Читать книгу Ein Tropfen Geduld - William Melvin Kelley - Страница 11
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ОглавлениеKurz vor Beginn des letzten Sets stand Ludlow allein mit Malveen am Ende des Tresens. Es war eine zähe Nacht für sie gewesen. Small-Change war schon das fünfte Mal unterwegs, diesmal mit einem »Einmal-im-Jahr-Mann«, wie sie es Ludlow gegenüber ausgedrückt hatte. Sie hatte Ludlow und Malveen versichert, sie werde in einer Viertelstunde wieder zurück sein. »Der kriegt wahrscheinlich nicht mal einen hoch.«
Malveen hatte nur zwei Freier gehabt. Seit fast zwei Stunden stand sie an der Bar und trank stetig. Zunächst schien es ihr nichts auszumachen, dass es eine schlechte Nacht für sie war. »Die Miete und das Essen für diese Woche hab ich zusammen. Wenn ich will, kann ich mir sogar ein neues Kleid kaufen. Verdammt, ich will schließlich nicht reich werden.«
Ludlow war schon aufgefallen, dass die Geschäfte bei Small-Change meistens besser liefen, und eines Nachts, als Hardie ihn nach Hause brachte, hatte er ihn danach gefragt. »Es liegt an ihrem Gesicht, Ludlow. Ich mein – überleg mal, welche Sorte Mann zu einer Hure geht. Malveen ist wahrscheinlich die Hübschere. Aber Small-Change sieht so aus, als würd sie alles machen, also, wirklich alles. Sie sieht verrückt aus. Man muss nur einen Blick auf ihr Gesicht werfen, dann weiß man, dass man was Irres erleben wird, wenn man mit ihr aufs Zimmer geht und die Kohle auf den Tisch legt. Und genau das will man doch, wenn man schon dafür bezahlen muss.«
Aber was Hardie in ihrem Gesicht sah, konnte Ludlow in Small-Changes spröder, verbitterter Stimme nicht hören. Und er war zwar schon von beiden Frauen umarmt und liebkost worden, aber nur bei Malveen kam seine Fantasie in Gang. Er dachte immer öfter an sie, überlegte, ob es ihr ernst damit war, dass er sie mal besuchen sollte. Er wollte es gern glauben, und schließlich glaubte er es. Er beschloss, wenn sie ihn das nächste Mal zu sich einlud, die Frage zu riskieren, ob sie das ernst meinte. Es war gut, dass Small-Change und Hardie (der irgendwo in der Bar unterwegs war und versuchte, sich selbst eine Einladung zu sichern) gerade nicht da waren; falls Malveen ihm eine Abfuhr erteilte oder ihn auslachte, würde zumindest niemand dabei sein, der ihn dann verspottete. Im vorigen Set hatte er versucht, besonders gut zu spielen, denn meistens war es die Musik, auf die Malveen ansprang. Aber sie hatte nur gesagt, er habe gut geklungen, sonst nichts. Stumm inmitten des Stimmengewirrs wartete er darauf, dass sie mehr sagte.
Schließlich seufzte sie, und er fragte, was los sei.
»Stimmt vielleicht mit meinem Aussehen was nicht mehr?« Sie hielt inne. »Verdammt, das kannst du mir natürlich nicht sagen.« Sie schluckte herunter und knallte ihr Glas auf den Tresen. »Mir gefällt einfach der Spielstand nicht: fünf zu zwei. Ich hab auch meinen Stolz. Vielleicht brauch ich ein neues Kleid – eins, das bisschen mehr sehen lässt.«
Für einen Moment vergaß Ludlow, was ihn selbst beschäftigte. Schließlich mochte er sie einfach sehr gern und wollte nicht, dass sie unglücklich war. »Was hast du denn jetzt gerade an, Malveen?«
»Was Grünes, so weicher Stoff, weißt du. Mit ’nem großen Ausschnitt.« Sie zog die Stimme ein, redete jetzt eher mit sich selbst. »Vielleicht ist der Ausschnitt nicht tief genug oder so. Ein paar Perlen sind auch dran. Es ist schön. Hier, fühl mal.« Sie nahm seine Hand und legte sie sich auf den Bauch. Der Stoff war glatt. Er spürte, wie sich ihr Bauch darunter hob und senkte. Sein Daumen streifte die untere Rundung ihrer Brüste. Sie ließ sein Handgelenk los, und ohne dass es ihm recht bewusst gewesen wäre, ließ er die Fingerspitzen noch einen Moment liegen. Plötzlich verlegen zog er die Hand zurück und umklammerte den Tresen. Ihm war komisch zumute, leicht übel, und seine Ohren waren wie betäubt.
