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Das Ganze im Blick haben,
einen breiten Ansatz wählen

Ein philosophischer Exkurs – Eine einheitliche Idee – Zentralismus und für jeden ein Stück Kuchen

Gleich kommt mein Auftritt. Die Analysen sind abgeschlossen, jetzt wird der Blick nach vorne gerichtet. Ich spüre die Spannung, bei mir, aber auch bei den neuen Kollegen. Horst Hüttel baut mir die Brücke, prescht rhetorisch geschickt voran und übergibt mir das Wort.

Ich bedanke mich für das Vertrauen des Deutschen Skiverbandes und versuche zu vermitteln, wie sehr ich mich auf die Herausforderung freue, die Situation gemeinsam voranzutreiben. Offen und ehrlich gebe ich Einblick in mein Seelenleben und werfe folgende Frage in den Raum: »Wisst ihr, wann wir in den nächsten Jahren ein wirkliches Problem haben? Wenn es uns nicht gelingt, zumindest einen deutschen Skispringer im absoluten Spitzenfeld zu positionieren und zu etablieren!«

Soweit nichts Neues, denken die meisten. Ich rede offensiv weiter und verweise auf meinen Eindruck, dass es den meisten hier nur darum gehe, dass der Beste der Welt aus ihrer Region komme. Sie würden dabei aber darauf vergessen, wie schwer und selten es ist, überhaupt irgendwann im Leben einen Spitzenathleten entwickeln zu können. Wir bräuchten die Konkurrenzsituation, um den Talentierten die Möglichkeit zu geben, aneinander zu wachsen und dadurch das notwendige Level zu erreichen, um international konkurrenzfähig zu sein.

»Wenn der beste Deutsche international auf Platz 15 auftaucht, kann sich der regionalverantwortliche Trainer dafür auch keinen Lorbeerkranz umhängen. Wir stehen im internationalen Wettbewerb, da hat Kirchturmdenken keinen Platz!«

Ich kann schwer einschätzen, was meine Worte in den einzelnen Personen auslösen, aber ich mache einfach mit meinen Notizen weiter. Ohne Powerpoint, ohne Schmuck und ohne übertriebenen Rahmen versuche ich, mit Inhalt zu überzeugen. Meine Schlagworte sind Struktur, Kommunikation und Inhalt. Speziell in der Kommunikation sehe ich den Schlüssel in den kommenden Jahren. Verbesserung durch Austausch. Voneinander lernen und miteinander besser werden. Ich spüre Skepsis, und trotzdem glaube ich, dass das der richtige Weg ist, aufzurütteln und zu sensibilisieren.

Den inhaltlichen Weg gibt in Deutschland zu einem großen Teil die Wissenschaft vor. Das Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) präsentiert technische Analysen der deutschen Skispringer im Vergleich mit den aktuell besten. Zahlen und Fakten, die ich in dieser Form noch nie gesehen habe. Die Verantwortlichen präsentieren die akribisch ausgewerteten Zahlen in optisch ansprechender Form, und viele hängen an deren Lippen. Die Kritik aus dem Trainergremium hält sich in Grenzen. Schließlich steht auf der Erfolgsseite heuer zu wenig. Die neuen Kollegen aus Sachsen und Thüringen fühlen sich hier sehr heimisch und notieren pflichtbewusst die Eckpunkte des Vortrags. Mein Technikbild habe ich ohne das IAT entwickelt, und die Erfolge von Schlierenzauer geben mir das notwendige Selbstvertrauen. Aber ich spüre instinktiv, dass hier politische Dimensionen eine große Rolle spielen, und entscheide mich für den diplomatischen Weg, trotz der einen oder anderen gegensätzlichen Ansicht. Ich kündige Kooperation an und verspreche den Kollegen, gelegentlich einen tieferen Einblick in meine Skisprungphilosophie zu geben. Ich beschwöre ein weiteres Mal den notwendigen gemeinsamen Weg und präge den Begriff des »roten Fadens« in den Bereichen Technik und Athletik, den ich Schritt für Schritt verankern möchte.

Auf Systemfragen angesprochen oute ich mich als glühender Verfechter einer zentralistischen Struktur. Ich ziehe Vergleiche mit der Schweiz und mit Österreich und hebe die Stärken dieser Systeme heraus, indem ich klarmache, dass die geringe Anzahl an Skispringern durch die Tatsache wettgemacht wird, dass die besten immer gemeinsam trainieren. Ginge es nämlich nach der Anzahl der Schanzen oder der Menschen, die diesen Sport betreiben, dann müsste Deutschland viel besser dastehen. Hier höre ich erstmals ein Murren aus dem Kreis der Zuhörer. Damit scheine ich einen wunden Punkt angesprochen zu haben, der mich noch eine ganze Weile beschäftigen wird.

Horst Hüttel hält mir in dem Moment die Stange und verweist auf die Nordische Kombination. Auch dort bedurfte es größter Kraftanstrengung, bis das enorme Potenzial in Deutschland sichtbar wurde. Einheitlichkeit und Zentralisierung waren auf diesem Weg die entscheidenden Bausteine.

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