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1.5 Verschieblicher Verbund einer geklebten Verbindung
ОглавлениеIn ganz unterschiedlichen Situationen wird im Bauwesen der Verbund genutzt zwischen druckoder zugbeanspruchten Stäben und dem Material, in welches diese Stäbe eingebettet sind. Die Mantelreibung von Bohrpfählen, die Verbundfestigkeit von Bewehrungsstählen im Stahlbetonbau und die Auszugfestigkeit von stiftförmigen Verbindungsmitteln im Holzbau (siehe Abb. 1.15) sind beispielhafte Anwendungen, bei denen für den Verbund ideal-plastisches Verhalten über die gesamte Hüllfiäche der Kontaktfuge vorausgesetzt wird. Diese vereinfachende Annahme geht davon aus, dass über die gesamte Verbundlänge eine ausreichende Verformungsfähigkeit ohne Festigkeitsverlust gegeben ist. Das ist bei einer vergleichsweise spröden Verbund-Schlupf-Beziehung, wie sie bei einer Verklebung mit ausreichend festen Klebstoffen zu beobachten ist, nicht mehr der Fall. Als Folge des spröden Verbundverhaltens kann z. B. bei der Bestimmung der Auszugsfestigkeit von in Holz eingeklebten Gewindestangen beobachtet werden, dass die Kraft, welche verankert werden kann, ab einer gewissen Einklebelänge nicht mehr zunimmt.
Abb. 1.15 Beispiel für Verbundansätze mit plastischem Verhalten: (a) Bohrpfahl, (b) Bewehrungsstahl und (c) Vollgewindeschraube.
Ein vergleichbares Phänomen wurde bereits in den 1950er-Jahren von Volkersen (1953) im Zusammenhang mit Überlappungsstößen von genieteten Blechen beschrieben. Darauf aufbauend wurde von ihm eine Theorie des verschieblichen Verbunds entwickelt. Diese Theorie lässt sich sehr gut auf einen geklebten Verbund anwenden. Für das in Abb. 1.16 dargestellte differenzielle Stabelement lassen sich die Dehnungen, Spannungen und Normalkräfte für den eingeklebten Stab und das Holz angeben
(1.64)
(1.65)
(1.66)
mit den zugehörigen Dehnsteifigkeiten EA. Während in diesem Zusammenhang die Fläche des Stahlstabs eindeutig durch dessen Durchmesser vorgegeben ist, muss für das Holz ein Bezugsquerschnitt definiert werden. Dafür wird in der Literatur meist ebenfalls eine runde Fläche gewählt, deren Radius durch die minimalen seitlichen Abmessungen des Holzes begrenzt wird, in die der Stab eingeklebt wird.
Abb. 1.16 Eingeklebte Gewindestange mit verschieblichem Verbund: (a) Geometrie und (b) Spannungen am differenziellen Stabelement.
Die Gleichgewichtsbedingungen für die beiden Querschnittsteile lauten:
(1.67)
(1.68)
Das führt direkt zu:
(1.69)
(1.70)
Setzt man diese zwei Bedingungen in die zweite Ableitung der Relativverschiebung
(1.71)
(1.72)
(1.73)
ein, dann erhält man
(1.74)
Aufgrund der kleinen Verzerrungen gilt für die Schubspannung bei linear-elastischem Verhalten des Klebstoffs
Damit erhält man die Differenzialgleichung für den verschieblichen Verbund:
(1.76)
oder
(1.77)
(1.78)
Wählt man als Ansatzfunktion
Abb. 1.17 Eingeklebte Gewindestange mit verschieblichem Verbund: (a) Randbedingungen Zug-Zug und Zug-Druck und (b) Schubspannungsverlauf.
dann lassen sich für die in Abb. 1.17a dargestellten Fälle mit den zugehörigen Randbedingungen die beiden Konstanten A1 und A2 bestimmen; für den Zug-Zug-Körper
(1.80)
(1.81)
und für den Zug-Druck-Körper
(1.82)
(1.83)
Damit ist der Verlauf der Schubspannungen über die gesamte Länge der Klebefuge bekannt.
In Abb. 1.17b wurden Gln. (1.75)–(1.79) für unterschiedliche Randbedingungen ausgewertet. Es wird deutlich, dass der Spannungsverlauf ausgeprägt nichtlinear ist und dass ab einer gewissen Länge der Klebefuge die Spannungen sehr klein werden. Wie diese Zusammenhänge in gleichermaßen zuverlässige wie praxistaugliche Bemessungskonzepte überführt werden können, wird schon seit einiger Zeit kontrovers diskutiert (siehe Steiger et al. 2007 und Widmann et al. 2007). In den Abschn. 3.4 und 3.5 werden zu einigen wichtigen Anwendungen normative Regelungen für einen geklebten Verbund vorgestellt.