»Ich weiß nicht, wie diese dürre Zicke das macht. Da sieht mich einer von der anderen Seite der Bar aus und kommt rüber. Ich weiß, dass er mich im Auge hat. Aber wenn er dann hier ist, grinst sie ihn an, und am Ende bestell ich mir den nächsten Drink, und sie geht mit ihm weg.«
Ludlow dachte an das, was Hardie ihm gesagt hatte, beschloss aber, es Malveen nicht zu erzählen.
»Du hast mich immer gemocht.« Ihre Stimme lächelte. »Aber ich wette, du willst auch nichts mehr von mir wissen.«
Hardie hatte ihm gesagt, er solle ruhig bleiben, aber seine Hände auf dem harten Tresen begannen zu zittern. »Doch, das will ich sehr wohl.« Er hatte es mit tiefer Stimme sagen wollen, entspannt, fast scherzend, stattdessen klang er wie ein kleiner Junge, der seinen Freunden versichern will, dass er keine Angst hat.
Malveen schien es nicht zu bemerken. Sie sagte zum Tresen gewandt: »Klar, du schon. Du bist mein treuer Liebster.«
»Nee, wirklich, Baby.« Auch das kam völlig falsch heraus. Er wartete auf ihre Reaktion. Jetzt würde sie wissen, was er gedacht hatte. Und er würde herausfinden, ob sie es ernst meinte.
»Ja wie, Ludlow.« Ihr Ton war nachsichtig. »Du willst dich ja wohl nicht an mich ranmachen, oder?«
»Na, was meinst du denn, Baby?« Er versuchte es so zu sagen, wie Hardie es gesagt hätte, aber es klang tatsächlich nur nachgemacht, weder echt noch entspannt, sondern falsch und schrill.
Malveen fing an zu lachen.
Ludlows Stirn wurde kalt, dann feucht. »Was hast du denn sonst so für Angebote gehabt in letzter Zeit?« Ihm war nicht klar gewesen, wie sehr er sie hatte verletzen wollen, nachdem sie ihn ausgelacht hatte. Einen Moment lang fragte er sich, woher dieser Impuls, sie zu verletzen, wohl kam.
»Jedenfalls nicht viele.« Sie nahm noch einen Schluck. »Übrigens brauchst du gar nicht so kiebig werden. Ich hab nur gelacht, weil ich immer dachte, du hältst mich für deine Mama oder so was.«
»Du bist alles andere als eine Mama.« Das kam zu seiner Überraschung ganz souverän heraus. Für einen Augenblick war er nicht mehr nervös oder ängstlich. Hardie hatte recht gehabt. Im entscheidenden Moment hatte Ludlow gewusst, was er tun und was er sagen sollte.
Das einzige Geräusch in seiner Nähe war Malveens Atem. Sie starrte ihn an, das spürte er. »Also gut. Dann wart ich auf dich.« Ludlow stand neben ihr, den linken Fuß auf der Metallstange, die unten am Tresen entlang verlief, den rechten fest auf dem Boden, aber seine Knie fühlten sich etwas wackelig an, und seine Handflächen waren schweißfeucht. Er atmete schwer.
Sie hatte eingewilligt. Ihm wurde klar, dass er nicht damit gerechnet hatte. Ja er konnte nicht mal mehr mit Sicherheit sagen, ob er überhaupt gewollt hatte, dass sie einwilligte. Vielleicht wäre er schlicht damit zufrieden gewesen, den Mut aufzubringen, sie zu fragen. Aber sie hatte seinen paar souveränen Worten geglaubt. Sobald sie miteinander allein wären, würde sie allerdings erkennen, was er war, was er getan hatte. Vielleicht hätte er ihr die Wahrheit sagen sollen, nämlich dass er es noch nie mit einer Frau gemacht hatte, und sie dann bitten sollen, so freundlich zu sein, es ihm beizubringen. Das konnte er immer noch tun – und dann würde sie ihn so laut auslachen, so gnadenlos verspotten, dass er lieber ins Heim würde zurückkehren wollen, als den Leuten im Boone’s jemals wieder unter die Augen zu treten. All das ging ihm durch den Kopf, während er neben ihr stand – bis Hardie zu seiner Rettung kam und ihn in die Sicherheit der Bühne führte.
Er spielte nicht sehr gut. Die wenigen Noten, auf die er richtig achtete, kamen zittrig und unsicher heraus. Aber Rodney sagte nichts, offenbar fiel es also niemandem auf. Während er spielte, stellte er sich alles vor: wie es wohl sein würde, was er tun würde; probte in Gedanken immer wieder den oft geträumten Traum. Schließlich war das Set zu Ende, und Hardie, den er in seine Pläne eingeweiht und der ihm abermals eingeschärft hatte, ruhig zu bleiben, egal was geschehe, führte ihn wieder an den Tresen.
