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Durch ein späteres Gesetz vom 30. November 1892 wurde bestimmt, daß auch Aerzte, Zähnärzte und Hebammen, nicht aber Staats- und Gemeindebeamten unter das Syndikatsgesetz fallen.

Daß ein Gesetz von solcher Bedeutung nicht ohne lebhaften Widerspruch geschaffen werden konnte, liegt auf der Hand, und es hat nicht an Stimmen gefehlt, die von demselben die Auflösung aller staatlichen Ordnung vorhersagten. Aber die sowohl auf der Linken wie auf der Rechten der französischen Kammer verteidigte Ansicht, daß gerade umgekehrt die gesetzliche Organisation der Fachvereine zu einer sozialen Beruhigung führen werde, hat schließlich den Sieg davon getragen.

Für die Arbeiterklasse war dieses Gesetz ein Ferment, welches zu lebhaften Auseinandersetzungen und völlig neuen Gruppenbildungen führte. Die revolutionäre Richtung, die durch dasselbe den Verlust ihres Einflusses befürchtete, suchte es als ein Werk der Reaktion zu bekämpfen und die ihr zugänglichen Vereine zu bestimmen, sich ihm nicht zu unterwerfen, insbesondere also ihre Anmeldung, durch die sie die im Gesetze gewährte Stellung erlangen konnten, nicht vorzunehmen. Um dieser Bewegung entgegenzuwirken, veranstalteten die Syndikate der Rhonegegend unter Begünstigung seitens der Regierung im Jahre 1886 einen Kongreß in Lyon, der lediglich für die gewerkschaftliche Richtung unter Ausschluß der politischen Parteien bestimmt sein sollte und der deshalb als der erste Gewerkschaftskongreß bezeichnet werden kann. Aber trotz dieser Beschränkung erklärten sich auf dem Kongresse, auf dem 248 Syndikate durch 158 Abgeordnete vertreten waren, 74 Stimmen gegen und nur 29 für das Gesetz, obgleich von den 248 Syndikaten sich 88 demselben unterworfen hatten. Ja es kam sogar zu Ausschreitungen, indem die dreifarbige Fahne zerrissen und an ihrer Stelle die rote aufgezogen wurde. Die „Union des syndicats ouvriers“ blieb in der Minderheit, und um gegen sie ein Gegengewicht zu schaffen, beschloß der Kongreß die Bildung eines Verbandes aller Syndikate unter dem Namen: „Fédération nationale des syndicats ouvriers“. Zur Leitung der Geschäfte ernannte man ein Nationalkomitee, dessen sich nun die verschiedenen Parteien zu bemächtigen suchten. Die Possibilisten, die es nach Paris verlegen wollten, unterlagen jedoch den Marxisten, die durchsetzten, daß es in der Provinz bleiben und seinen Sitz jährlich wechseln sollte.

Auch auf dem folgenden II. Kongresse, der 1887 in Montluçon stattfand, waren die Marxisten in der Mehrheit, so daß sich die Possibilisten nach Charleville zurückzogen. Die rein gewerkschaftliche Richtung hatte sich infolge ihrer Niederlage in Lyon ganz fern gehalten.

Dasselbe Bild zeigte der III. Kongreß von Bordeaux 1888, auf dem die Marxisten zuerst einen Beschluß zu Gunsten des Generalstreiks durchsetzten, indem sie behaupteten, daß nur auf diesem Wege das Ziel der Sozialisierung der Produktionsmittel zu erreichen sei.

Für eine Zeit lang wurde die bisherige Entwicklung des Parteiwesens innerhalb der Syndikate durchbrochen durch die Boulangistische Bewegung (1887–1890), die von den Marxisten begünstigt, dagegen von den Possibilisten bekämpft wurde, während die Blanquisten sich in zwei Lager teilten. Dieser Umstand sowie die Weltausstellung hinderte im Jahre 1889 die Veranstaltung eines Gewerkschaftskongresses. Statt dessen fanden in Paris zwei internationale Arbeiterkongresse statt, von denen der eine durch die Marxisten in Verbindung mit den Blanquisten, der andere von den Possibilisten mit Unterstützung der englischen trade unions einberufen war[31].

Der IV. Kongreß von Calais 1890 brachte keine Aenderung der Lage. Er beschloß auf Anregung der Marxisten, daß die Bergarbeiter in den Generalstreik einzutreten hätten, um durch Mangel an Kohlen auch die übrigen Industrien zum Stillstande zu bringen und so die Beseitigung der bestehenden Wirtschaftsordnung zu erzwingen. Man erklärte dabei, daß eine gewaltsame Revolution bei den modernen Waffen unmöglich sei, daß aber ebensowenig auf dem Wege der Eroberung der politischen Macht durch das allgemeine Wahlrecht ein durchgreifender Erfolg zu erzielen sei, Abhülfe biete nur die „Revolution der untergeschlagenen Arme“. Die Bergarbeiter leisteten aber diesem Beschlusse keine Folge.

Wie die bisherige Darstellung ergiebt, vollzieht sich die gewerkschaftliche Bewegung in Frankreich zwar formell unabhängig von der politischen, indem die Kongresse lediglich gewerkschaftlichen Karakter tragen und die Kongresse der politischen Parteien neben ihnen hergehen. In Wahrheit jedoch bestimmen sich die verschiedenen gewerkschaftlichen Richtungen völlig durch die politischen Gegensätze. Aus diesem Grunde muß hier auch die Geschichte der politischen Parteien verfolgt werden.

