Читать книгу Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch) - William Shakespeare, William Shakespeare - Страница 159

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ERSTER AKT

Inhaltsverzeichnis

ERSTE SZENE

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Helsingör. Eine Terrasse vor dem Schlosse

Francisco auf dem Posten, Bernardo tritt auf.

BERNARDO

Wer da?

FRANCISCO

Nein, mir antwortet; steht und gebt Euch kund!

BERNARDO

Lang lebe der König!

FRANCISCO

Bernardo?

BERNARDO

Er selbst.

FRANCISCO

Ihr kommt gewissenhaft auf Eure Stunde.

BERNARDO

Es schlug schon zwölf, mach dich zu Bett, Francisco.

FRANCISCO

Dank für die Ablösung! 's ist bitter kalt,

Und mir ist schlimm zumut.

BERNARDO

War Eure Wache ruhig?

FRANCISCO

Alles mausestill.

BERNARDO

Nun, gute Nacht!

Wenn Ihr auf meine Wachtgefährten stoßt,

Horatio und Marcellus, heißt sie eilen.

[Horatio und Marcellus treten auf. ]

FRANCISCO

Ich denk, ich höre sie. - He, halt! Wer da?

Horatio und Marcellus treten auf.

HORATIO

Freund dieses Bodens.

MARCELLUS

Und Vasall des Dänen.

FRANCISCO

Hab gute Nacht!

MARCELLUS

O grüß dich, wackrer Krieger.

Wer hat dich abgelöst?

FRANCISCO

Bernardo hat den Posten.

Habt gute Nacht.

Ab.

MARCELLUS

Holla, Bernardo!

BERNARDO

Sprecht!

He, ist Horatio da?

HORATIO

Ein Stück von ihm.

BERNARDO

Willkommen Euch! Willkommen, Freund Marcellus!

HORATIO

Nun, ist das Ding heut wiederum erschienen?

BERNARDO

Ich habe nichts gesehn.

MARCELLUS

Horatio sagt, es sei nur Einbildung,

Und will dem Glauben keinen Raum gestatten

An dieses Schreckbild, das wir zweimal sahn;

Deswegen hab ich ihn hieher geladen,

Mit uns die Stunden dieser Nacht zu wachen,

Damit, wenn wieder die Erscheinung kommt,

Er unsern Augen zeug und mit ihr spreche.

HORATIO

Pah, pah! Sie wird nicht kommen.

BERNARDO

Setzt Euch denn

Und laßt uns nochmals Euer Ohr bestürmen,

Das so verschanzt ist gegen den Bericht,

Was wir zwei Nächte sahn.

HORATIO

Gut, sitzen wir,

Und laßt Bernardo uns hievon erzählen.

BERNARDO

Die allerletzte Nacht,

Als eben jener Stern, vom Pol gen Westen,

In seinem Lauf den Teil des Himmels hellte,

Wo jetzt er glüht, da sahn Marcell und ich,

Indem die Glocke eins schlug -

MARCELLUS

O still! Halt ein! Sieh, wie's da wieder kommt!

Der Geist kommt , in Waffen.

BERNARDO

Ganz die Gestalt wie der verstorbne König.

MARCELLUS

Du bist gelehrt, sprich du mit ihm, Horatio!

BERNARDO

Siehts nicht dem König gleich? Schau's an, Horatio!

HORATIO

Ganz gleich; es macht mich starr vor Furcht und Staunen.

BERNARDO

Es möchte angeredet sein.

MARCELLUS

Horatio, sprich mit ihm.

HORATIO

Wer bist du, der sich dieser Nachtzeit anmaßt,

Und dieser edlen, kriegrischen Gestalt,

Worin die Hoheit des begrabnen Dänmark

Weiland einherging? Ich beschwöre dich

Beim Himmel, sprich!

MARCELLUS

Es ist beleidigt.

BERNARDO

Seht, es schreitet weg.

HORATIO

Bleib, sprich! Sprich, ich beschwör dich, sprich!

Geist ab.

MARCELLUS

Fort ists und will nicht reden.

BERNARDO

Wie nun, Horatio? Ihr zittert und seht bleich:

Ist dies nicht etwas mehr als Einbildung?

Was haltet Ihr davon?

HORATIO

Bei meinem Gott, ich dürfte dies nicht glauben,

Hätt ich die sichre, fühlbare Gewähr

Der eignen Augen nicht.

MARCELLUS

Siehts nicht dem König gleich?

HORATIO

Wie du dir selbst.

Genau so war die Rüstung, die er trug,

Als er sich mit dem stolzen Norweg maß;

So droht' er einst, als er in harter Zwiesprach

Aufs Eis warf den beschlitteten Polacken.

's ist seltsam.

MARCELLUS

So schritt er, grad um diese dumpfe Stunde,

Schon zweimal kriegrisch unsre Wacht vorbei.

HORATIO

Wie dies bestimmt zu deuten, weiß ich nicht;

Allein soviel ich insgesamt erachte,

Verkündets unserm Staat besondre Gärung.

MARCELLUS

Nun setzt euch, Freunde; sagt mir, wer es weiß,

Warum dies aufmerksame, strenge Wachen

Den Untertan des Landes nächtlich plagt?

Warum wird Tag für Tag Geschütz gegossen

Und in der Fremde Kriegsgerät gekauft?

Warum gepreßt für Werften, wo das Volk

Den Sonntag nicht vom sauren Werktag trennt?

Was gibts, daß diese schweißbetriefte Eil

Die Nacht dem Tage zur Gehülfin macht?

Kann jemand mich belehren?