»Hier ist er. Sei nett zu ihm.« Hardie schien sie zu necken. Ludlow fragte sich, ob er eifersüchtig war.
»Du Mistkerl.« Malveen hatte weitergetrunken und klang jetzt wie Small-Change. Ludlow überlegte, ob er das Ganze abblasen, ihr sagen sollte, dass er nur Witze gemacht hatte, aber dafür war es jetzt zu spät. Er musste es durchziehen. Außerdem würde sie anders sein, wenn sie miteinander allein waren. Hardie wünschte ihnen viel Spaß und zog ab.
Ludlow wartete an der Bar. Den Stock hatte er über den Arm gehängt, den Instrumentenkoffer in der rechten Hand, mit der Linken umfasste er das glatte Holz des Tresens. »Bist – bist du so weit, Malveen?«
Sie stieß gegen ihn, sie war ziemlich betrunken. »Klar. Bin so weit.« Sie klang trotzig. »Lass mich noch austrinken. Du willst ja wohl nicht, dass ich das Geld verliere, das ich für diesen Drink bezahlt hab, oder?« Ludlow legte seinen Koffer auf den Tresen, ließ den Stock aber, wo er war. »Nein.«
Sie kippte ihren Drink herunter, stellte das Glas ab und packte seinen Arm. »Komm, Schätzchen.« Einen Moment lang roch er nur ihre Fahne. Dann war der Moment vorbei. Er hatte seinen Instrumentenkoffer wieder in der Hand, und sie stützte sich auf ihn und führte ihn aus der Bar. Draußen küsste sie ihn auf die Wange. »Diese blöde Zicke! Die ist bestimmt eifersüchtig, wenn sie erfährt, dass du mit mir mitgegangen bist. Wir werden unsern Spaß haben.«
Ludlow hielt seinen Instrumentenkoffer fest und wünschte, er hätte ihn in der Bar stehen lassen. Malveens Brüste streiften seinen Ellbogen: der glatte, raschelige Stoff, dann eine Naht an ihrem BH, darunter ihre Haut. Er wankte unter ihrem wankenden Gewicht. Sie kamen nur an wenigen Leuten vorbei. Doch jedes Mal dachte er, obwohl das natürlich ein alberner Gedanke war, dass alle, an denen sie vorbeikamen, ahnten, warum er mit ihr unterwegs war, und ihn beobachteten.
»Oh.« Malveen blieb nach fünf Minuten abrupt stehen. »Hier ist es. Fast wären wir dran vorbeigegangen. Hier ist es.« Sie führte ihn drei hölzerne Stufen hoch, auf eine knarrende Veranda, und blieb wieder stehen. »Mir ist schwindlig.«
»Ist alles in Ordnung?«
»Klar. Wir werden auf jeden Fall unsern Spaß haben.« Die Fliegengittertür machte ein Geräusch wie ein Ochsenfrosch. Malveen zog ihn ins Haus, und sie stiegen eine schmale Treppe hinauf, deren Stufen in der Mitte alle ausgetreten waren, vielleicht von den anderen Männern, die ihr nach oben zu ihrem Bett gefolgt waren. Im ersten Stock blieb sie stehen, klimperte in ihrer Handtasche herum, dann rappelte ein Schlüssel im Schloss, und sie öffnete die Tür. Sie ließ ihn im Flur stehen, machte zwei klackernde Schritte ins Zimmer, zog an der ratschenden Kette einer Lampe. »So, komm rein.« Sie trat zu ihm, legte ihm die Arme um den Hals und zog ihn, rückwärtsgehend, über die ausgetretene Schwelle. Ihre Schenkel waren weich. Er konnte die Umarmung nicht erwidern, weil er noch Stock und Instrumentenkasten in den Händen hielt. Wieder umfing eine Alkoholwolke sein Gesicht. Ihre Lippen waren fleischig. Hardie hatte ihm gesagt, er solle den Mund öffnen; er öffnete den Mund. Ihre Zähne waren unregelmäßig, einer war glatter als die anderen, vielleicht war er aus Gold. Ihr Körper wärmte seinen von den Knien bis zu den Schultern. Sie presste Oberschenkel und Bauch gegen ihn. Er war verlegen, weil er wusste, was sie da spürte. »Na, du verschwendest ja keine Zeit, Süßer.« Sie küsste ihn noch einmal flüchtig, dann lachte sie. »Hab vergessen, die Tür zuzumachen. Ist ja schließlich keine öffentliche Veranstaltung hier.« Sie ließ ihn los, zog die Tür zu und schloss ab, dann ging sie an ihm vorbei ins Zimmer. Es schien nicht sehr groß zu sein, hallte nicht. Die Kette der Lampe klirrte am Glas. »So. Jetzt seh ich auch nichts mehr.« Sie kam zu ihm, drückte sich an ihn, küsste ihn. Als sie sich schließlich von ihm löste, waren seine Lippen feucht und klebrig von Lippenstift. »Zieh mich aus.«
Er streckte die Hand nach ihr aus und merkte erst jetzt, dass er immer noch Stock und Koffer trug. Er legte den Stock auf den Boden und stellte den Koffer ab, der ihm gegen das Bein kippte, als er sich wieder aufrichtete, dann griff er mit nervösen Händen nach ihr. Er hoffte, Malveen würde das Zittern nicht sehen.