In dieser Hinsicht ist von Interesse, daß sich nicht allein auf dem Kongresse der Possibilisten von 1890 in Chatellerault eine Spaltung zwischen den Anhängern von Brousse und Allemane vollzog, auf die später noch zurückzukommen ist, sondern daß die Marxisten, seit sie bei den Gemeinderatswahlen von 1892 und 1893 erhebliche Erfolge erzielt hatten, ihre Haltung nicht unwesentlich änderten. Während sie, wie erwähnt, noch 1890 in Calais die politischen Wahlen für eine bloße Agitationsschule erklärt und den Generalstreik als einziges Mittel der Abhülfe empfohlen hatten, wurden sie durch ihre Wahlerfolge plötzlich zu Gunsten der parlamentarischen Thätigkeit umgestimmt, und obgleich sie auf dem V. Gewerkschaftskongresse in Marseille (19.–23. September 1892) noch für den Generalstreik eintraten, ließen sie ihn bereits auf ihrem gleichzeitig in Marseille abgehaltenen Parteikongresse fallen und haben ihn auf dem am 15. September 1894 in Nantes abgehaltenen Kongresse endgültig verworfen, sich überhaupt seitdem mehr auf das politische Gebiet begeben. Neben der Erlangung der politischen Macht ist seitdem ihr Ziel die Gewinnung von Anhängern unter den Bauern, indem sie den bäuerlichen Kleinbesitz verteidigen. Um so mehr werden sie von den Possibilisten als Verräter an der Sache des Sozialismus angegriffen. Es hat sich mithin im Laufe der Zeit zwischen beiden Parteien eine völlige Vertauschung der Rollen vollzogen, indem die Marxisten jetzt die gemäßigte Richtung darstellen.

Von besonderem Interesse und erheblichem Einflusse auf die gewerkschaftliche Bewegung hat sich ferner ein neues Element erwiesen, nämlich die Entwickelung der Arbeitsbörsen. Schon im Jahre 1842 war der Gedanke zuerst von Molinari[32] ausgesprochen und damit begründet, daß man durch sie und die damit ermöglichte Vermittelung zwischen Angebot und Nachfrage nach Arbeit die Interessen der Arbeiter am besten befördern und die letzteren zugleich den Einflüssen politischer Neuerungen entziehen könne, indem man sie auf das rein gewerkschaftliche Gebiet verweise. Im Laufe der Zeit ist der Gedanke der Arbeitsvermittelung immer mehr in den Hintergrund getreten und die Börsen sind, genau besehen, nichts als Gewerkschaftsverbände geworden, nur mit dem Unterschiede, daß sie Zuschüsse seitens der Gemeinde erhalten. Sie sind ganz allgemeine Anstalten zur Wahrung der gesamten Interessen der ihnen angehörigen Arbeiter. Sie übernehmen deshalb außer dem Arbeitsnachweise die Veranstaltung von Versammlungen zur Erörterung von Fragen, die das Arbeiterinteresse berühren, oder für wissenschaftliche Vorträge, ferner die Einrichtung von Fachlehrkursen und von Bibliotheken, die Herausgabe periodischer Zeitschriften u. s. w.

Der Plan der Schaffung solcher Arbeitsbörsen wurde seit 1884 seitens der Possibilisten aufgenommen, um in ihnen für alle Syndikate, mochten sie auf dem Boden des Syndikatsgesetzes stehen oder nicht, eine gemeinsame Vereinigung und zugleich eine Möglichkeit zu haben, praktisch im Interesse der Arbeiterklasse zu wirken. Allerdings hatten sich seit Erlaß des Gesetzes mehrfach Kartelle zwischen den Syndikaten verschiedener Gewerbe derselben Stadt gebildet, aber obgleich diese grundsätzlich allen Syndikaten offen standen, hatten sich auch hier die politischen Spaltungen als Hindernis erwiesen. In den Arbeiterbörsen sollten dagegen alle Syndikate unabhängig von der politischen Richtung zusammenarbeiten und die Arbeiter zur gewerkschaftlichen Arbeit erziehen.

In Wahrheit nahm die Entwickelung der Arbeitsbörsen zunächst einen ganz anderen Verlauf. Die erste derselben wurde am 28. April 1887 in Paris eröffnet, indem der Pariser Gemeinderat einen jährlichen Zuschuß von 20000 Frs. zusagte, der 1892 auf 100000 Frs. und 1894 auf 154000 Frs. erhöht wurde. Alle Syndikate, mochten sie sich dem Gesetze unterworfen haben oder nicht, waren zugelassen. Aber während die Possibilisten, die den Gemeinderat beherrschten, geglaubt hatten, auch in der Arbeitsbörse die Leitung zu erhalten, drängten sich in Masse neu gegründete Syndikate herzu, die zum Teil unter anarchistischem Einflusse standen, zum Teil auch überhaupt keine Leitung anerkannten. Endlich führte die Ernennung von Ribanier zum Mitgliede der Anfang 1891 geschaffenen obersten Arbeitskommission zu einer Explosion; die Exekutivkommission wurde gewaltsam abgesetzt und die Broussisten, die bisher die Leitung gehabt hatten, wurden durch die Allemanisten entthront. Seitdem entwickelte sich die Arbeitsbörse zum Mittelpunkte derjenigen Syndikate, die dem Syndikatsgesetze feindlich gegenüberstanden. Alle Elemente, die im Verdachte der Mäßigung standen, wurden entfernt, in dem „Journal de la Bourse du Travail“ wurde ein Organ geschaffen, das den Kapitalismus und das Unternehmertum bekämpfen sollte, öffentliche Versammlungen wurden abgehalten, eine Streikkasse begründet und der Plan des Generalstreiks verfolgt. Durch Bildung eines Ausschusses aus Vertretern der Bataillone der Nationalgarde betrat man sogar das rein politische Gebiet und suchte die Kommune und den Bürgerkrieg vorzubereiten.

