Читать книгу Die Pueblo-Kulturen - Werner-Wolf Turski - Страница 8
Оглавление1.5. Die Formierung und die Bewegungen / Wanderungen der Menschen bestimmter Sprachgruppen im Bereich des nordamerikanischen Südwestens
Die Menschen in einem bestimmten geographischen Gebiet waren im Wesentlichen aus Gründen klimabedingter Möglichkeiten der Nahrungsstoffbeschaffung und später der Nahrungsstoffproduktion und wegen innerem und/oder äußerem Populationsdruck unterschiedlich mobil, auch in den Zeiten ihrer Sesshaftigkeit während der bodenbebauenden Dorfkultur.
Vor dem Beginn der Nahrungsstoffproduktion war die Verschiebung einzelner Bevölkerungsgruppen eine räumliche Verlängerung saisonaler Wanderzyklen von Sammlern und Wildbeutern. Die aneignende Subsistenzwirtschaft war durch „Kundschafter“ oder „Sucher“, die unregelmäßig verteilte Nahrungsstoffquellen aufspürten, und/oder “Nutzer“, denen es gelungen war, verlässliche Ressourcen auszubeuten, gekennzeichnet. Mit Beginn eines nennenswerten Bodenbaues war die Bevölkerungsverschiebung durch die Suche nach fruchtbaren Böden und die Nutzung kultivierbarer Bodenflächen, wobei die Kultivierbarkeit ganz wesentlich von einem ausreichenden, nutzbaren Wasserpotenzial abhing, verursacht bzw. beeinflusst. Hier war die Nahrungsquelle mit den Produktionsmitteln Boden und Wasser verbunden. An dieser Grundaussage änderte auch die Tatsache nichts, dass sowohl die aneignende als auch die produzierende Substistenzwirtschaft mit unterschiedlicher Wichtung der beiden Elemente über lange Zeit als Mischform und mit einer unterschiedlich ausgebildeten Erntevölker-Phase bestanden. Es gab zu allen Zeiten außer den Wanderungen in einem bekannten Revier auch Verschiebungen der Reviere der Menschengruppen. Diese Verschiebungen sind mit dem Begriff „Völkerwanderung“ belegt, dem man aber nicht automatisch den Maßstab der germanischen Völkerwanderung von 300/400 u.Z. unterstellen darf.
Der Zusammenhalt der Menschen als Gruppe oder Gruppennetzwerk in einen Nutzrevier führte allmählich zur Herausbildung bestimmter gemeinsamer Merkmale auf den Gebieten der Aneignung und/oder Produktion von Nahrungsstoffen sowie der Kommunikation. Wenn diese Eigenschaften so stark ausgeprägt waren, dass sie zur Gruppenidentifikation dienen konnten, begann die Ethnogenese, die Entstehung selbstdefinierter Menschengruppen, die unter anderem bis zur Bildung von heutigen Nationen führte.
Die gemeinsame Sprache einer Menschengruppe ist ein wesentliches Element für eine Ethnogenese. Die Einteilung von Menschen in Sprachgruppen oder –familien durch die Gesellschaftswissenschaften und die Linguisten ist eine der zeitlich am weitesten zurückreichenden großräumigen Gruppierungsordnungen, noch bevor von den Wissenschaftlern irgendwelche Sippen-, Clan-, Stammes- oder gar Nationenbezeichnungen genutzt wurden.
Das Südwest-Kulturareal und sein weiterer Umkreis wurden in prähistorischer Zeit im wesentlichen von den Trägern dreier Sprachgruppen dominiert:
Aztec-Tanoan-Sprachfamilie
Penuti-Sprachfamilie
Hoka-Coahuilteca-Sprachfamilie
In der späten prähistorischen (ab 1400/1450) und in der historischen Zeit kamen Vertreter der südathapaskischen Sprachen in den Raum der Südplains und des Südwestens. Als Grenze zwischen Vorgeschichte und historischer Zeit wird im Südwesten das Erscheinen der Spanier in diesem Raum zwischen 1540 (Coronado, erstes massives Erscheinen der Spanier) und 1598 (Onate, Beginn der dauerhaften Machtausübung durch die Spanier) angesehen.