Seine Finger trafen auf die mit weichem Fleisch gepolsterte Festigkeit von Brustkorb und Rücken. Er fand sieben Knöpfe und öffnete sie, immer noch zittrig. Sie wand sich kurz hin und her, dann der Schock nackter Haut unter seinen Händen, feucht und kühl. Wie ein Fassreif zog sich das Verschlussband ihres BHs um ihren Rücken, das Fleisch quoll auf beiden Seiten darunter hervor.
»Herrje, Süßer, nun mach ihn halt auf.«
Er zog die beiden Enden des Bandes zusammen und hakte den Verschluss auf. Das Band hinterließ Rillen in der Haut, ein richtiges Muster. Sie drehte sich jäh um, und ihre Brüste kitzelten seine Handflächen. Makellose, nur von dem eingedrückten Muster gezeichnete Haut umgab kleine kalte Brustwarzen. Er hatte das gleiche dumpf bohrende Gefühl im Magen wie vorher an der Bar, als er über ihr Kleid gestrichen hatte. Ihm schien, als wären nur seine Hände wirklich lebendig. Nur die spürte er, und seinen Magen, der sich verkrampfte. Sie trat noch dichter heran, legte die Arme um ihn, presste ihre Brüste an seinen Oberkörper, ihr Kleid in die Taille heruntergerutscht. »Und, Ludlow – das ist doch so gut, wie du gedacht hast, oder?«
Er wusste, dass sie das fragte, weil sie spürte, wie starr sein Körper war – vor Angst –, wobei sie nicht wusste, dass er Angst hatte. Sie trat einen Schritt von ihm weg. »Den Rest mach ich selbst.« Ihre Schuhe polterten über den Holzboden. Gummiband schnalzte, das Rascheln von Stoff. »So, jetzt bist du dran.«
Sie griff nach seinem Gürtel, öffnete die Schnalle und zog ihm Hose und Unterhose über die Hüften und Beine, bis auf den Boden. Er stieg aus ihnen heraus. Eine Erinnerung aus ferner Vergangenheit huschte ihm durch den Kopf, die Erinnerung, wie seine Mutter das bei ihm getan hatte. Die Stimme seiner Mutter hörte er dabei nicht, spürte auch nicht ihre Hände, da war nur dieses Gefühl, die Kleider ausgezogen zu bekommen.
Malveens Hände lagen jetzt auf seinen Schultern, streiften ihm das Jackett ab, blieben mit den Fingernägeln kurz an den Hemdsärmeln hängen. Sie löste seine Fliege und legte sie weg, knöpfte sein Hemd auf und zog es ihm aus. Ihre Hände berührten seinen Bauch, und er zog ihn ein, als hätte er einen Schlag verpasst bekommen. »Na komm, Mann, worauf wartest du noch?«
»Auf gar nichts, Baby.« Er versuchte vergeblich, abgebrüht zu klingen.
»Das Bett ist da drüben.« Sie zog ihn durchs Zimmer, bis er ein Laken an den Beinen spürte. Dann kicherte sie, sie war immer noch ziemlich betrunken. »Du hast ja noch Socken und Schuhe an. Willst du nach dem Ficken gleich wegrennen?«
Er setzte sich aufs Bett und schnürte seine Schuhe auf, zog die Socken aus. Das Bett unter seinem nackten Hintern war ungemacht, zerwühlt, und er konnte nicht umhin, an die anderen beiden Männer zu denken, die heute Abend vielleicht schon an genau dieser Stelle gesessen hatten.
