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1.4 Berechnungsverfahren für zusammengesetzte Querschnitte – γ-Verfahren
ОглавлениеDie Wirkungsweise von zusammengesetzten Querschnitten wird in Abb. 1.10 für unterschiedliche Verbindungen der beiden Teilquerschnitte veranschaulicht; von der Tragwirkung der Einzelquerschnitte über den nachgiebigen zum starren Verbund. Es ist zu erkennen, dass das Ebenbleiben des Gesamtquerschnitts nur bei Bauteilen mit starrem Verbund gewährleistet ist. Bei Querschnitten mit nachgiebigem Verbund gilt die Bernoulli-Hypothese nicht, welche das Ebenbleiben der Querschnitte voraussetzt, und somit sind die Regeln der technischen Biegelehre auf diese Querschnitte nicht direkt anwendbar. Die Biegesteifigkeit von aufeinander gelegten Balken entspricht der Summe der Biegesteifigkeiten der Einzelquerschnitte, solange in der Kontaktfuge keine Schubkräfte übertragen werden.
Die Schnittgrößen nachgiebig miteinander verbundener Querschnitte können mit dem γ-Verfahren ermittelt werden. Dieses für die Handrechnung geeignete Verfahren wurde von Fritz Stüssi (1943) und Karl Möhler (1956) entwickelt. Es wurde für Einfeldträger mit gleichmäßigem Schubfluss und einer sinusförmigen Belastung hergeleitet, liefert aber auch für Einfeldträger unter Gleichstreckenlast eine ausreichend genaue Näherung. Von einem gleichmäßigen Schubfluss kann ausgegangen werden, wenn die Verbindungsmittel in einem vergleichsweise geringen Abstand angeordnet werden.
Abb. 1.10 Zusammenwirken von Querschnitten: (a) zwei Einzelquerschnitte ohne Verbund, (b) nachgiebiger Verbund und (c) starrer Verbund.
Abb. 1.11 Definition von Kräften und Verschiebungen im Bereich der Verbundfuge.
Vereinfacht werden die im Abstand s angeordneten Verbindungsmittel zu einer kontinuierlichen Schubübertragung und der zugehörigen Steifigkeit der Verbundfuge umgerechnet (siehe Abb. 1.11):
(1.39)
(1.40)
Der Zusammenhang zwischen der Relativverschiebung u der Querschnittsteile und der zugehörigen Kraft wird dann mit folgender Gleichung beschrieben:
mit
F ν | Scherkraft pro Verbindungsmittel, |
s | Abstand der Verbindungsmittel, |
ν | Schubkraft pro Längeneinheit, |
K | Steifigkeit pro Verbindungsmittel bei Scherbeanspruchung, |
k | Steifigkeit der Verbundfuge pro Längeneinheit, |
u | Relativverschiebung der Querschnitte in der Verbundfuge. |
Diese Angaben beziehen sich auf eine einreihige Anordnung der Verbindungsmittel. Werden mehrere Verbindungsmittel nebeneinander angeordnet, dann erhöht sich die Steifigkeit entsprechend.
Im Folgenden sollen anhand der Gleichgewichtsbedingungen für die Schnittgrößen mit den zugehörigen Spannungs-Dehnungs-Beziehungen die Differenzialgleichungen für einen aus zwei Teilen bestehenden zusammengesetzten Querschnitt aufgestellt werden. Dabei wird angenommen, dass für jeden Teilquerschnitt die Bernoulli-Hypothese gilt. Die Abmessungen der einzelnen Querschnitte sind über die Länge der Stabachse konstant.
Abb. 1.12 Verbundträger: (a) Seitenansicht im Auflagerbereich, (b) geometrische Größen und Schnittgrößen und (c) Definition der Relativverschiebung.
Die Relativverschiebung u der Querschnittsteile in der Höhe der Verbundfuge, wie sie in Abb. 1.12 definiert ist, ergibt sich zu
mit
u1, u2 | Längsverschiebungen der Querschnitte 1 und 2, |
w | Durchbiegung des Verbundträgers und der Teilquerschnitte, |
s | Abstand der Schwerpunkte der Teilquerschnitte, |
h1, h2, b1, b2 | Abmessungen der Teilquerschnitte, |
A1, A2, I1, I2 | Querschnittsfiächen und Flächenträgheitsmoment der Teilquerschnitte, |
E1, E2 | Elastizitätsmodul der Teilquerschnitte. |
Die Relativverschiebung u der einzelnen Querschnitte ist unabhängig von der Lage der Verbundfuge und wird nur durch den Abstand a der Schwerachsen der beiden Querschnitte beEinflusst. Die Schnittgrößen lassen sich auf Grundlage der Elastizitätsgesetze nach der Balkentheorie bestimmen.
Aus den Gleichgewichtsbedingungen in x- und z-Richtung ergibt sich für das in Abb. 1.12 dargestellte Element:
Einsetzen der Ableitung von Gln. (1.41)–(1.43) in Gln. (1.46) und (1.47) ergibt
(1.51)
(1.52)
Die Ableitung der Gln. (1.48) und (1.49) in Gl. (1.50) eingesetzt ergibt
(1.53)
und mit den Gln. (1.41), (1.42) und (1.44) folgt:
(1.54)
Für eine sinusförmige Linienlast (siehe Abb. 1.13)
(1.55)
ergeben sich mit
(1.56)
folgende Ansatzfunktionen für die Verformungen:
(1.58)
Abb. 1.13 Einfeldträger mit sinusförmiger Linienlast.
Abb. 1.14 Verlauf der Biege- und Schubspannungen am unterteilten Verbundquerschnitt.
Durch Einsetzen und Umformen lassen sich die drei Unbekannten w0, u10 und
(1.60)
(1.61)
(1.62)
Der Beiwert γ kann als Abminderung des Steiner-Anteils angesehen werden. Bei zwei schubstarr miteinander verbundenen Querschnitten erhält man γ = 1,0.
Durch Einsetzen der Ableitungen der Gln. (1.57)–(1.59) in Gln. (1.43)–(1.45) können nun die auf die Teilquerschnitte und in der Verbundfuge wirkenden Schnittgrößen bestimmt und daraus die Spannungsverteilung ermittelt werden (siehe Abb. 1.14). Wegen der unterschiedlichen Querschnittsbreiten bietet es sich an, anstelle von Schubspannungen den Schubfluss zu verwenden.
Dabei gilt für den Beiwert γ1:
(1.63)
Das γ-Verfahren wird in Abschn. 2.1.1 aufgegriffen und die Anwendung des Verfahrens wird dort erläutert.