Hiergegen glaubte der Minister Dupuy einschreiten zu müssen. Zunächst forderte er die außerhalb des Syndikatsgesetzes stehenden, bisher zugelassenen sog. irregulären Syndikate auf, sich bis zum 5. Juli 1893 dem Gesetze zu unterwerfen und schloß, als dieser Aufforderung nicht Folge geleistet wurde, an diesem Tage die Börse. In einer Erklärung vom 7. Juli 1893, die von Vertretern der verschiedensten Parteirichtungen, insbesondere von Lafargue, Jaurès, Brousse unterzeichnet war, wurde hiergegen Protest erhoben und an die Arbeiter die Aufforderung gerichtet, sich auf den Generalstreik vorzubereiten. Thatsächlich freilich gereichte die Auflösung den Marxisten zum größten Vorteile, da durch sie eine Einrichtung beseitigt wurde, die ihren Händen längst entschlüpft und in diejenigen ihrer entschiedensten Gegner übergegangen war. Nachdem dann unter dem Ministerium Bourgeois durch Dekret des Präsidenten vom 5. Dezember 1895 eine andere Verfassung der Börse angeordnet und durch den Gemeinderat von Paris beschlossen war, wurde die Börse im April 1896 wieder eröffnet, doch blieb ein Teil der Syndikate derselben nach wie vor fern und hielten die in der Zwischenzeit gegründete freie Börse aufrecht.

Auf dem Kongresse in St. Etienne (7.–8. Februar 1892) hatte sich unter den Arbeitsbörsen von 11 Städten, die etwa 500 Syndikate umfaßten, ein Zusammenschluß zu der „Fédération nationale des Bourses du travail“ vollzogen, die vom 12.–14. Februar 1893 in Toulouse einen zweiten Kongreß abhielt. Aus den Beschlüssen ist hervorzuheben: Unentgeltliche Arbeitsvermittelung ausschließlich durch die Arbeitsbörsen, Ernennung der Arbeitersekretäre durch dieselben, gesetzliche Festsetzung gewisser Bedingungen des Arbeitsvertrages, insbesondere Minimallohn und gleiche Entlohnung männlicher und weiblicher Arbeiter, Ausführung der Gemeindearbeiten in eigener Regie unter Zulassung von Arbeitervereinigungen. Außerdem wurde von dem Comitée fédéral vorgeschlagen, in Zukunft mit der auf dem Gewerkschaftskongreß von Marseille 1892 gegründeten Fédération nationale des Chambres syndicales zusammenzugehen und insbesondere den nächsten Kongreß gemeinsam 1894 in Nantes abzuhalten, um eine gemeinsame Vertretung aller Syndikate herbeizuführen. Obgleich die Marxisten sich hiergegen energisch auflehnten, mit der Begründung, daß die Arbeitsbörsen, die nur Hülfsmittel für die Syndikate sein sollten, jetzt den Versuch machen wollten, die Herrschaft an sich zu reißen und sich an die Stelle der Fédération nationale zu setzen, erklärte sich die Mehrheit für den Plan, und so fand vom 17.–22. September 1894 in Nantes der VI. Gewerkschaftskongreß zugleich als solcher der Arbeitsbörsen statt. Auf diesem siegte die possibilistische über die marxistische Richtung, und der von der letzteren auf ihrem Parteikongresse 8 Tage zuvor fallen gelassene, dagegen von der ersteren aufgenommene Plan des Generalstreiks wurde mit 63 gegen 36 Stimmen bei 9 Stimmenthaltungen angenommen. Nach stürmischen Auftritten zogen sich die Marxisten von dem Kongresse zurück. Man gründete eine allgemeine Streikkasse, zu der jedes Mitglied monatlich 5 Cts. beizutragen hat. Jede Gewerkschaft soll sich dem für sie bestehenden Berufsverbande anschließen. Die Gesamtheit der Berufsverbände in Gemeinschaft mit den Arbeitsbörsen bildet den Landesgewerkschaftsbund, an dessen Spitze ein Zentralkomitee (conseil national ouvrier) steht, das aus 2 Mitgliedern der einzelnen Berufsverbände und 4 Mitgliedern des Arbeitsbörsenverbandes zusammengesetzt ist. Ihm soll die Aufgabe des früher auf dem Kongresse in St. Etienne eingesetzten Arbeitersekretariates zufallen. Weitere Beschlüsse forderten die Ausdehnung der Prudhommes-(Gewerbe-) Gerichte auf Handels-, Eisenbahn- und Staatsbedienstete, sowie Arbeitsvermittlung durch die Gewerkschaften unter Zuschüssen seitens der Gemeinden.

