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1.6 Berechnung nach Theorie II. Ordnung

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Zur Ermittlung der Tragsicherheit stabilitätsgefährdeter Tragelemente und Tragsysteme kann im Holzbau das Ersatzstabverfahren angewandt werden. Bei diesem Verfahren werden mit den Beiwerten kc für Knicken und kcrit (früher km) für Kippen

Abb. 1.18 Berechnung nach Theorie I., II. und III. Ordnung – schematischer Vergleich.

Übergänge zwischen den von den Materialfestigkeiten abhängigen Querschnittstragfähigkeiten und den von Festigkeiten unabhängigen kritischen Knick- und Kipplasten definiert. Für Systeme, die aus mehreren Stäben zusammengesetzt sind, wurde das Ersatzstabverfahren mithilfe von angepassten Knicklängen anwendbar gemacht; ebenso für kippgefährdete Träger, bei denen unterschiedliche Auflagerbedingungen und Schnittgrößenverläufe in die Berechnung der Kipplängen eingehen. Diese Zusammenhänge wurden im Band 1, Abschn. 2.5 bereits erläutert.

Bei größeren – aus mehreren Stäben zusammengesetzten – Systemen wird die Ermittlung der Ersatzstablänge relativ aufwendig und teilweise auch sehr abstrakt. Gleichzeitig liefern auch einfache Stabwerksprogramme quasi ,,auf Knopfdruck“ Schnittgrößen nach Theorie II. Ordnung. Mit diesen am verformten System berechneten Schnittgrößen können Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit (GZT) direkt geführt werden. Abbildung 1.18 fasst die Unterschiede der Methoden nach Theorie I., II. und III. Ordnung schematisch zusammen. Bei der Berechnung nach Theorie III. Ordnung wird zusätzlich berücksichtigt, dass sich die Richtung der Einwirkungen durch die Verformungen des Systems ändert.

Zum Einstieg in die Berechnung von Schnittgrößen am verformten System muss eine Vorverformung definiert werden. Ohne Vorverformung sind die Schnittgrößen nach Theorie I. und II. Ordnung identisch. Reale Tragelemente sind normalerweise nicht perfekt und weisen deshalb – herstellungs- oder auch transportbedingt – Abweichungen von den vorgegebenen Systemlinien auf. Diese Abweichungen werden als Imperfektionen bezeichnet und sind in den Konstruktionsnormen festgelegt (siehe Abb. 1.20). Diese Imperfektionen könnten beim geometrischen Modell des Tragwerks direkt durch gekrümmte und schräg stehende Stäbe berücksichtigt werden. Einfacher und vom Ergebnis her gleichwertig ist es, wenn anstelle der Imperfektionen Ersatzkräfte in die Berechnung eingeführt werden. Abbildung 1.19 zeigt dieses Vorgehen am Beispiel eines beidseitig gelenkig gelagerten Druckstabs und schematisch für den kippgefährdeten Einfeldträger.

Mit der Vorgabe der Imperfektion bzw. der entsprechenden Ersatzlast liegt der Startwert für die iterative Berechnung der Schnittgrößen nach Theorie II. Ordnung fest. Für einfache System können die Schnittgrößen nach Theorie II. Ordnung ohne Weiteres von Hand ermittelt werden. Für den beidseitig gelenkig gelagerten Druckstab aus Abb. 1.19 lassen sich die Durchbiegungen schrittweise berechnen, indem der Verformung in Stabmitte immer wieder der zusätzliche Anteil aus dem Biegemoment des vorhergehenden Iterationsschrittes zugeschlagen wird.

Abb. 1.19 Ersatzkräfte für Imperfektionen: (a) Druckstab und (b) kippgefährdeter Träger.

Ausgangswerte

(1.84)

(1.85)

(1.86)

1. Iteration

(1.87)

(1.88)

2. Iteration

(1.89)

(1.90)

n. Iteration

(1.91)

mit

Für n→∞ ist dies eine geometrische Reihe und die Verformung in Stabmitte nach Theorie II. Ordnung liegt fest mit

(1.92)

Das zugehörige Biegemoment beträgt

(1.93)

Die kritische Last Fcrit wird erreicht, wenn M → ∞. Das ist der Fall, wenn a → 1:

(1.94)

Die kritische Last, also die Knicklast, lässt sich somit angeben zu:

(1.95)

Der Unterschied zur genauen Knicklast nach Euler beträgt weniger als 3 % und ist darauf zurückzuführen, dass anstelle einer sinusförmigen eine parabelförmige Verformungsfigur angenommen wurde.

Für die praktische Anwendung der Berechnungsverfahren nach Theorie II. Ordnung sind konkrete Werte für Imperfektionen in Abb. 1.20 angegeben. Bei Systemen mit mehreren Stäben sind Imperfektionen – in Analogie zu den äußeren Einwirkungen – immer in die Richtung anzusetzen, in der sie die Schnittgrößen vergrößern. Daraus kann schnell eine große Anzahl unübersichtlicher Imperfektionskombinationen werden, welche von einem kommerziellen Rechenprogramm zuverlässig beherrscht werden sollten.


Abb. 1.20 Imperfektionen: (a) Schiefstellung, (b) Vorkrümmung und (c) Überlagerung von Schiefstellung und Vorkrümmung.

Tab. 1.1. Verformungsmoduln für die Schnittgrößenermittlung nach Theorie II. Ordnung.


a) Zu berücksichtigen ist der KriechEinfluss bei druckbeanspruchten Bauteilen in der Nutzungsklasse 2 und wenn der Bemessungswert des quasiständigen Lastanteils größer als 70 % des Bemessungswertes der Gesamtlast ist.

Der Übergang von charakteristischen Werten zu Bemessungswerten der Tragfähigkeit könnte bei großen Schlankheiten umgesetzt werden, indem ein charakteristischer Wert der Knicklast

(1.96)

mit dem gewohnten Teilsicherheitsbeiwert γm zu einem Bemessungswert des Tragwiderstandes

(1.97)

wird.

Die Auswirkung von Kriechverformung auf die Schnittgrößen könnten berücksichtigt werden, indem man – wie bei der Verformungsberechnung – die Steifigkeit für den entsprechenden Lastanteil mit kdef abmindert.

Tabelle 1.1 fasst die aktuellen normativen Regelungen zusammen. Bei den Steifigkeiten dürfen demnach die durch γm abgeminderten Mittelwerte angesetzt werden, bei Verbindungen die mit γm abgeminderten Verschiebungsmoduln Ku.

Für den Spannungsnachweis kann die im Band 1, Abschn. 2.5.4 vorgestellte Interaktionsbedingung mit quadratischem Normalspannungsanteil verwendet werden.

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