»Komm, Ludlow.« Sie war hinter ihm auf dem Bett. »Komm, Süßer. Lieb mich zu Tode.«
Er streckte sich neben ihr aus. Sie hatte geschwitzt, aber der Schweiß war getrocknet. Sie war kühl und klebrig. Sie rieb ihre Füße an seinen, dann drückte sie ein weiches Bein zwischen seine angespannten Beine und schob es nach oben. Sie küsste ihn, und er erwiderte ihren Kuss, so wie Hardie es ihm erklärt hatte. Während des Küssens begann sie zu stöhnen, es kam ihm unwirklich vor. Er erinnerte sich, dass Hardie oder sonst irgendwer ihm gesagt hatte, das Mädchen würde irgendwann anfangen zu stöhnen, und wusste, dass es jetzt wohl an der Zeit war, sie zu lieben. Er wälzte sich auf sie, und sie öffnete die Beine. Es überraschte ihn, wie weit er in sie hineinkam. Und ehe er sich’s versah, war es auch schon vorbei, noch schneller als in den einsamem Momenten mit seinen Vorstellungen und dem Taschentuch, und er fühlte sich schwächer als je zuvor in seinem Leben.
Malveen, die ausgestreckt unter ihm lag, schubste ihn fluchend weg. »Du Mistkerl! Ist das alles? Was Besseres kriegst du nicht hin mit deiner heißen kleinen Rute?«
Er verstand gar nichts. »Was ist denn los?«
»Was los ist? Du heuchlerischer, gottverdammter blinder Mistkerl! Runter von mir, du elende Schwuchtel! Runter!«
In die Laken verheddert, stemmte er sich von ihr hoch und hockte sich auf die Knie. »Was hab ich denn gemacht, Malveen?«
»Was du gemacht hast! Ich sollte dich dafür bezahlen lassen. Du hast überhaupt nichts gemacht. Gar nichts. Ich hatte gerade angefangen, mich an dich zu gewöhnen. Was du gemacht hast? Nimm deine Kleider und verschwinde.«
Der Federrost quietschte und hob sich auf einer Seite. Die Lampenkette klickte, und etwas Schweres, Hartes streifte ihn am Kopf und fiel vor ihm aufs Bett – einer von seinen Schuhen. Und dann prasselten seine Kleidungsstücke auf ihn nieder, während er noch auf dem Bett kniete und sie hin- und herrannte und ihn anschrie: »Raus hier, hau ab!«
Schließlich hörte der Kleiderhagel auf, und sie zerrte ihn vom Bett und schubste ihn durchs Zimmer. Sie riss die Tür auf und stieß ihn hinaus in den Flur, wo er andere Frauen kichern und flüstern hörte.
»Wer ist denn das?«
»Dem hat Malveen aber die Meinung gegeigt.«
»Hat er nicht bezahlt?«
»Schwuchtel hat sie ihn genannt.«
Seine Kleider trafen seine Beine. »Zieh dich an, und dann weg von meiner Tür! So eine elende Blamage!« Sie ging wieder in ihr Zimmer. »Hier ist dein gottverdammter Stock.« Ein Klappern neben ihm auf dem Boden. »Und das nimmst du auch mit!« Etwas fiel mit dumpfem Schlag auf den Haufen Kleider. Er bückte sich und ertastete seinen Instrumentenkoffer. »Und jetzt hau ab!« Die Tür knallte zu.
Zu Gekicher, Zungenschnalzen und messerscharfem Gezischel zog er sich an, fischte jedes Kleidungsstück einzeln aus dem wirren Haufen zu seinen Füßen. Als er schließlich sein Jackett anzog, waren die Frauen alle verschwunden, hatten eine nach der anderen ihre Tür hinter sich zugemacht. Er war allein im Flur. Hinter Malveens Tür war es still. Er griff nach Stock und Instrumentenkoffer und schlich die Treppe hinunter, ihm war, als wäre sie von Frauen gesäumt, die mit dem Finger auf ihn zeigten.
Auf der Straße fragte er den ersten Menschen, dem er begegnete, nach dem Weg und machte sich dann auf. Er ging langsam, und erst nach zehn Minuten merkte er, dass sein Gesicht tränennass war, weniger vor Scham als vor Wut. Er schwor sich, dass ihm so etwas nie wieder passieren würde. Und er schwor sich außerdem, dass er eines Tages in Malveens Zimmer und Bett zurückkehren und sich beweisen würde, selbst wenn er sie dafür bezahlen müsste. Aber dann kamen ihm Zweifel, ob er auch nur einen dieser Schwüre würde halten können, und er fühlte sich mit einem Mal so mutlos, dass er stehen blieb. Irgendwann ging er schließlich weiter, und als er sich Missus Scotts Haus näherte, lächelte er. Immerhin, dachte er sich, wusste er jetzt, worum es ging.