Читать книгу »Wir kriegen euch alle!« Braune Spur durchs Frankenland - Werner Rosenzweig - Страница 21
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ОглавлениеDoris Kunstmann hatte Gewissheit: Ihr Gesicht war tränenverschmiert, ihr Herz litt unter Liebesschmerz, und auch der Schmerz der Eifersucht war kaum noch zu ertragen, und … in ihr brodelte eine unbändige Wut. Das türkische Luder hatte ihrem Walter tatsächlich die Augen verdreht. Walter, der Depp, war auf ihren wohlgeformten Arsch und zwei kleine Titten hereingefallen. Das sah ihm ähnlich. Was wollte er denn mit einer siebzehnjährigen Muslimin? Da hatten doch sicherlich die Eltern noch ihre Hände auf der Unschuld. Es geschah ihm recht, diesem Hitzkopf. Na, der konnte sich was von ihr anhören. Sie würde ihm die Leviten schon lesen. Und dieser widerlichen Türken-Nutte würde sie auch noch ein paar nette Worte mitzuteilen haben. In ihrer ersten Wut überlegte sie, wie sie den beiden einen ordentlichen Denkzettel verpassen konnte. Hatte dieses türkische Miststück nicht einen Freund? Natürlich, diesen Kümmeltürken aus Erlangen. Sie hatte die beiden schon mal Händchen haltend im Cine Star gesehen. Das war erst sechs Wochen her. Ein kräftiger, muskulöser Typ. Mit einer gewaltigen Türkennase im Gesicht. Irgendwie sah der brutal aus. Sie erinnerte sich. Er hatte sie so geil angesehen, als sie damals an den beiden vorbeischlenderte – als ob er sie mit Blicken ausziehen wollte. Ein ekliger Kerl, mit glänzender Pomade im Haar. Nicht ihre Kragenweite. Igitt, wenn sie sich vorstellte, dass sie etwas mit dem haben müsste, dass er sie anfassen würde, mit seinen dreckigen Fingernägeln. Nein, nie und nimmer. Doris Kunstmann standen die feinen Härchen auf ihren Unterarmen zu Berge. Was der Typ wohl sagen würde, wenn er erfuhr, dass ihm seine Freundin abhanden gekommen war, oder wusste er gar schon Bescheid? Auf Walter würde er bestimmt nicht gut zu sprechen sein. Die zogen doch immer gleich das Messer, diese Türken. Dieser, … Mensch, wie hieß er doch gleich wieder? Ihr fiel der Name nicht ein. Irgendetwas mit Müsli. Müslim? Der gehörte bestimmt auch zu dieser Sorte der Messerstecher. Sie würde Norbert Amon noch einmal befragen, der wusste zwar immer alles, aber man musste ihm sein Wissen erst regelrecht aus der Nase ziehen. Ein netter Kerl, aber ein maulfauler Typ. Als sie ihr Mobiltelefon zur Hand nahm, kam ihr noch eine andere Idee. Sie drückte auf die Funktion »Nachrichten« und wählte Walter Fuchs‘ Handynummer. Dann huschten ihre Finger über die kleine Tastatur: Walter, Du bist ein Aas. Du bist auch nicht besser als all die anderen versoffenen Typen. Ich sage Dir, Deine Untreue kotzt mich an. Ich kann nicht glauben, was ich erfahren habe. Ich hatte an Dich geglaubt. Felsenfest. Umso mehr hast Du mich enttäuscht. Was willst Du denn von dieser türkischen Hure? Was hat die, was ich Dir nicht geben kann? Erklär es mir! Hat sie einen festeren Arsch? Größere Titten bestimmt nicht! Ich hasse Dich! Ich scheiß auf Dich! Wenn Du mir über den Weg läufst, reiß ich Dir Deinen Arsch auf, das kann ich Dir sagen. Du hast mich beleidigt, gedemütigt und bloßgestellt. Lächerlich hast Du mich gemacht, vor allen Leuten. Ich wünsche Dir und Deiner Kanaille die Pest an den Hals. Trete mir nicht mehr unter die Augen! Ich will Dich nicht mehr sehen. Du wirst sehen, ich werde dafür sorgen, dass ihr beide euren Denkzettel abbekommt. Lass Dich überraschen, Du Wichser. Ich hasse Dich für alles. Doris. Sie drückte das Tastenfeld »Senden«. Danach fühlte sie sich zwar nicht besser, aber dennoch etwas erleichtert.
*
Kunigunde Holzmann und Margarethe Bauer, die beiden Röttenbacher Busenfreundinnen, saßen bei der Kunni im Wohnzimmer. Vor ihnen auf dem Couchtisch standen eine gut gefüllte Kanne mit frisch gebrühtem Kaffee, eine Kuchenplatte mit drei Schichten Streusel-Zwetschgenkuchen, eine Glasschale mit frisch geschlagener Sahne, ein Porzellankännchen mit Bärenmarke-Kondensmilch und, inmitten von Kuchentellern, Tassen und Besteck, ein Plastikspender mit Süßstoff-Tabletten. »Wegen der Kalorien«, wie Kunni Holzmann anmerkte. »Essn wir eine Kleinigkeit. Hau rein, Retta.«
Margarethe Bauer sah auf das Ziffernblatt der hohen Standuhr. »Wird heut net der Bergdoktor wiederholt?«, wollte sie von Kunni wissen, während sie ein Stück Zwetschgenkuchen auf ihren Kuchenteller schaufelte und aus der Glasschale zwei turmhohe Sahnehäubchen oben drauf klatschte.
