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3.1.1 | Wahrnehmungsentwicklung

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Die einzelnen Sinnesmodalitäten entwickeln sich vor und nach der Geburt in unterschiedlichem Tempo. Das führt dazu, dass die Wahrnehmungskompetenzen des Fötus und danach des Neugeborenen je nach Beobachtungszeitpunkt modalitätsspezifisch unterschiedlich gut ausgebildet sind (Slater et al. 2007).

modalitätsspezifische Entwicklungstempi

Während der Geschmackssinn (olfaktorische Wahrnehmung) und der Tastsinn (taktile Wahrnehmung) bereits in der Plazenta gut stimuliert werden, was die Entwicklung vorantreibt, ist insbesondere der Sehsinn (visuelle Wahrnehmung) zum Zeitpunkt der Geburt noch wenig ausgebildet, was aufgrund der vorgeburtlich geringen Stimulation der Rezeptoren im Auge auch nicht weiter erstaunlich ist. Die durchschnittlichen Wahrnehmungskompetenzen von Neugeborenen und Säuglingen sind heute gut erforscht:

Schmecken und Riechen

Besonders gut ausgebildet sind bereits bei der Geburt der Geschmacks- und der Geruchssinn (z. B. Slater et al. 2007).

Tast- und Hautsinne

Berührungsreize sind bereits dem Fötus durch die Berührungen mit der Gebärmutterwand vertraut. Neugeborene reagieren auch auf Streicheln und auf Schmerzreize. Frühgeborene suchen tastend Halt im Inkubator (Brutkasten) und versuchen sich in einem Nestchen einzurichten.

Hören

Föten reagieren ab der 24. Woche auf auditive Stimulationen (z. B. auf Musik).

Die auditive Wahrnehmung verbessert sich auch noch nach der Geburt in den ersten Lebensmonaten weiter.

Komplexe Laute lösen deutlichere Reaktionen aus als physikalisch reine Töne, der bevorzugte Frequenzbereich (Tonhöhe) liegt auf demjenigen der menschlichen Stimme oder darüber.

Die Stimme der Mutter kann bereits nach der Geburt von anderen Stimmen unterschieden werden, vor allem wenn sie „gefiltert“ wird, sodass sie genauso wie im Mutterleib klingt (Hepper 2007).

Töne von der Seite führen im sehr wachen Zustand zu Kopfdrehungen und visuellem Suchen.

Sehen

Die Sehschärfe Neugeborener ist noch schwach und verbessert sich Sehen kontinuierlich im Verlauf der ersten Lebensmonate. Sie erreicht nach etwa 12 Monaten das optimale Niveau des Erwachsenen. Peripheres Sehen ist bei Neugeborenen noch kaum entwickelt.

Demgegenüber ist die Größenkonstanz vermutlich ab der Geburt entwickelt: Neugeborene können Objekte nach ihrer Größe unterscheiden, auch wenn diese so präsentiert werden, dass deren Abbild auf der Retina konstant bleibt (das größere Objekt wird in entsprechend größerer Entfernung gezeigt) (Slater et al. 2007).

Interesse an visuellen Stimuli: Bilder mit geringer Komplexität sind weniger interessant als solche mit hoher Komplexität. Bilder mit hoher Komplexität wiederum haben sich aber im Vergleich zu Gesichtern auf Fotos als weniger interessant erwiesen. Das größte Interesse zeigen Säuglinge eindeutig an „lebendigen“ Gesichtern.

Das Gesicht der Mutter wird schon wenige Stunden nach der Geburt länger betrachtet als das Gesicht einer unbekannten Frau, sofern dem Kind das Gesicht der Mutter vorgängig in Kombination mit deren Stimme präsentiert wurde (Sai 2005).

Säuglinge können ab der Geburt mit den Augen und dem Kopf einem Stimulus folgen, wenn er ihr Interesse gefunden hat.


Abb. 3.1 | Säuglinge erleben eine Vielfalt von Tast- und Berührungsreizen.


Abb. 3.2 | Das Baby nutzt schon sehr früh Bewegungshinweise, für deren Wahrnehmung die Sehschärfe weniger wichtig ist.

Tiefenwahrnehmung

Die entwicklungspsychologische Forschung hat sich intensiv mit der Frage beschäftigt, wie sich die Tiefenwahrnehmung entwickelt, und entdeckt, dass Kinder dafür bestimmte Hinweisreize nutzen:

Ab 1 Monat: Beim sogenannten Looming führt die (simulierte oder echte) Annäherung von Objekten zu einem größeren Abbild auf der Netzhaut. Das Baby reagiert darauf mit Abwehrbewegungen.

Erste Lebensmonate: Das Baby nutzt schon sehr früh kinetische Cues (Bewegungshinweise), für deren Wahrnehmung die Sehschärfe weniger wichtig ist.

Ab 3 Monaten: Aufgrund der Konvergenz der Augen und der Querdisparation nutzt das Kind binokulare Hinweise, unterschiedliche Abbilder verschmelzen dabei auf der Netzhaut zu einem Bild. Je näher ein Objekt ist, desto größer ist die Querdisparation.

Ab 6 Monaten: Verwendung statischer Distanzhinweise. Verdeckte Bilder erscheinen weiter hinten als unverdeckte (Yonas/Arterberry 1994).

Ab 7 Monaten: Das Wissen über die Größe eines Objekts beeinflusst die Distanzwahrnehmung. Große Objekte, die klein wirken, werden als weiter entfernt wahrgenommen (Granrud et al. 1985).

Entwicklungspsychologie

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