Im Jahre 1895 fanden infolge dieser Spaltung zum erstenmale seit 1884 getrennte Gewerkschaftskongresse statt. Der conseil national ouvrier berief den VII. Kongreß nach Limoges, wo derselbe vom 23.–28. September 1895 unter Teilnahme von rund 100 Vertretern mit 140 Mandaten tagte. Man gab sich hier eine neue Organisation, deren Ziel besteht in der möglichsten gewerkschaftlichen Zentralisation, unabhängig von politischen Einflüssen. Man betonte besonders die Uebertragung der gewerkschaftlichen Bewegung auf die landwirtschaftlichen Arbeiter und die Schaffung einer Invalidenversicherung rein aus staatlichen Mitteln. Auf kommunalem Gebiete verlangte man Ausführung der Arbeiten in eigener Regie unter Arbeiterinspektoren, die von den Gewerkschaften vorzuschlagen sind, Unentgeltlichkeit der Lehrmittel in den Schulen, unentgeltliche Schulküchen, Einrichtung von Arbeitsbörsen auf Kosten der Gemeinde und unter Leitung der Gewerkschaften, Einrichtung kommunaler Werkstätten. Als Zwangsmittel zur Durchführung dieser Forderungen betrachtet man in erster Linie den Generalstreik. An der Spitze steht der conseil national ouvrier.

Die Marxistische Fédération des chambres syndicales hielt vom 12.–14. September 1895 in Troyes einen eigenen Kongreß ab, der gleichfalls von etwa 100 Abgeordneten als Vertretern von 750 Gewerkschaften besucht war. Man beschloß u. a. die Aufhebung des Gesetzes gegen die Internationale vom 14. März 1872 und der gegen die Vereinsfreiheit gerichteten Art. 414 und 415 des Code pénal, ferner die Forderung eines Gesetzes, nach welchem die von den Gewerkschaften festgesetzten Arbeitsbedingungen für das ganze Gewerbe maßgebend sind, und die Wahl der Gewerbeinspektoren durch die Gewerkschaften. Auch die Landagitation will man betreiben unter Anschluß an das sozialistische Landprogramm von 1891 und ebenso die Beteiligung an allen Gemeindeangelegenheiten. Der Kongreß empfahl außerdem die nationale und internationale Verbindung der Gewerkschaften.

Die Fédération des chambres syndicales hat seitdem weitere Kongresse nicht abgehalten, die marxistischen Gewerkschaften haben sich vielmehr auf dem 1896 in Lille abgehaltenen Kongresse mit der politischen Partei vereinigt und halten seitdem ihre Zusammenkünfte gleichzeitig mit denen der letzteren ab. Die Zahl ist auf 152 meist unbedeutende Organisationen herabgegangen.

Dagegen hat der von dem conseil national ouvrier einberufene VIII. Gewerkschaftskongreß vom 14.–19. September 1896 in Tours stattgefunden, auf dem 203 gewerkschaftliche Organisationen und Arbeitsbörsen, die zusammen 826 Syndikate umfaßten, durch 69 Abgeordnete vertreten waren. Leider wird auf den Kongressen nur die Zahl der Organisationen, nicht aber die der Mitglieder derselben angegeben, wie denn auch bei den Abstimmungen nicht das Stärkeverhältnis berücksichtigt wird. Deshalb ist es nicht möglich, über die Anzahl der auf den Kongressen vertretenen Arbeiter genaue Ziffern zu geben. Nach Schätzungen soll dieselbe in Tours etwa 100000 betragen haben.

Im Vordergrunde der Beratungen stand die Organisationsfrage. Gemäß einem auf dem internationalen Arbeiterkongresse in Brüssel 1891 gefaßten Beschlusse, in allen Ländern nationale Arbeitersekretariate einzurichten, hatte man auch für Frankreich auf dem Kongresse von St. Etienne ein solches Sekretariat eingesetzt. Aber dasselbe war niemals eigentlich wirklich in Kraft getreten, und seine ganze Thätigkeit hatte sich auf die Veröffentlichung eines einzigen Berichtes über die Lage der arbeitenden Klassen beschränkt. Der Grund hierfür war, daß in dem Sekretariate alle die sich bekämpfenden Richtungen der Blanquisten, Allemanisten, Broussisten, Anarchisten und der reinen Gewerkschaftler vertreten waren und die innere Uneinigkeit jede gemeinschaftliche Thätigkeit unmöglich machte. Schon in Limoges hatte man nun versucht, unter dem Namen einer „Confédération générale du travail“ eine Vereinigung aller Syndikate und Arbeitsbörsen zu schaffen, die sich frei halten sollte von allen Einflüssen der politischen Gruppen (en dehors de toute ingérence politicienne). Auch die wenigen dort vertretenen Marxisten hatten sich hierfür ausgesprochen, und so schien dieser neue Verband endlich den inneren Streitigkeiten ein Ende machen zu sollen. Aber indem man den Sitz nach Paris verlegte und in das Programm den Generalstreik aufnahm, hatte man diese Einigkeit sofort wieder zerstört und den Verband unter den Einfluß der Allemanisten gestellt. Dies wurde auch in dem auf dem Kongresse in Tours erstatteten Berichte über die Thätigkeit des ersten Jahres offen ausgesprochen und darauf hingewiesen, daß an der unseligen Zersplitterung, hervorgerufen durch den Einfluß der politischen Richtungen, jede Machtentwicklung der gewerkschaftlichen Organisation scheitern müsse. Von den sämtlichen vereinigten Verbänden hatten nur 34 den auf jährlich 2 Frs. festgesetzten Beitrag bezahlt und so stellte sich die für den 10. September 1896 abgeschlossene Kassenrechnung auf 808 Frs. 30 Cts. Einnahme und 371 Frs. 50 Cts. Ausgabe.

