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Gefängnis oder Kloster?

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Nun sitze ich also am Beginn dieses neuen Lebensabschnitts inmitten der Pandemie und fühle mich wie in einem Gefängnis. Laut unserer Planung sollte ich jetzt im Herbst wieder in China sein, um anschließend auf meiner geliebten Insel Koh Samui noch einen Urlaub dranzuhängen, aber das alles habe ich schon im Frühjahr ad acta gelegt. Zeit für drei Wochen Urlaub – egal ob in Thailand oder Holland – hätte ich, reif dafür fühle ich mich auch, aber es wäre keine Erholung für mich, in der frischen Luft und sogar am Strand mit Maske rumzulaufen. Ich muss mich jedes Mal dazu zwingen, so ein Ding überzuziehen, wenn ich denn überhaupt mal ein Geschäft betrete. Glücklicherweise muss ich sie hier im Wald nicht tragen. Aber was nicht ist, kann ja, so wie unsere Politiker derzeit agieren, durchaus noch kommen.

Ich kann das Gefängnis aber auch als Kloster betrachten und tue dies meist auch. Je nach Sichtweise ändert sich dabei mein Gemütszustand von »Am liebsten möchte ich mit der Axt reinschlagen« zu »Es ist alles gut, so wie es ist«. Anstatt wütend oder resigniert ob meiner Ohnmacht gegenüber der Politik und der ängstlich-aggressiven Stimmung, die ich in der Bevölkerung wahrnehme, werde ich dann still und spüre, dass der erzwungene klösterliche Rückzug mir, auch wenn er mir körperlich einige Schmerzen und Probleme bereitet, guttut, dass ich ihn vielleicht sogar brauche. Denn, wie gesagt, ich gehe auf meine letzte Runde, und selbst wenn noch eine Extrarunde obendrauf kommen sollte: Die grandiose Abenteuerreise, die mein Leben bisher war, nähert sich unaufhaltsam dem Ende, der Abschied von dieser Welt rückt näher, und es fühlt sich gut und passend an, sich das ganz klar zu machen und zu schauen, was es für mich bedeutet und wie es sich auf mein Leben auswirkt.

Danke, Corona, dass du mir das zeigst. Und, das fällt mir jetzt sehr schwer zu sagen: Danke, ihr Politiker in Berlin und Düsseldorf, dass ihr mich mit euren Maßnahmen, die ich zum Teil für nachvollziehbar, zu weiten Teilen aber für töricht und teils auch für außerordentlich schädlich halte, bremst. Immerhin habe ich die Wahl, die Mauern, die ihr um mein Leben wie um das aller Menschen, die ihr zu vertreten glaubt, errichtet habt, für Gefängnismauern oder für Klostermauern zu halten. Ich habe mich für Letzteres entschieden, und damit bin ich frei.

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