»Weiß net, schalt halt den Fernseher ein«, antwortete die Kunni, während sie die beiden Kaffeetassen mit duftendem Kaffee füllte, jeweils zwei Süßstoff-Tabletten dazu gab und die dunkle Brühe kräftig umrührte. »Milch auch?«
»Freilich, ohne Milch schmeckt doch der Kaffee net.« Margarethe Bauer drückte auf der Fernbedienung des Fernsehers herum. Das Gerät knisterte und kurz darauf erschien eine Fernsehreporterin in Großaufnahme. Ihr Gesichtsausdruck wirkte wie versteinert. In der rechten Hand hielt sie einen aufgespannten, geblümten Regenschirm, in der linken ihr Mikrofon mit dem ZDF-Logo. Der Wind zerrte an ihrer dunklen Afro-Frisur und schaukelte den Regenschirm hin und her. »Is des net in Nermberch?«, warf die Retta ein.
»Hab ich mir a grad denkt«, bestätigte die Kunni zweifelnd.
»Was isn da scho widder passiert?«
»Ruhich, leise!«
»… seit einer knappen Stunde sind auch die staatlichen Ermittlungsbehörden vom Bundeskriminalamt und dem Verfassungsschutz am Ort der Verwüstung«, berichtete die Reporterin mit aufgeregter Stimme. »Im Hintergrund sehen sie das Türkische Generalkonsulat in Nürnberg oder besser gesagt das, was davon noch übrig geblieben ist. Heute Morgen, um Ortszeit neun Uhr eins, eine halbe Stunde nach Öffnung, explodierten unmittelbar vor dem Gebäude zwei Sprengsätze, welche über Funk gezündet wurden und sich in einem in Fürth gestohlenen VW Golf befanden. Soweit bekannt ist, fielen dem Anschlag zehn Menschen zum Opfer, sechs weitere liegen schwer verletzt in den Erlanger Kliniken und zahlreiche andere Personen wurden durch umherfliegende Splitter leicht verletzt. Hinter mir sieht es aus, wie nach einem Bombenangriff.« Die Kamera zoomte das schwer beschädigte Gebäude heran und schwenkte Sekunden später wieder auf die zerzauste Berichterstatterin zurück. »Das Türkische Generalkonsulat sowie die nebenstehenden Gebäude sind schwer beschädigt. Wer für den schrecklichen Anschlag verantwortlich ist, ist bis dato noch nicht bekannt. Ein Bekennerschreiben gibt es, soweit uns bisherige Informationen vorliegen, nicht. Von der Polizei und der zuständigen Staatsanwaltschaft unbestätigt hält sich allerdings ein hartnäckiges Gerücht, demzufolge hinter dem verabscheuungswürdigen Terrorakt vermutlich eine palästinensische Großfamilie stecken könnte, die in Berlin beheimatet sein soll. Die Gerüchte besagen, dass Teile dieser Familie Mitglieder der Organisierten Kriminalität sind und dass die Motive des schrecklichen Bombenanschlags möglicherweise im Bereich eines persönlichen Rachefeldzuges liegen könnten, welcher einem getöteten Mitarbeiter des Konsulats gegolten haben soll. Warum bei dem Anschlag allerdings weitere neun unschuldige Menschen ihr Leben lassen mussten, nun, diese Frage ist im Moment noch völlig ungeklärt. Die Polizei vor Ort hat für heute um dreiundzwanzig Uhr eine Pressekonferenz anberaumt. Viele Fragen bleiben im Moment noch offen. Wir berichten weiter. Bleiben Sie dran. Und nun schalten wir zurück ins Studio Mainz. Es folgt die Wiederholung der Sendung Die Fischers Froni und der Jägers Toni, aus unserer Serie Der Bergdoktor.«
»Glaubst du das mit der palästinensischen Großfamilie?«, wollte die Kunni, sichtlich erschüttert, wissen und schob sich ein Stück Kuchen in den Mund.
»Könnt scho sein«, antwortete die Retta, »das sind doch sowieso alles Schlaggn und Gauner, die Palästinenser. Wie die scho ausschaua! Mit ihre Bärt und stiere Blick. Zum Fürchtn. Da brauch ich mich doch bloß an den Arafat zu erinnern, mit seinem komischen Kopftuch und den kleinen, listigen Schweinsaugen. Von denen kannst du doch keinem net traun. Das sind doch alle Gangster und Verbrecher.«
»Aber die bringen doch keine zehn Leut net um, die mit ihnen gar nix zu tun ham. Mirnixdirnix. Am helllichten Tag noch dazu. Also ich glaub des net. Wenns die NSU noch geben tät, dann tät ich sagn, da stecken die dahinter.«
»Meinst du?«, zweifelte Margarethe Bauer und griff sich ihr zweites Stück Kuchen. »Hast du noch an Kaffee? Ist das die Milde Sorte vo Tchibo? Hast ganz schön stark gmacht. Hoffentlich kann ich heut Nacht schlafen.«