In Tours versuchte man, diesen Mißerfolg durch eine Aenderung der Organisation zu beseitigen. Der leitende „conseil national“ wird gebildet aus Vertretern, die durch die einzelnen Verbände gewählt werden. Jedes Mitglied kann nur zwei Verbände vertreten und höchstens zwei Stimmen führen; sieben ständige Kommissionen (für Agitation, Schiedsgerichte, Gesetzgebung, Statistik, Streiks, Zeitungswesen und Verwaltung) wurden eingesetzt. Die Kommission für Agitation hat die Aufgabe, die ganze Gewerkschaftsbewegung zusammenzufassen und einen einheitlichen Gewerkschaftskongreß vorzubereiten, auf dem alle Gewerkschaften vertreten sein sollen. Die Beiträge sind nach der Mitgliederzahl der Verbände von 1–10 Frs. abgestuft. Der Vereinigung können nur ganze Verbände, nicht die einzelnen Syndikate angehören, um dadurch die letzteren zum Anschlusse an die Verbände zu zwingen. Immerhin soll die Vereinigung nicht zentralistisch die Selbständigkeit der Verbände aufheben, sondern nur ein föderatives Band herstellen und eine gegenseitige Verständigung anbahnen. Eigenartig ist die Stellung der Arbeitsbörsen, da sie selbst ihrerseits Gewerkschaftsverbände darstellen. So ist die fédération nationale des bourses du travail, die 43 von den bestehenden 51 Börsen umfaßt und der von den 826 in der Confédération générale vertretenen Syndikaten 686 angehören, ein Zentralverband, der innerhalb der Confédération einen Staat im Staate darstellt und auf die Dauer neben ihr keinen Raum haben wird, obgleich man bis jetzt eine Abgrenzung der beiderseitigen Aufgaben dahin versucht hat, daß die Arbeitsbörsen die lokalen, die Confédération die allgemeinen Interessen der Gewerkschaften zu vertreten haben soll.

Der unpolitische Karakter der Vereinigung wurde von neuem betont durch den an die Spitze des Statutes gestellten Satz: „Les éléments constituant la Confédération générale se tiendrout en dehors de toute école politique.

Hinsichtlich der Frage des Generalstreiks beschloß der Kongreß ein gewisses Entgegenkommen gegen die Marxisten, indem man freilich das Prinzip mit allen gegen 4 Stimmen annahm, aber nicht allein die Thätigkeit für dessen Verwirklichung einem besonderen, außerhalb der regelmäßigen Organisation stehenden Komitee übertrug, was in Limoges vergeblich von den Marxisten gefordert war, sondern auch als Aufgabe dieses Komitees nicht die Vorbereitung des allgemeinen Streiks, sondern nur die Propaganda für denselben bezeichnete. Von allen für Streiks aufkommenden Geldern sollen 5 Proz. für diesen Zweck zurückbehalten werden.

Man beschäftigte sich ferner mit der Schaffung eines allgemeinen gewerkschaftlichen litterarischen Organes, doch wurde die Frage nicht zum Abschlusse gebracht, sondern einer Kommission überwiesen.

Dasselbe gilt von der Frage der schiedsgerichtlichen Vermittelung entstehender Streitigkeiten zwischen Arbeitern und Arbeitgebern, doch wurde den Arbeitern empfohlen, in solchen Fällen, ehe sie irgend welche Schritte thäten, sich behufs Vermittelung an ihre Gewerkschaft zu wenden. Die Schiedsgerichte sollen nicht obligatorisch sein, auch sollen ihre Sprüche nur einen moralischen Zwang darstellen, dagegen sollen ständige Einigungsämter bestehen.

Hinsichtlich der Streiks empfahl man äußerste Vorsicht, jedoch die Schaffung ständiger Streikkassen, um die einmal unvermeidlichen Arbeitseinstellungen mit Erfolg durchzuführen.

Die übrigen Beschlüsse betrafen die Ausdehnung der Gewerbegerichte auf alle Betriebszweige, die Wahl der Fabrikinspektoren durch die Arbeitersyndikate, die Gefängnisarbeit, das Submissionswesen, das Zwischenmeistersystem, Kinderarbeit, Lehrlingswesen, Stückarbeit und Einbehaltung des Lohnes, Arbeiterschutzgesetzgebung, Minimallohn und den achtstündigen Maximalarbeitstag.

Man beschloß endlich, für Abhaltung eines allgemeinen internationalen Gewerkschaftskongresses thätig zu sein, der sich ausschließlich mit gewerkschaftlichen Angelegenheiten unter Beiseitelassung aller Politik beschäftigen soll.

Obgleich der Kongreß mit einem Hoch auf die Revolution geschlossen wurde, ist er doch als ein wesentlicher Fortschritt auf der Bahn einer gewerkschaftlichen Entwicklung zu betrachten.

Der III. Kongreß der Confédération générale du travail hat vom 20. bis 25. September 1897 in Toulouse stattgefunden[33], wo 1316 Vereine durch 150 Abgeordnete vertreten waren. Die Hauptgegenstände der Beratung waren die Aenderung der Statuten und die Gründung eines täglichen an Stelle des bisherigen monatlich erscheinenden Organs. Grundsätzlich können nur Verbände von Vereinen die Mitgliedschaft erwerben, Einzelvereine nur dann, wenn der Verband, dem sie angehören, den Anschluß an die confédération ablehnt. Der Sitz wurde endgültig nach Paris verlegt. Die Ablehnung der früheren Abhängigkeit von den politischen Parteien fand seinen scharfen Ausdruck in der Bestimmung der Statuten, daß die dem Bunde angehörigen Verbände und Vereine nicht bei einer politischen Partei eingeschrieben sein dürfen. Das Ziel des Bundes ist vielmehr der Zusammenschluß der gesamten Arbeiterschaft lediglich auf wirtschaftlichem Gebiete zum Kampfe für deren „émancipation intégrale“. Der geschäftsleitende Ausschuß zerfällt in mehrere Abteilungen, die sich mit der Propaganda, mit der Einwirkung auf die Gesetzgebung, der schiedsgerichtlichen Thätigkeit, den Streiks, der Arbeitsstatistik u. s. w. zu beschäftigen haben. Auf Kongressen sollen die nationalen Verbände durch drei, die lokalen durch einen Abgeordneten vertreten sein; jeder Abgeordnete muß einem Vereine angehören. Für das tägliche Organ wurden 200000 Frs. aufgebracht. Auch dieser Kongreß hielt fest an der Empfehlung des Generalstreiks.

