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1.3 Plastizitätstheorie 1.3.1 Einführung und Historie

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Die Ermittlung von Schnittgrößen in Tragwerken und der daraus resultierenden Spannungen basiert auch heute noch fast ausschließlich auf der Elastizitätstheorie und auf den darauf aufbauenden baustatischen Verfahren, welche Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt wurden. Dies ist so, obwohl es in der Realität den bei der elastischen Berechnung vorausgesetzten Spannungsnullzustand nicht gibt, da die Tragelemente bei allen Konstruktionswerkstoffen herstellungsbedingte Eigenspannungen aufweisen. Bei Bauteilen aus Holz oder Holzwerkstoffen entstehen diese Eigenspannungen vor allem durch Quellen und Schwinden sowie durch die äußeren Kräfte, die bei der Herstellung von überhöhten oder gekrümmten Brettschichtholzträgern aufgebracht werden.

Erste Ansätze zur direkten Traglastberechnung gibt es seit Anfang des 20. Jahrhunderts, worüber Kurrer (2002) anschaulich und detailreich berichtet. Aus diesen ersten Ansätzen entwickelte sich die Plastizitätstheorie mit den beiden Grenzwertsätzen.

Der kinematische Grenzwertsatz definiert die Belastung eines Tragsystems, welches die Gleichgewichtsbedingungen und die geometrischen Randbedingungen mit einem kinematisch zulässigen Bewegungszustand erfüllt, als oberen Grenzwert der Traglast. Folgende Randbedingungen sind dabei zu beachten:

 Die Fließbedingung darf verletzt werden.

 Ein kinematisch zulässiger Bewegungszustand (Mechanismus) weist einen Freiheitsgrad auf.

 Widerstand und Bewegung des Bewegungszustands müssen dem Fließgesetz entsprechen.

Der statische Grenzwertsatz definiert die Belastung eines Tragsystems, welches die Gleichgewichtsbedingungen und die statischen Randbedingungen erfüllt, ohne die Fließbedingungen zu verletzen, als unteren Grenzwert der Traglast. Folgendes ist zu beachten:

 Kinematische Verträglichkeitsbedingungen dürfen verletzt werden.

 Für alle Lasten wird eine proportionale Laststeigerung vorausgesetzt, d. h., es sind gegebenenfalls alle Lastkombinationen einzeln zu untersuchen.

 Die Verformungsfähigkeit plastischer Zonen (Fließgelenke oder Fließflächen) muss gegeben sein.

Bei der aus dem Stahlbau bekannten Fließgelenktheorie werden die beiden Grenzwertsätze zusammengeführt, indem sowohl die Fließbedingung als auch die kinematische Verträglichkeit überprüft werden. Eine entscheidende Voraussetzung für die Anwendung plastischer Berechnungsverfahren ist die ausreichende Duktilität der entsprechenden Tragwerksbereiche. Dazu ist es erforderlich, dass die plastische Verschiebung oder Rotation ein Vielfaches der jeweils zugehörigen elastischen Verformung beträgt. Zusätzlich wird im Rahmen der sogenannten Kapazitätsbemessung sichergestellt, dass das Tragwerk außerhalb der plastischen Bereiche mit ausreichender Überfestigkeit bemessen wird, sodass an keiner Stelle ein vorzeitiges sprödes Versagen eintritt.

Obwohl Holz als Werkstoff mit sprödem Versagen gilt, wird auch im Holzbau auf die Plastizitätstheorie zurückgegriffen. Und zwar immer dann, wenn mit stiftförmigen Verbindungsmitteln aus Stahl duktile Anschlüsse realisierbar sind. Dies wird in den folgenden Abschnitten für den statischen und für den kinematischen Grenzwertsatz erläutert.

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