Ein Bild von den Bewegungen/Wanderungen der Menschen dieser Sprachgruppen zu entwerfen ist äußerst diffizil. Selbst bei Nutzung aller Indizien und Überlegungen und historisch-ethnografischer Erkenntnisse, bleibt diese zeitlich weit zurückreichende Darstellung unscharf, nebulös und verschwommen. Und mit jeder neuen, weiteren wissenschaftlichen Erkenntnis und Interpretation muss nicht zwangsläufig das Bild besser oder klarer werden, sondern nur anders. Alles Gesagte und Aufgezeichnete ist ein Versuch, mit unseren heutigen Mitteln und Möglichkeiten ein Bild zu zeichnen oder anzudeuten. Der Prozess einer Völkerwanderung/-bewegung ist immer ein chaotisches Wirkgeflecht von Verdrängung, Rückzug, Expansion und Integration/Assimilation. Er ist eine Gleichung mit mehreren Unbekannten, die nur eine große Anzahl von Varianten als eine Lösung anbieten kann.
Die ATZEC-TANOAN Sprachfamilie setzt sich aus zwei Untergruppen zusammen, den westlichen Uto-Azteken und den östlichen Kiowa-Tano. Das Kern- und Entstehungsgebiet der Uto-Azteken lag im Bereich von Arizona und New Mexico, der Sonora- und der Chihuahua-Wüste, evtl. noch in Nordost-Kalifornien. Um 3000/3500 v.d.Z. drangen Menschen dieser Sprachgruppe nach Kalifornien bis zur Pazifikküste vor. Auch in Ostkalifornien sind für den Zeitraum zwischen 1000 v.d.Z. und 500 u.Z. uto-aztekische Num-Verbände belegbar. Diese zogen ab 500 u.Z. allmählich ostwärts ins Große Becken, aus dem sie den ursprünglichen multiethnischen Bestand (evtl. Penuti, andere Uto-Azteken, Kiowa-Tano, spätere Südathapas-ken u.a.) verdrängten/ersetzten. Die uto-atzekischen Schoschonen waren bis zum Ende des 15. Jahrhunderts aus dem Großen Becken über die Berge Utahs und Wyomings bis auf die Plains gezogen. Die uto-aztekischen Ute und Commanche hielten sich im 16. Jahrhundert u.Z. ebenfalls auf den High Plains auf. Sie hatten sich von den Schoschonen getrennt, als diese die Berge verließen. Im Zeitraum von 1300 bis 1500 u.Z. hatten sie sich bis in die westlichen Plains (Comanchen) ausgebreitet und die in den Bereich des Großen Beckens und die westlichen Plains eingewanderten Südathapasken nach Süden abgedrängt. Die Num-Ausbreitung wurde durch die Dürrefolgen von 1130 und 1300 u.Z. gefördert.
Aus dem Kernbereich (Arizona, der Sonora- und der Chihuahua-Wüste) der Uto-Azteken zogen in kleineren und größeren Gruppen allmählich und/oder auch in größeren Schüben Menschen bis weit in den Süden bis ins Gebiet des heutigen El Salvador und Nikaragua (Pipil, Nicarao). Stellvertretend für alle ist das um 700/750 u.Z. erfolgte historisch spektakuläre Eindringen der Gruppen zu nennen, die später als Toltecen bekannt wurden und die „Barbaren“-Einfälle der Chichimeken (sog. Chichimekensturm) in die Zivilisationsbereiche der Hochtals von Mexiko (siehe den folgenden Abschnitt „Wanderungen“). Analogien zu den Barbareneinfällen der Kelten und Germanen in das Herrschaftsgebiet Roms sind zu erkennen. Zwischen 1000 und 1500 u.Z. vergrößerte sich auch der Anteil der Uto-Azteken in Kalifornien.