Auch der IV. Kongreß, der am 1. Oktober 1898 in Rennes unter Anwesenheit von 104 Abgeordneten als Vertretern von 1090 Organisationen stattfand, hat in die unbefriedigenden Verhältnisse keine durchgreifende Besserung gebracht. Um die in der Stellung zu den Arbeitsbörsen liegende Schwierigkeit zu beseitigen, wurde beschlossen, daß diese in dem conseil général künftig keine unmittelbare Vertretung haben, sondern daß in außerordentlichen Fällen beide Verbände miteinander in Beratung treten sollten. Die Gefahr, daß hierbei Zwistigkeiten entstehen, ist um so größer, als der Verband der Arbeitsbörsen unter der Leitung des Anarchisten Pelloutier steht, der bestrebt ist, die Börsen und die ganze Gewerkschaftsbewegung in anarchistisches Fahrwasser zu leiten. Die Verhandlungen über den Generalstreik ergaben, daß die Stimmung für denselben zurückgegangen ist, insbesondere haben nicht allein nur wenige Vereine die Zahlungen in den dafür vorgesehenen Fonds geleistet, sondern es sind sogar auf Anfrage bei den Vereinen nur wenige Antworten eingegangen. Sonstige Gegenstände der Beratungen waren: die Kontrollmarke, die Altersversorgung, das staatliche Getreidemonopol, die Abrüstungsfrage, die Einschränkung des Alkoholismus, der Boykott und einzelne Punkte des Arbeiterschutzes. —

Bei der Verworrenheit der Parteiverhältnisse möge die jetzige Gruppierung noch einmal kurz zusammengefaßt werden.

Es giebt in Frankreich augenblicklich sechs sozialistische Gruppen:

1. Parti ouvrier français d. h. die auf dem Kongreß in Havre 1880 in der Minderheit verbliebenen Marxisten, die nach ihrem jetzigen Führer Paul Guesde gewöhnlich als Guesdisten bezeichnet werden. Sie bilden heute ein verhältnismäßig gemäßigtes Element, indem sie die „Revolution des Stimmzettels“ vertreten d. h. ihre Pläne lediglich auf dem Wege der gesetzlichen Eroberung der politischen Macht durchzusetzen beabsichtigen. Die wirtschaftlichen Fragen, insbesondere die Streiks, stehen für sie erst in zweiter Linie.

2. Fédération des travailleurs socialistes de France, die 1882 auf dem Kongreß in St. Etienne von den Guesdisten getrennte und nach ihrem Führer Paul Brousse als Broussisten bezeichnete Gruppe, die aber an Bedeutung zurücktritt. Auch sie vertreten eine gemäßigte Richtung, ja ihnen wird seitens ihrer Gegner sogar vorgeworfen, daß sie mit fliegenden Fahnen in das Lager der Staatssozialisten übergegangen seien. Seit 1892 verwerfen sie den Generalstreik ebenso wie die Guesdisten; ihr Gegensatz zu diesen ist vorwiegend ein persönlicher.

3. Parti ouvrier socialiste révolutionaire, die 1890 auf dem Kongresse in Chatellerault abgetrennten, nach ihrem Führer Jean Allemane als Allemanisten bezeichnete Gruppe. Sie betrachten die politische Thätigkeit nur als Mittel der Propaganda und erwarten alles von der Revolution, obgleich sie diese nicht durch Gewalt, sondern durch den Generalstreik d. h. die gleichzeitige Arbeitseinstellung in allen Betrieben herbeiführen wollen. Sie sind heute die Vertreter des revolutionär-kommunistischen Prinzips und lieben es, sich als „Arbeiterproletarier“ den „geistigen Proletariern“ gegenüberzustellen.

4. Neben diesen drei auf der Grundlage des Marx'schen Systems stehenden Gruppen giebt es noch das comité révolutionaire central, das unter Führung von Vaillant die alten Blanquisten in sich vereinigt und nur politisch-revolutionäre Tendenzen verfolgt. Sie gehen meist Hand in Hand mit den Allemanisten und schließen sich diesen auch an hinsichtlich des Generalstreiks, obgleich sie keine besondere Begeisterung für ihn zeigen. Die gewerkschaftliche Thätigkeit halten sie von der politischen völlig getrennt; beide sollen dasselbe Ziel auf verschiedenen Wegen erreichen. Sie sind in erster Linie Vertreter der Zusammenfassung aller gewerkschaftlichen Richtungen.

5. Die Anarchisten. Sie haben, seitdem sie unter ein scharfes Ausnahmegesetz gestellt sind, auf die „Propaganda der That“ verzichtet, und da sie die politische Thätigkeit grundsätzlich verwerfen, so suchen sie in den Gewerkschaften ihren Einfluß geltend zu machen, um die Arbeiter für die Revolution zu erziehen.

