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3.4.1 | Emotionale Entwicklung

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Schon das Neugeborene kann verschiedene Emotionen ausdrücken (Lewis 2007): Es kann schreien, lächeln (anfänglich im Schlaf), zeigt Interesse (gegenüber neuartigen Stimuli), erschrickt und zeigt Ekel (gegenüber ungenießbaren Speisen).

primäre Emotionen

Ab dem 2. Monat ist im Gesicht des Säuglings die Emotion Ärger beobachtbar (wenn eine zielgerichtete Handlung des Säuglings unterbunden wird) und ab dem 3. Monat auch Freude und Trauer. Diese Emotionen bilden zusammen mit den sich erst ab dem 6. Monat entwickelnden Emotionen Furcht (z.B. Furcht vor fremden Personen) und Überraschung die primären Emotionen Interesse, Ekel, Freude, Ärger, Trauer, Furcht und Überraschung (Lewis 2007).

Funktionen der frühen Emotionen

Diese Emotionen erfüllen aber noch nicht die Funktion einer motivdienlichen Handlungsregulation. Vielmehr signalisieren sie den Bezugspersonen unspezifische Zustände, die diese motivdienlich zu beantworten haben (Holodynski 2006). Die meisten Eltern (oder andere primäre Bezugspersonen) reagieren auf den kindlichen Emotionsausdruck mit einer intuitiven „Didaktik“ (Papoušek/Papoušek 1987):

Sie reagieren angemessen und spiegeln den Emotionsausdruck (Herstellung von Kontingenzen zwischen Ausdruck und Erleben).

Sie verwenden prägnante Ausdrucksdisplays in Sprache, Gestik und Mimik (deutliche Aussprache, leicht überzeichnete Mimik etc.).

Je nach dem aktuellen Erregungszustand regen sie das Kind an oder beruhigen es.


Abb. 3.7 | Emotionsausdruck: Freude

Diese emotionsbezogenen Handlungen der Bezugspersonen ergänzen den Emotionsausdruck der Neugeborenen zu motivdienlichen Emotionssystemen (Holodynski 2006). Im Verlauf des ersten und zweiten Lebensjahres werden die emotionalen Signale des Kindes spezifischer und zielgerichteter und dadurch für die Bezugspersonen eindeutiger interpretierbar.


Abb. 3.8 | Emotionsausdruck: Weinen

Wahrnehmung der Gefühle anderer Personen

Der Säugling drückt nicht nur Emotionen aus, er nimmt auch die grundlegenden Emotionen der Bezugspersonen – wie Freude, Wut, Ärger – zunehmend differenzierter wahr.

joint attention

Ab dem 6.–9. Monat übernehmen Säuglinge vermehrt die Blickrichtung der Bezugsperson, mit der sie interagieren, blicken also an die gleiche Stelle wie diese. Der gemeinsame Aufmerksamkeitsfokus ist für die sozial-kognitive Entwicklung des Kindes von enormer Bedeutung, weil nun die (seitens der Eltern) gezielte Verständigung über Referenzobjekte möglich wird.

social referencing

Ab dem 9. Monat benutzen Kinder emotionale Signale der Bezugsperson zur eigenen Verhaltenssteuerung. Je nach den Emotionen, welche die Bezugsperson gegenüber neuartigen Reizen oder Umgebungen zeigt, zeigt das Kind Annäherungs- oder Vermeidungsverhalten.

auf das Selbst bezogene Emotionen

Erst gegen Ende des 2. Lebensjahres bildet das Kind ein kategoriales Selbst aus: Es erkennt sich selbst im Spiegel und benennt sich selbst mit dem eigenen Namen. Das Bewusstsein des Selbst ist die Voraussetzung für die Entwicklung verschiedener komplexer Emotionen wie Empathie, Eifersucht, Verlegenheit, Stolz, Scham und Schuld (Lewis 2007). Während sich Empathie und die (nicht evaluative) Verlegenheit und die Eifersucht ab 1.5 Jahren entwickeln, folgen die (z.B. bezogen auf die Ursache eines Missgeschicks) evaluative Verlegenheit sowie Stolz, Scham und Schuld erst ab 3 Jahren (Lewis 2007).

ausdrucksvermittelte Empathie

Mit 1.5 Jahren, etwa gleichzeitig mit der Fähigkeit, sich selbst im Spiegel zu erkennen, setzt die Entwicklung der Empathie ein. Als Mechanismus der ausdrucksvermittelten Empathie postuliert Bischof-Köhler (1989, 2011) ein Zusammenspiel der (schon im Neugeborenenalter funktionsfähigen) Gefühlsansteckung mit der sogenannten „Ich-Andere-Differenzierung“. Letztere ist eine Errungenschaft des sich mit 1.5 Jahren herausbildenden Selbstkonzepts, das die Repräsentation des Selbst und des Anderen auf der Vorstellungsebene ermöglicht.

situationsvermittelte Empathie

Bei der situationsvermittelten Empathie kommt Gefühlsansteckung als emotionaler Auslöse-Mechanismus nicht in Frage. Die emotionale Bedeutung einer Situation wird nach Bischof-Köhler (1989) über die Mechanismen der simultanen Identifikation und der damit verbundenen Perspektiveninduktion vermittelt. Diese Mechanismen machen es möglich, „das Selbst und den Anderen als wesensverwandt und daher zu einer Schicksalseinheit verbunden zu sehen. Was dem Anderen widerfährt erlebt man dann, als wäre man selbst betroffen. Man fühlt sich in seine Lage versetzt und reagiert emotional auf seine Situation“ (Bischof-Köhler 1989, 60).

neuropsychologische Befunde zur Empathie

Die neurowissenschaftliche Forschung hat gezeigt, dass empathische Reaktionen zwar weitgehend auf unbewusst und schnell ablaufenden Prozessen beruhen, die durch emotionale Hinweise (z.B. ein Bild einer verletzten Person) ausgelöst werden. Gleichzeitig hat diese Forschung aber auf die Rolle von impliziten Bewertungsprozessen hingewiesen, die die empathische Reaktion deutlich modulieren können (de Vignemont/Singer 2006).

Diese Bewertungen können sich z.B. auf die Person beziehen, deren Emotion eine empathische Reaktion auslösen sollte. Hat man z.B. erlebt, dass einen diese Person unmittelbar vorher unfair behandelt hat, dann bringt man weniger Mitgefühl auf, wenn diese Person unter Kopfschmerzen leidet. Aufgrund der nachgewiesenen Wirkung parallel ablaufender Bewertungsprozesse (de Vignemont/Singer 2006) ist die Annahme plausibel, dass die Entwicklung der Empathie im Verlauf der Kindheit durch die weitere sozial-kognitive Entwicklung mitgeformt wird (vgl. Kapitel 4.3).

Entwicklungspsychologie

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