Die Vorfahren der Kiowa-Tano kamen im Zeitraum von 2000 v.d.Z. bis 800 u.Z. aus dem südöstlichen Raum (mittlere Plains) bis in das südliche Große Becken. Die Aufteilung der Kiowa-Tano in die später in den Plains befindlichen Kiowa und die nach 1300 u.Z. Tano-sprechenden Gruppen im Rio Grande Gebiet erfolgte um 1000 v.d.Z. Über ihre Wege zwischen dieser Zeit und der historischen Kenntnisnahme kann man nur spekulieren.
PENUTI Das Kern- oder Entstehungsgebiet der Penuti-Sprachfamilie lag um 4000 v.d.Z. im Gebiet des Columbia Plateaus und des Großen Beckens. Gegen 2000 v.d.Z. zogen Penuti vom Columbia Plateau und ab 1000 v.d.Z. aus dem mittleren Großen Becken nach Kalifornien. Zwischen 300 und 500 u.Z. schoben sich Penuti sprechende Menschen zwischen die ortsansässigen Hoka-Völker von Kalifornien und drangen bis zur San Francisco Bay vor. Sie brachten erstmals Pfeil und Bogen nach Kalifornien. Um 1000 u.Z. erfolgte erneut eine Penuti-Invasion aus dem Großen Becken nach Kalifornien, die wahrscheinlich von Dürrefolgen und dem Vordringen der uto-aztekischen Num-Verbände ausgelöst worden war. Um 1200 u.Z. zogen Penuti wiederum aus dem Sacramento-Tal ab.
HOKA Das Kern- und Entstehungsgebiet der Hoka-Sprachgruppe lag wahrscheinlich in Kalifornien, im Südwesten des Großen Beckens und im Südwesten von Arizona. Um 3000 v.d.Z. lebten Hoka-Sprecher am Unterlauf des Sacramento. Auch in Südarizona lebten bis 500 u.Z. Hoka-Sprecher. Desgleichen haben Hoka sprechende Menschen bzw. Proto-Hoka von 7000 v.d.Z. bis 500 u.Z. im Südwesten des Großen Beckens gelebt, wo sie später als eine ethnische Gruppe der Fremont-Kultur (400 bis 1300 u.Z.) lebten. Nach der Verdrängung durch die uto-aztekischen Num und Dürrefolgen verlagerte das Hoka-Element der Fremont seinen Verbreitungsschwerpunkt aus dem Großen Becken an den Colorado River, wo sein Eintreffen um 1400 u.Z. die Phase III der Patayan-Kultur einleitete. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts u.Z. (zum Ende der Hohokam-Ära) bedrängten Hoka-sprachige Maricopa uto-aztekische Pima am Gila River.
SÜDATHAPASKEN Die späteren Südathapasken waren Nachfolger der Avonlea-Kultur, die u.a. um 1000 u.Z. im Grenzgebiet von Montana und Wyoming lebten. Ursprünglich stammten sie aus British Columbia, wo Prototypen ihrer Waffen um 350 u.Z. erschienen. Ein Verband, aus dem die späteren Sarsi hervorgehen sollten, blieb im Norden zurück, die übrigen zogen nach Süden, wo sie mit Zwischenstationen im Norden und Osten des Großen Beckens, von den uto-aztekischen Num bedrängt, zwischen 1400/1450 und 1525 in den mittleren Plains eintrafen und sich der seit 500 u.Z. die Wirtschaft auf den Plains bestimmenden Bisonjagd mit Pfeil und Bogen widmeten. Um 1600 bevölkerten Plains-Apachen weite Teile der westlichen Plains. Das früheste Erscheinen der späteren Navajo im Dinetah (Huerfano/Gobernador-Gebiet) ist für die Zeit von 1500 bis1650 (Dinetah-Phase) und anschließend von 1650 bis 1775 (Gobernador-Phase) belegt. Verschiebungen in der ethnischen Tektonik nach 1650 sind weitgehend unter Berücksichtigung des militant-kolonialen Einflusses der Spanier und der Übernahme des Pferdes zu sehen. Südathapaskische Gruppen erwarben nach 1650 große Mengen iberischer Mustangs (= herrenloser Pferde). Comanchen und Ute erlangten die Pferde ab 1700. Nach 100 Jahren, um 1750 waren die Pferde auch im Norden der Plains angekommen.