6. Die letzte Gruppe bilden die „Socialistes indépendants“, eine nicht geschlossene Organisation, in der sich seit 1885 um den jetzt verstorbenen Benoit Malon hauptsächlich bürgerliche Sozialisten sammeln, die, wie Jaurès, Millerand, Viviani, nur unbestimmt gegen den Radikalismus abgegrenzt sind.

Außer diesen Gruppen giebt es noch die unabhängigen Gewerkschaften, unter denen die Buchdrucker die erste Stelle einnehmen. Sie sind im Gegensatz zu den revolutionären Theorien Anhänger praktischer Thätigkeit im Sinne der sozialen Reform.

Geographisch grenzt sich der Einfluß dieser Gruppen dahin ab, daß die Guesdisten in der Provinz, und zwar im Norden, in Lille, Roubaix, ferner in Lyon, Marseille und Bordeaux, die Allemanisten in Paris, die Broussisten außer in einigen Pariser Vierteln in den Städten des Westens, Blois, Chatellerault, Poitiers, Tours, die Hauptrolle spielen; hier, sowie im Departement Cher teilen sie sich den Einfluß mit den Blanquisten. —

Nach dieser geschichtlichen Darstellung mögen noch einige Angaben über die Thätigkeit der Gewerkschaften und ihrer Ausbreitung am Platze sein.

Die Syndikate zerfallen in die beiden Hauptgruppen: 1. syndicats industriels et commerciaux, 2. syndicats agricoles.

Die landwirtschaftlichen Syndikate[34], die in dem Entwurf des Gesetzes vom 21. März 1884 überhaupt nicht vorgesehen waren und erst bei der Beratung in der Kammer aufgenommen wurden, haben eine sehr große Bedeutung erlangt. Allerdings ist ihr Karakter von demjenigen der industriellen Syndikate sehr verschieden, indem sie vielfach Aufgaben übernommen haben, die in Deutschland den landwirtschaftlichen Vereinen und Genossenschaften zufallen. Dahin gehören Verbesserung der Bodenbearbeitung, Errichtung landwirtschaftlicher Versuchsanstalten und Untersuchungsstellen, gemeinschaftliche Beschaffung von Samen, Düngungsmitteln, Vieh und Maschinen, gemeinsamer Verkauf der Erzeugnisse, insbesondere Korn, Wein, Butter, Milch, Geflügel, Eier u. s. w. Auch suchen sie die Gesetzgebung, hauptsächlich die Zoll- und Agrarpolitik zu beeinflussen. Den Betrieb einer Produktivgenossenschaft verbinden sie vielfach mit demjenigen eines Konsumvereines, auch errichten sie genossenschaftliche Schlächtereien, Bäckereien, Müllereien; so giebt es allein im Departement Charente-Inferieure 130 Bäckereigenossenschaften. Eine sehr wichtige Thätigkeit entfalten die Syndikate auf dem Gebiete des Versicherungswesens, indem sie entweder selbst allerlei Versicherungen, z. B. gegen Hagel und Feuer, ja sogar gegen die Gefahr, die Ernte nicht einbringen zu können, errichten, oder sich mit Versicherungsgesellschaften in Verbindung setzen. Auch neue Industrien, wie Konservenfabriken, Stärke-, Nudelfabriken u. s. w. suchen sie auf dem Lande einzuführen, um so eine Verbindung der Industrie mit der Landwirtschaft zu erreichen.

Kommen solche Einrichtungen freilich in erster Linie den landwirtschaftlichen Besitzern zu gute, so ist doch der Gegensatz zu den ländlichen Arbeitern in Frankreich schon deshalb nicht so stark, wie in Deutschland, weil die meisten der letzteren ein kleines Grundstück besitzen. Außerdem sind aber auch viele Einrichtungen den Arbeitern als solchen von Nutzen. Hierzu gehören Witwen-, Waisen-, Sterbe-, Pensions- und Sparkassen, Sühne- und Schiedsgerichte, Volkssekretariate und Arbeitsauskunftstellen; die letzteren will man sogar zu einer Zentralstelle für ganz Frankreich zusammenfassen. Gleichfalls Bedeutung für alle Klassen haben die landwirtschaftlichen Fachkurse, Bibliotheken und Haushaltungsschulen, sowie die geselligen Veranstaltungen, bei denen das ausgesprochene Ziel ist, die gegenseitigen Vorurteile abzuschleifen und „die Schranken niederzureißen, die sich gewöhnlich zwischen die einzelnen Personen stellen“. In vielen Syndikaten wird dieser soziale Zweck mit besonderem Nachdruck betont.

Die Syndikate der Industrie und des Handels zerfallen in drei Klassen, nämlich 1. solche der Arbeitgeber, 2. solche der Arbeiter, 3. gemischte.

Die Arbeiter haben erst langsam von den Befugnissen des Gesetzes Gebrauch gemacht. Bis 1890 hielten die Syndikate der Unternehmer denen der Arbeiter die Waage; erst seit dieser Zeit steigen die letzteren rascher. Die von ihnen verfolgten Aufgaben sind neben der Statistik die Hebung der Lebenshaltung der Arbeiterklasse in allen Beziehungen, also insbesondere Erhöhung der Löhne und Verkürzung der Arbeitszeit, Arbeitsnachweis, Regelung des Lehrlingswesens, sowie Gründung von Kassen für Durchführung von Streiks und zur Unterstützung in Fällen von Krankheit, Alter und Arbeitslosigkeit. Die meisten haben auch Bibliotheken eingerichtet. Der Bericht von 1895 giebt den Arbeitersyndikaten das Zeugnis, daß sie beherrscht sind durch eine alles Lobes und aller Anerkennung würdige Mäßigung und Weisheit, wenn man sie mit der Arbeiterbewegung anderer Länder vergleicht. Im Jahre 1895[35] bestanden bei ihnen: 419 Bibliotheken, 297 Versicherungskassen, 295 Arbeitsnachweisestellen, 113 Unterrichtsanstalten, 102 Reisekassen, 94 Kassen für Arbeitslose, 43 Unterstützungskassen, 36 Konsumanstalten, 17 Produktivgenossenschaften. Uebrigens haben alle Syndikate von der Befugnis Gebrauch gemacht, sich zu Verbänden zusammenzuschließen.