HORATIO

Ja, ich kanns;

Zum mindsten heißt es so. Der letzte König

Ward, wie Ihr wißt, durch Fortinbras von Norweg,

Den eifersüchtger Stolz dazu gespornt,

Zum Kampf gefordert; unser tapfrer Hamlet

- Denn diese Seite der bekannten Welt

Hielt ihn dafür - schlug diesen Fortinbras,

Der laut dem untersiegelten Vertrag,

Durch Recht und Rittersitte wohl bekräftigt,

Mit seinem Leben alle Länderein,

So er besaß, verwirkte an den Sieger;

Wogegen auch ein angemeßnes Teil

Von unserm König ward zum Pfand gesetzt,

Das Fortinbras anheimgefallen wäre,

Hätt er gesiegt, wie durch denselben Handel

Und Inhalt der besprochnen Punkte seins

An Hamlet fiel. Nun hat Jung Fortinbras

Von unerprobtem Feuer heiß und voll,

An Norwegs Ecken hier und da ein Heer

Landloser Abenteurer aufgerafft,

Für Brot und Kost zu einem Unternehmen,

Das Herz hat; welches denn kein andres ist,

Wie unser Staat das auch gar wohl erkennt,

Als durch die starke Hand und Zwang der Waffen

Die vorbesagten Land' uns abzunehmen,

Die so sein Vater eingebüßt; und dies

Scheint mir der Antrieb unsrer Zurüstungen,

Die Quelle unsrer Wachen und der Grund

Von diesem Treiben und Gewühl im Lande.

BERNARDO

Nichts anders, denk ich, ists als eben dies.

Wohl trifft es zu, daß diese Schreckgestalt

In Waffen unsre Wacht besucht, so ähnlich

Dem König, der der Anlaß dieses Kriegs.

HORATIO

Ein Stäubchen ists, des Geistes Aug zu trüben.

Im höchsten palmenreichsten Stande Roms,

Kurz vor dem Fall des großen Julius, standen

Die Gräber leer, verhüllte Tote schrien

Und wimmerten durch alle römschen Gassen;

Und ebensolche Zeichen grauser Dinge,

Als Boten, die dem Schicksal stets vorangehn,

Und Vorspiel der Entscheidung, die sich naht,

Hat Erd und Himmel insgemein gesandt

An unsern Himmelsstrich und Landsgenossen,

Wie feuergeschweifte Sterne, blutger Tau,

Die Sonne fleckig; und der feuchte Stern,

Des Einfluß waltet in Neptunus' Reich,

Krankt an Verfinstrung wie zum Jüngsten Tag.

[Der Geist kommt wieder. ] Doch still! Schaut, wie's da wieder kommt. Der Geist kommt wieder. Ich kreuz es Und sollt es mich verderben. - [Er breitet die Arme aus. ] Steh, Phantom, Hast du Gebrauch der Stimm und einen Laut: Sprich zu mir! Ist irgendeine gute Tat zu tun, Die Ruh dir bringen kann und Ehre mir: Sprich zu mir! Bist du vertraut mit deines Landes Schicksal, Das etwa noch Voraussicht wenden kann: O sprich! Und hast du aufgehäuft in deinem Leben Erpreßte Schätze in der Erde Schoß, Wofür ihr Geister, sagt man, oft im Tode Umhergeht, Der Hahn kräht. sprich davon! Verweil und sprich! [Der Hahn kräht. ] Halt es doch auf, Marcellus!

MARCELLUS

Soll ich nach ihm mit der Hellbarde schlagen?

HORATIO

Tu's, wenns nicht stehen will!

BERNARDO

's ist hier!

HORATIO

's ist hier!

MARCELLUS

's ist fort!

Geist ab. Wir tun ihm Schmach, da es so majestätisch, Wenn wir den Anschein der Gewalt ihm bieten; Denn es ist unverwundbar wie die Luft, Und unsre leeren Streiche foppen uns.

BERNARDO

Es war am Reden, als der Hahn just krähte.

HORATIO

Und da fuhrs auf gleich einem sündgen Wesen

Beim Aufruf zum Gericht. Ich hab gehört,

Der Hahn, der als Trompete dient dem Morgen,

Erweckt mit schmetternder und heller Kehle

Den Gott des Tages, und auf seine Mahnung,

Sei's in der See, im Feur, Erd oder Luft,

Eilt jeder schweifende und irre Geist

In sein Revier; und von der Wahrheit dessen

Gab dieser Gegenstand uns den Beweis.

MARCELLUS

Es schwand erblassend mit des Hahnes Krähn.

Sie sagen, immer, wann die Jahrszeit naht,

Wo man des Heilands Ankunft feiert, singe

Die ganze Nacht durch dieser frühe Vogel;

Dann darf kein Geist umhergehn, sagen sie,

Die Nächte sind gesund, dann trifft kein Stern,

Kein Kobold schweift, noch können Hexen zaubern:

So gnadenvoll und heilig ist die Zeit.

HORATIO

So hört auch ich und glaube dran zum Teil.

Doch seht, der Morgen, angetan mit Purpur,

Betritt den Tau des hohen Hügels dort;

Laßt uns die Wacht abbrechen, und ich rate,

Vertraun wir, was wir diese Nacht gesehn,

Dem jungen Hamlet; denn, bei meinem Leben,

Der Geist, so stumm für uns, ihm wird er reden.

Ihr willigt drein, daß wir ihm dieses melden,

Wie Lieb uns nötigt und der Pflicht geziemt?

MARCELLUS

Ich bitt Euch, tun wir das; ich weiß, wo wir

Ihn am bequemsten heute finden werden.

Alle ab.

Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch)

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