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3.1 Die vier Seiten einer Nachricht
ОглавлениеZwischen Menschen kommt es immer wieder zu Konflikten – sei es im Arbeitsleben oder privat. Es wird aneinander vorbeigeredet, Diskussionen führen zu Missverständnissen oder enden ergebnislos.
Das Vier-Seiten-Modell
Schulz von Thuns Untersuchungen zu den Ursachen kommunikativer Konflikte mündeten in seinem Entwurf des Vier-Seiten-Modells der Kommunikation. Dieses Modell basiert auf der Annahme, dass jede Nachricht aus vier Botschaftsarten besteht, die vom Sender – bewusst oder unbewusst – ausgesendet werden.
Jede Nachricht besteht aus vier Arten von Botschaften:
1. Sachbotschaft
2. Selbstoffenbarungsbotschaft
3. Beziehungsbotschaft
4. Appell
Ziel des Modells
Ziel dieses Vier-Seiten-Modells ist es,
■ psychologisch bedeutsame Vorgänge eines Gespräches aufzuzeigen,
■ gefährliche „Gesprächsklippen“ zu veranschaulichen,
■ förderliche Gesprächshaltungen anzubieten und
■ wichtige Gesprächstechniken in ihrem Zusammenspiel einsichtig zu machen.
Sachinhalt
Zunächst enthält jede Nachricht eine Sachinformation. Ein Sachverhalt wird dargestellt, indem beispielsweise Fakten benannt werden oder ein Problem angesprochen wird. Dabei vermittelt der Sender etwas über das Aussehen oder den Zustand einer Sache aus seiner Sicht.
Klar formulieren
Damit Ihre Sachbotschaft gemäß Ihrer Absichten ankommt, sollten Sie die Aussage einfach aufbauen. Versuchen Sie, verschachtelte Sätze zu vermeiden, und drücken Sie sich klar und verständlich aus.
Das „Innere“ des Senders
Selbstoffenbarung
In jeder Nachricht stecken nicht nur Informationen über eine Sache, sondern auch Hinweise zur Person des Senders. Es geht dabei um das, was in seinem Inneren vorgeht.
Hierbei spielt es eine Rolle, inwieweit der Sender sich in seiner Botschaft „selbst offenbart“, das heißt, wie viel er von sich, beispielsweise von seinen Gefühlen, preisgibt.
Beispiel
Beispiel: Selbstoffenbarungsbotschaft
Ein Vorgesetzter bittet einen jungen Mitarbeiter darum, ihn bei einem Kundenbesuch zu begleiten.
Antwortmöglichkeit 1 des Mitarbeiters: „Einen Kundenbesuch? Ich habe so viel Arbeit auf meinem Schreibtisch liegen. Dass schaffe ich zeitlich nicht.“
Antwortmöglichkeit 2 des Mitarbeiters: „Einen Kundenbesuch? Ich habe noch nie einen Kunden besucht. Ich weiß gar nicht, wie ich mich da verhalten soll, denn ich bin Techniker und kein Verkäufer.“
Unsicherheit anvertrauen
Bei der zweiten Antwortmöglichkeit vertraut der junge Mitarbeiter seine Unsicherheit bzw. Bedenken seinem Vorgesetzten an, das heißt, er geht aus sich heraus und spricht offen über seine Unsicherheit.
Unsicherheit verschweigen
Bei der ersten Antwortmöglichkeit könnte man vermuten, dass es dem jungen Mitarbeiter unangenehm ist, seine Unsicherheit gegenüber dem Vorgesetzten zuzugeben. Er verschweigt seine Schwierigkeiten, denn seine Aussage könnte von seinem Vorgesetzten unter dem Gesichtspunkt „Was sagt mir das über dich?“ gedeutet werden. Aus diesem Grund gibt der Mitarbeiter seine Unsicherheit nicht selbstoffenbarend zu, sondern versucht, sie zu verdecken.
Verdeckungstechniken
Mögliche Verdeckungstechniken der Selbstoffenbarung sind Imponier-, Fassaden- und Verkleinerungstechnik.
Imponiertechnik
Bei der Imponiertechnik versucht der Sprecher, sich möglichst von seiner besten Seite zu zeigen. Er spielt sich auf oder beweihräuchert sich selbst, um die eigene Hochwertigkeit und Kompetenz herauszustreichen.
Fassadentechnik
Unter den Begriff Fassadentechnik fallen jene Verhaltensweisen, die darauf abzielen, negativ empfundene Anteile der eigenen Person zu verbergen. Beispielsweise versuchen manche, Ruhe auszustrahlen, obwohl sie Angst haben, sich angegriffen oder gekränkt fühlen.
Verkleinerungstechnik
Bei der Verkleinerungstechnik untertreibt der Sender seine Bedeutung, um den Empfänger zu ermutigen, diese Untertreibungen in positiver Weise zu korrigieren („Fishing for compliments“).
Beziehungsinhalt
Am Beziehungsanteil einer Nachricht wird deutlich, wie der Sender sein Verhältnis zum Empfänger einschätzt. Die in einer Botschaft enthaltenen Beziehungsaspekte spiegeln sich oft auch in der Art der Formulierung oder im Tonfall wider. Es wird erkennbar, ob der Gesprächspartner den Empfänger als gleichberechtigten Partner betrachtet oder ihn vielleicht als ihm unter- oder übergeordnet einstuft.