Das Wachstum und die jetzige Ausdehnung der Syndikate ergiebt folgende Tabelle. Es gab

im Jahre Industrielle und kommerzielle Syndikate Landwirtschaftl.Syndikate Zusammen
Unternehmer Arbeiter Gemischte
1884 101 68 1 5 175
1885 285 221 4 39 549
1886 359 280 8 93 740
1887 598 501 45 214 1358
1888 859 725 78 461 2123
1889 877 821 69 557 2324
1890 1004 1006 97 648 2755
1891 1127 1250 126 750 3253
1892 1212 1589 147 863 3811
1893 1397 1926 173 952 4448
1894 1518 2178 177 1092 4965
1895 1622 2163 173 1188 5146
1896 1730 2253 169 1275 5427
1897 1823 2316 170 1371 5680

Die Anzahl der Mitglieder ist nur für die Zeit seit 1890 veröffentlicht und ergiebt sich aus folgender Tabelle:

Jahr Mitgliederbestand der Syndikate Zusammen
der Unternehmer der Arbeiter der gemischten der landwirtschaftlichen
1890 93411 139692 14096 234234 481433
1891 106157 205152 15773 269298 596380
1892 102549 288770 18561 313800 723680
1893 114176 402125 30052 353883 900236
1894 121914 403440 29124 378750 933228
1895 131031 419781 31126 403261 585199
1896 141877 422777 30333 423492 1018479
1897 159293 431794 32237 438596 1061920

Die Verteilung auf die Syndikate ist eine sehr verschiedene; sie ergiebt sich aus folgender für den 1. Juli 1894 gültigen Tabelle:

Mitgliederzahl Syndikate Zusammen
Unternehmer Arbeiter gemischte landwirtschaftl.
20 u. darunter 314 294 30 48 686
21 50 578 613 50 174 1415
51 100 287 386 43 199 915
101 200 140 319 25 195 679
201 500 56 205 9 184 454
501 1000 13 62 7 77 159
1001 2000 5 27 8 55 95
2001 5000 3 10 1 14 28
5001 10000 1 7 4 12
über 10000 3 2 5

An Verbänden von Syndikaten gab es:

Jahr Unternehmer Arbeiter gemischte landwirtschaftl. Zusammen
1884 10 10 20
1885 12 13 25
1886 13 13 2 28
1887 16 15 7 38
1888 17 15 9 41
1. Juli 1889 18 16 8 42
1890 22 24 1 9 56
1891 22 27 5 9 63
1892 24 47 8 14 93
1893 29 61 11 16 117
1894 29 72 9 15 126
1895 38 79 9 17 143
1896 42 86 8 19 155
1897 46 92 8 20 166

Die Zahl der in diesen Verbänden vereinigten Syndikate und deren Mitgliederbestand ergiebt sich aus folgender Tabelle:

Jahr Zahl der Syndikate Mitglieder der Syndikate
Unternehmer Arbeiter gemischte landwirtschaftliche Unternehmer Arbeiter gemischte landwirtschaftliche
1894 498 896 35 729 61509 132986 2394 537966
1895 672 1191 35 821 80261 334824 2518 565318
1896 730 1248 34 876 84677 336491 2807 590121
1897 783 1320 36 1006 89016 326835 3395 596534[36]

Ein ziemlich erhebliches Schwanken in der Syndikatsbewegung ergiebt sich daraus, daß viele sich auflösten und andere sich neu bildeten. So wurden 1897

Syndikate Syndikatsverbände
Unternehmer Arbeiter gemischte landwirtschaftliche Zusammen Unternehmer Arbeiter gemischte landwirtschaftliche Zusammen
aufgelöst 87 167 7 48 309 4 3 4 11
gegründet 180 230 8 144 562 8 9 5 22

Die Zahl der Arbeitsbörsen, der an ihnen beteiligten Syndikate und deren Mitglieder enthält folgende Tabelle:

Jahr Zahl der Börsen Zahl der Syndikate Zahl der Mitglieder
1894 37 658 73359
1895 34 688 199382
1896 45 946 144727
1897 49 1047 166886

Von den 49 Arbeitsbörsen waren 2 1887, 1 1888, 2 1889, 4 1890, 6 1891, 6 1892, 9 1893, 2 1894, 4 1895 und 13 1896 entstanden; 3 andere hatten sich wieder aufgelöst. Die 48 Börsen der Provinz hatten 1896 auf 68220 Nachfragen 40061 Stellen vermittelt. Die Börse von Paris umfaßte nach ihrem am 31. Oktober 1897 abgeschlossenen Berichte 194 Syndikate, von denen 82 einen Arbeitsnachweis besaßen, während die Börse selbst sich damit nicht befaßt, sondern ihre Thätigkeit in der Vertretung der allgemeinen Klasseninteressen sieht.

Die Gewerkschaftsbewegung

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