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„In unserem Einzugsgebiet häufen sich in letzter Zeit die EC-Kartendelikte“, eröffnete Kriminalhauptkommissar Kruse die Besprechung im Polizeirevier Aschaffenburg Stadt. Die raffinierten Scheckkartendelikte, Diebstähle und Einbrüche hatten in seinem Zuständigkeitsbereich derart zugenommen, dass etwas geschehen musste. „Die Straftaten scheinen alle nach dem gleichen Muster ausgeführt zu werden. Erst entwenden der oder die Täter, ich bin fest davon überzeugt, es sind mehrere, die EC-Karte, und wenn die Pin-Nummer nicht dabei liegt, wird sie durch den Anruf eines Dr. Fischer, Dr. Langhans oder Dr. Lehmann von der zuständigen Hausbank der Opfer überaus geschickt ausspioniert. Die Täter sind dabei so dreist, dass der Angerufene am Schluss total verwirrt ist und nicht mal bemerkt, dass er seine Geheimnummer herausgegeben hat. Sie telefonieren immer aus einer Telefonzelle in der Nähe der Bank und sind dabei so frech, dass sie das Opfer, um es in Sicherheit zu wiegen, zurückrufen lassen. Dann plündern sie, unmittelbar nachdem sie in den Besitz der Pin-Nummer gekommen sind, das betreffende Konto bis auf den letzten Pfennig. Wahrscheinlich dieselben Täter schrecken auch nicht vor hervorragend geplanten Einbrüchen zurück. Sie gehen mit einem ausgeklügelten Plan und einer erstaunlich hohen kriminellen Energie vor. Vom Einbruch bei dem Juwelier, bei dem ich, so unwahrscheinlich es auch klingen mag, selbst anwesend war, vom dreisten Bruch aber nichts mitbekam, habe ich Ihnen schon berichtet. Vom LKA sind umfangreiche Berichte eingegangen, unsere Täter sind höchstwahrscheinlich in ganz Bayern tätig, und es ist angeregt worden, eine Sonderkommision einzurichten. Das LKA ermittelt, ob unsere Täter bundesweit in Erscheinung treten. Die Hinweise verdichten sich, dass dem so ist, die Intensität der Straftaten lässt auch darauf schließen, dass hier eine organisierte kriminelle Vereinigung am Werk ist. Oberkommissarin Richter wird jetzt zusammenfassen, welche Ermittlungsergebnisse uns bisher vorliegen.“

„Susanne.“ Hauptkommissar Kruse ordnete seine Unterlagen, nachdem die Kommissarin ihren Bericht beendet hatte. „Susanne“, sagte er leise, als auch der Letzte das Büro verließ. „Warte bitte, ich will dir noch was sagen. Mein Freund Werner Hauptmann vom LKA hat mich heute Morgen angerufen. Er sagte mir, die Soko wird schon nächste Woche eingerichtet. Unsere Staatsanwaltschaft bleibt die ermittelnde Behörde, ich bin als stellvertretender Leiter der Soko „Dreist„ vorgesehen, und Polizeirat Lehmann wird der Chef. Ich kann sehr gut mit ihm, er wird mir bei den Ermittlungen keine Steine in den Weg rollen, die gesamte operative Arbeit fällt sowieso in meine Kompetenz. Ich bat dich zu bleiben, weil ich dich fragen wollte, hast du Interesse, mit mir in der Soko ein Team zu bilden? Ich schätze dich nicht nur als Frau, nein, ich weiß deine kriminalistischen Fähigkeiten durchaus zu würdigen.“ Kommissar Kruse zauberte ein gewinnendes Lächeln auf sein sonst so mürrisches Gesicht. „Was ist nun, bist du mit von der Partie?“

„Da brauche ich keine Bedenkzeit, Horst.“ Susanne Richter erwiderte erfreut sein Lächeln. „Natürlich bin ich dabei, nicht nur aus Karrieregründen. Danke, dass du gleich an mich gedacht hast. Das werde ich dir nicht vergessen. Wollen wir später noch etwas trinken gehen?“ Unsicher suchte sie den Blick ihres Vorgesetzten.

„Da hast du aber Glück, Susannchen, heute ist ein guter Tag. Ursula spielt mit ihrer Damen 40-Mannschaft Tennis, und dann kann es bei ihr spät werden. Wir haben sowieso seit einer Stunde Feierabend. Ich packe nur noch schnell zusammen, dann treffen wir uns in zwanzig Minuten im Einhorn. Es braucht uns niemand zusammen weggehen zu sehen. Du kennst das Gerede hier im Revier. Also, bis gleich“, verabschiedete Kruse seine Untergebene.

„Entschuldige, der Polizeirat hat mich kurz vor dem Ausgang noch abgefangen.“ Hauptkommissar Kruse setzte sich schwer atmend zu Susanne Richter an den Tisch.

Nur zwei frühe Gäste am Tresen waren außer ihnen in der Kneipe, sie hatten das Hinterzimmer ganz für sich allein.

„Hier kennt uns niemand“, quengelte Susanne Richter zur Begrüßung. „Du kannst mich ruhig küssen, und deine Verspätungen kenne ich auch, lieber Hauptkommissar Kruse. Kannst du, wo doch deine Frau heute bis zum späten Abend nicht in eurer gemeinsamen ehelichen Wohnung weilt, endlich mal wieder mit zu mir kommen?“

„Lass uns erst was trinken, danach sehen wir weiter. Einen Riesling, wie immer?“, fragte Kruse grinsend.

„Herr Ober, bitte einen Rheingauer und ein großes Pils“, bestellte er beim herbeigeeilten dicken Oberkellner.

Sehen will gelernt sein

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