Beispiel
Beispiel: Beziehungsbotschaft
Es findet eine wichtige Verhandlung zwischen einem Geschäftsführer, seinem Vertriebsleiter sowie einem potenziellen Neukunden statt. Der Geschäftsführer eröffnet das Gespräch.
Aussage 1: „Meine Herren, ich habe Ihnen ein interessantes Angebot mitgebracht. Unser Vertriebsleiter wird es Ihnen kurz präsentieren. Fragen beantworte ich dann anschließend selbstverständlich selbst."
Aussage 2: „Meine Herren, wir haben Ihnen ein interessantes Angebot mitgebracht. Mein Vertriebsleiter wird es Ihnen präsentieren. Er steht Ihnen anschließend für alle Fragen gern zur Verfügung.“
Beziehungsanteile berühren das Selbstwertgefühl
Die zweite Aussage zeugt von Respekt und macht im Vergleich zur ersten die Wertschätzung des Geschäftsführers für seinen Vertriebsleiter deutlich. Beziehungsbotschaften werden auf der Gefühlsebene wahrgenommen und berühren das Selbstwertgefühl. Die Geringschätzung und Bevormundung bei der ersten Aussage kann daher zu Konflikten führen.
Die Kombination der beiden Merkmale „Wertschätzung“ und „Bevormundung“ ergibt das Verhaltenskreuz. Die möglichen Verhaltensweisen des Senders bzw. Vorgesetzten lassen sich in vier Quadranten dieses Verhaltenskreuzes eintragen:
Verhaltenskreuz
Die vier Quadranten
■ Quadrant 1 stellt eine Führungskraft dar, die in ihrer Art zu kommunizieren dem anderen Wertschätzung entgegenbringt, sich gleichzeitig aber lenkend, bevormundend und kontrollierend verhält.
■ Quadrant 2 zeigt jemanden, der seinen Mitarbeiter als vollwertigen Partner behandelt, ohne ihn zu bevormunden und durch dauernde Vorschriften einzuengen.
■ Quadrant 3 ist ein Vorgesetzter, der den anderen missachtet und seine Abneigung ausdrückt, jedoch kaum lenkt, kontrolliert und bevormundet. In diesem „Laisser-faire“ drückt sich ein „Mach, was du willst“ aus.
■ Quadrant 4 verkörpert einen Chef, der stark dominiert, sich einengend verhält und den Mitarbeiter geringschätzig behandelt.
Diese Ausführungen veranschaulichen das Problem des Vorgesetzten, seine Aussage auf der Beziehungsebene so zu formulieren, dass sie das gewünschte Ergebnis bringt, ohne bevormundend oder geringschätzig zu klingen. Das Verhalten von Führungskräften des zweiten Quadranten wird dem gerecht.
Ergänzende Informationen zum Beziehungsaspekt einer Nachricht finden Sie im Kapitel A1.2 dieses Buches.
Appell
Der vierte Bestandteil einer Nachricht ist der Appell. Mit ihm möchte der Sender beim Empfänger eine gewünschte Wirkung erzielen, das heißt, er versucht, den Empfänger zu beeinflussen, bestimmte Dinge zu tun oder zu unterlassen, zu fühlen oder zu denken.
Beispiel
Beispiel: Appell
Ein Mitarbeiter soll dafür gewonnen werden, an einem Samstag anlässlich einer Sonderschicht zu arbeiten.
Möglichkeit 1: „Sie kommen am Samstag. Der Betriebsrat hat dieser Sonderschicht zugestimmt. Bitte seien Sie pünktlich.“
Möglichkeit 2: „Ihre Mithilfe am Samstag ist wichtig.Wir müssen alle mit anpacken, um diesen Kunden zu befriedigen. Ich kann doch mit Ihnen rechnen?“
Der zweite Appell wird beim Mitarbeiter eher auf Verständnis stoßen als der erste.
Einflussnahme: offen und versteckt
Die Einflussnahme kann beim Appell offen oder versteckt erfolgen. Offenkundig sind explizite Appelle, wie beispielsweise Befehle, Anleitungen, Ge- oder Verbote. Die versteckte Einflussnahme ähnelt eher der Manipulation. Ein Beispiel dafür ist zweckdienliches Weinen. Versteckte Appelle sind einseitig und tendenziös. Sie zielen beim Empfänger auf eine bestimmte Wirkung, zum Beispiel auf Hilfsbereitschaft oder auf Mitleidsgefühle.
Nicht nur Appelle, sondern auch Botschaften auf der Beziehungsseite können von dem Ziel bestimmt sein, den anderen „bei Laune zu halten“ – etwa durch unterwürfiges Verhalten oder durch Komplimente.
Wenn Sach-, Selbstoffenbarungs- und Beziehungsbotschaften zweckbestimmt bzw. appellorientiert kommuniziert werden, dann sind sie letztendlich nur ein unpersönliches Mittel zur Zielerreichung.