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Materielle und ideologische Korruption

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Kein Wunder, dass dem Anwalt das problematische Image anhaftet, er verdiene notfalls sein Geld auch mit miesen Tricks und nur zu gern unter Ausnutzung von Gesetzeslücken, degradiere bei der Verteidigung von Verbrechern Schuld oder Unschuld zu einer Frage verfahrenstechnischer Sportlichkeit und vergesse nicht bloß im Eifer des Gefechts das, worum es vor Gericht eigentlich geht: Gerechtigkeit.

Leider sind aber in Deutschland Generationen von Juristen in diesem Punkt schon durch ihre Ausbildung auf Unrecht geprägt: Kaum ein Erstsemester wird nicht in einer prominenten Lehrveranstaltung eines prominenten Hochschullehrers genüsslich mit dem Spruch konfrontiert "quod licet Jovi, non licet bovi" (Was Göttervater Zeus darf, darf der Ochse noch lange nicht). Die vom römischen Dichter Terenz überlieferte Redensart soll Ungleichheit zementieren in einem System, das angeblich auf die eisernen Säulen des römischen Rechts gebaut ist. Was die heutigen Interpreten dieses Satzes gern verschweigen: Sie sind nicht Gott oder gar Götterväter – und wir keine Ochsen bzw. kein Stimmvieh. Außerdem haben die alten Römer ihrem Chefgott Zeus gelegentlich einen Ochsen geopfert. Tier- oder Menschenopfer sind aber kein Merkmal unseres demokratischen Rechtsstaates. Im Gegenteil.

Ochs, Zeus und Reim hin oder her: Die historischen Privilegien des römischen Adels taugen nicht als Reverenz für einen demokratischen Rechtsstaat. Die Fundamente unserer Justiz mögen römisch sein; demokratisch sind sie nicht. Die einstige Weltmacht Rom wurde auf Sklaverei und Imperialismus aufgebaut, nicht etwa auf den Grundpfeilern der Demokratie. Zu zahlreich sind inzwischen die Fälle, in denen Juristen die Gerechtigkeit auf dem Altar persönlicher oder politischer Vorteile geopfert haben. Diese Herrschaften beschädigen den Rechtsstaat, weil sie immer mehr Bürgern das Gefühl geben, ganz unten in einer Klassengesellschaft zu leben, gegen die angeblich kein Kraut gewachsen ist und in der sie niemals zu ihrem Recht kommen werden.

Zu zahlreich sind die Fälle, in denen Wirtschaftsanwälte ihr Wissen dazu missbrauchen, weniger erfahrene Politiker über den Tisch zu ziehen, als „Sanierer“ oder „Berater“ gesunde Unternehmen zu ruinieren und sich auf Kosten der Angestellten und des Steuerzahlers maßlos zu bereichern. Zu zahlreich sind die Fälle, in denen Anwaltskanzleien zu effizienten Begleitern politisch fragwürdiger Manöver werden. Als z. B. der ehemalige Ministerpräsident Mappus (CDU) in Baden-Württemberg Aktien des Energiekonzerns EnBW aus Frankreich zurück kaufte – für über 4 Milliarden € und am Parlament vorbei unter Vorspiegelung einer nicht vorhandenen Notlage – war das verfassungswidrig, wie der Staatsgerichtshof rügte (übrigens völlig folgenlos). Er tat dies mit Beratung durch eine renommierte Kanzlei. Ein weiteres Beispiel wäre das Versenken von Steuergeldern bei der misslungenen „Sanierung“ des Nürburgrings durch eine SPD-Regierung in Rheinland-Pfalz. Zu aktuell, um sie zu übersehen, ist auch die Mitwirkung solcher Juristen in der von keiner Wahl autorisierten „Troika“ (EZB, IWF, EU), die zur Zeit im Auftrag der EU-Regierungen Griechenland kaputt spart: ohne Rücksicht auf soziales Mitgefühl oder die wirtschaftliche Vernunft eines Plans zum Wiederaufbau des maroden Landes, damit deutsche Banken sich weiter an steuerfinanzierten „Rettungsschirmen“ gesundstoßen können.

Die Quellen des Zorns

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