel sind beide Kollegen unfähig, ihr eigenes Verhalten als Voraussetzung für das Verhalten des anderen zu begreifen. Sie sind nicht in der Lage, über die Art und Weise ihrer Kommunikation miteinander zu sprechen (Metakommunikation) und so die Interpunktion der Ereignisfolge zu verändern.

Interpunktion der Ereignisfolge


Regel Nr. 4: Kommunikation kann digital oder analog erfolgen

Digital und analog

Die zwischenmenschliche Kommunikation erfolgt in digitaler (= genau bezeichenbarer) oder analoger (= ähnlicher) Form.

Digitale Information

Wenn der Inhalt Ihrer Mitteilung in Zeichen verschlüsselt wird (Buchstaben, Wörter, Zahlen) und deren gegenständliche und/oder begriffliche Bedeutung eindeutig ist, spricht man von digitaler Information. Sie und Ihre Kommunikationspartner wissen, wie diese Zeichen zu entschlüsseln sind, weil zwischen Ihnen eine gemeinsame, durch die Erziehung vermittelte Grundlage besteht. So hat das Wort Haus im deutschsprachigen Raum eine klare Bedeutung – zumindest in dem Sinne, dass es sich hierbei um keine Pflanze handelt.

Analoge Information

Analog ist die Kommunikation dann, wenn Informationen in Zeichen oder Symbolen verschlüsselt werden, die nur eine ungefähre oder indirekte Deutung erlauben. Das ist beispielsweise bei der nonverbalen Kommunikation (Mimik, Gebärde, Blick) und bei paraverbaler Kommunikation (Tonfall, Sprachstil) der Fall. Hier fehlt häufig eine klare Regelung, wie diese Zeichen zu entschlüsseln sind. Sie sind auf unterschiedliche Art interpretierbar.

Beispiel

Beispiel: Sprache hilft, Gesten zu deuten

Ein Lächeln drückt einen zugrunde liegenden Gefühlszustand nur ungefähr aus, ist also analog. Das Lächeln kann beispielsweise Sympathie, Zufriedenheit, Sicherheit, aber auch Verachtung bedeuten. Wird der Gefühlszustand ergänzend in Sprache ausgedrückt (digital), beispielsweise mit dem Satz „Ich freue mich“, so können Sie die parallel ablaufende analoge Kommunikation (Lächeln) als Zufriedenheit oder Sympathie deuten.

Beziehungsaspekt: analog, Inhaltsaspekt: digital

Beziehungsaspekte (vgl. Regel 2) drücken sich meist über die analoge Kommunikation aus; Inhaltsaspekte dagegen über die digitale Kommunikation. Weil die analoge Kommunikation weniger eindeutig ist als die digitale, entstehen gerade im Beziehungsbereich Unsicherheiten. Daher ist es zweckmäßig, Ihrem Gesprächspartner häufiger eine direkte, digitale, eindeutige Rückmeldung zu geben.

Beispiel

Beispiel: Rückmeldung verbalisieren

Der Vorgesetzte lächelt nach einem Vortrag seines Mitarbeiters. Der Mitarbeiter weiß jedoch nicht, ob das Lächeln Akzeptanz oder Verachtung ausdrückt. Erst durch eine direkte Rückmeldung kann der Vorgesetzte seinem Mitarbeiter deutlich machen, wie sein Lächeln zu verstehen ist.

Regel Nr. 5: Kommunikation verläuft entweder symmetrisch oder komplementär

Gleich oder unterschiedlich?

Der Verlauf einer Kommunikation hängt davon ab, ob die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Gesprächspartner auf Gleichheit oder auf Unterschiedlichkeit beruht.

Symmetrische Beziehung


Ist die Beziehung symmetrisch, gehen beide Kommunikationspartner von einem gleichrangigen Verhältnis zueinander aus oder versuchen zumindest, die Rangunterschiede zu verringern.

Beispiel:

Ein Akademiker unterhält sich mit einem anderen Akademiker. Sie reden „auf der gleichen Wellenlänge“ und respektieren sich mit Blick auf ihren sozialen Status. Das kann sich in einem spiegelbildlichen Verhalten ausdrücken.

Komplementäre Beziehung


Im Falle der komplementären Kommunikation stehen die Verhaltensweisen der Kommunikationspartner in einem Ergänzungsverhältnis. Das wird deutlich, wenn beispielsweise ein Vorgesetzter viel redet, während der Mitarbeiter schweigt.

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