Aus historischer Sicht ergeben sich folgende Verteilungen von Menschen dieser Sprachgruppen im Südwest-Kulturareal:
Hoka-Familie: Yuma-Völker (Hamakhaav, Piipaas/Maricopa, Kwacaan/Quechan, Nord-Pai) des Colorado-Tals und der angrenzenden Hochländer.
Aztek-Tanoan-Familie: Pima und Papago, Süd-Pima, Nord-Tepehuan, Tarahumara, Yaqui/ Mayo, u.a. in Südarizona und Nordmexiko sowie die „Pueblo-Stämme“ der Hopi (alle Uto-Azteken), Tewa, Tiwa, Towa, Piro/Tompiro und eventuell Jumano (alle Kiowa-Tano, speziell Tano-Zweig).
Die Sprachen der Pueblo-Stämme der Zuni und Keres gelten als sprachlich nicht zuordenbar.
Südathapasken-Familie: Apachen und Navajo
Penuti-Familie: Sie spielt im Südwest-Kulturareal praktisch keine Rolle.
Sprachgruppen und die ihnen zugeordneten Ethnien/Stämme/Nations
Das Areal der Südwestkulturen und sein weiterer Umkreis wurde in prähistorischer Zeit im Wesentlichen von den Trägern dreier Sprachgruppen (Aztec-Tanoan, Penuti, Hoka-Coahuilteca) dominiert.
Aztec-Tanoan-Sprachfamilie
Nördliche Uto-Aztecan
Numic
Central
Commanche
Panamint/Timbisha
Shoshoni
Southern
Kawaisu
Southern Paiute
Western
Mono
Northern Paiute (Ute)
Hopi
Takic
Cupan
Cahuilla-Cupeno
Luiseno
Serrano-Gabrielino
Tubatulabal
Kiowa-Tanoan
Kiowa
Tano
Tewa
Tiwa
Towa
Piro/Tompiro
Jumano ?
Südliche Uto-Aztecan
Cahita
Mayo
Opata
Yaqui
Corachol
Cora, Santa Teresa
Cora
Huichol
Tarahumaran
Guarrijilo
Tarahumara
Concho
Tepiman
Tepehuan
Tohono O´Odham (Pima/Papago)
Pima Bajo, Sonora
Pima Bajo, Chihuahua
Tubar
Nahua
Pipil
Penuti-Sprachfamilie dominiert NW-Küste, Plateau, California
Hoka-Coahuiltecan-Sprachfamilie
Karok
Shastan
Palaihnihan
Achumawi
Atsugewi
Pomoan
Pomo
Yana
Salinan
Yuman
Diegueno (Kumeyaay)
Cocopa
Havasupai
Yuma
Walapai
Yavapai
Mojave
Es gibt auch Ausarbeitungen, wo zu dieser Hoka-Coahuiltecan-Sprachgruppe die Irokesen-, Caddo- und Muskhogee-Sprachen gezählt werden.
Die Sprachen folgender Stämme sind mangels ausreichender Kenntnisse nicht bestimmbar oder zuordenbar:
Jocome evtl. Uto-aztekisch
Jano evtl. Uto-aztekisch
Suma evtl. Uto-aztekisch
Jumano/Shumano evtl. Tano
Toboso
Tonkawa
Karankawa
Als nicht einordenbar und isoliert gelten die folgenden Sprachen, die wahrscheinlich als Mischsprachen aus nicht mehr identifizierbaren Ursprüngen entstanden:
Zuni vereinzelt der Penuti-Gruppe zugeordnet
Keres
Erwähnenswert ist auch die Otomang-Sprachgruppe, von denen die Otomi im nordamerikanischen und mesoamerikanischen Bereich auftreten, eine weitere Sprachgruppe, die aber im Wesentlichen in Mesoamerika (Otomi-Pame, Chinanteco, Zapoteca, Mixteca, Popoluca, Chorotega, Amuzgo) besteht.
Die hier dargestellte Gliederung/Aufgliederung indianischer Sprachen ist eine Möglichkeit der Darstellung der Sprachfamilien und -gruppen.