Читать книгу Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch) - William Shakespeare, William Shakespeare - Страница 160

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ZWEITE SZENE

Inhaltsverzeichnis

Helsingör. Ein Staatszimmer im Schlosse

Der König, die Königin, Hamlet, Polonius, Laertes, Voltimand, Cornelius, Herren vom Hofe und Gefolge.

KÖNIG

Wiewohl von Hamlets Tod, des werten Bruders,

Noch das Gedächtnis frisch, und ob es Unserm Herzen

Zu trauern ziemte und dem ganzen Reich,

In eine Stirn des Grames sich zu falten:

So weit hat Urteil die Natur bekämpft,

Daß Wir mit weisem Kummer sein gedenken,

Zugleich mit der Erinnrung an Uns selbst.

Wir haben also Unsre weiland Schwester,

Jetzt Unsre Königin, die hohe Witwe

Und Erbin dieses kriegerischen Staats,

Mit unterdrückter Freude sozusagen,

Mit einem heitern, einem nassen Auge,

Mit Leichenjubel und mit Hochzeitklage,

In gleichen Schalen wägend Leid und Lust,

Zur Eh genommen; haben auch hierin

Nicht Eurer bessern Weisheit widerstrebt,

Die frei Uns beigestimmt. Für alles Dank! -

Nun wißt Ihr, hat der junge Fortinbras

Aus Minderschätzung Unsers Werts und denkend,

Durch Unsers teuren selgen Bruders Tod

Sei Unser Staat verrenkt und aus den Fugen,

Gestützt auf diesen Traum von seinem Vorteil,

Mit Botschaft Uns zu plagen nicht ermangelt

Um Wiedergabe jener Länderein,

Rechtskräftig eingebüßt von seinem Vater

An Unsern tapfern Bruder. - So viel von ihm;

Nun von Uns selbst und Eurer Herberufung.

So lautet das Geschäft: Wir schreiben hier

An Norweg, Ohm des jungen Fortinbras,

Der schwach, bettlägrig, kaum von diesem Anschlag

Des Neffen hört, daß er den fernern Gang

Hierin mög hemmen, da ja doch die Werbung,

Bestand und Zahl der Truppen, alles nur

Aus seinem Volk geschieht; und senden nun

Euch, wackrer Voltimand, und Euch, Cornelius,

Mit diesem Gruß zum alten Norweg hin,

Euch keine weitre Vollmacht übergebend,

Zu handeln mit dem König, als das Maß

Der hier erörterten Artikel zuläßt.

Lebt wohl, und Eil empfehle Euren Eifer!

CORNELIUS und VOLTIMAND

Hier, wie in allem, wollen wir ihn zeigen.

KÖNIG

Wir zweifeln nicht daran. Lebt herzlich wohl! -

Voltimand und Cornelius ab. Und nun, Laertes, sagt, was bringt Ihr Uns? Ihr nanntet ein Gesuch; was ists, Laertes? Ihr könnt nicht von Vernunft dem Dänen reden, Und Euer Wort verlieren. Kannst du bitten, Was ich nicht gern gewährt, eh du's verlangt? Der Kopf ist nicht dem Herzen mehr verwandt, Die Hand dem Munde dienstgefällger nicht, Als Dänmarks Thron es deinem Vater ist. Was wünschest du, Laertes?

LAERTES

Hoher Herr,

Vergünstigung nach Frankreich rückzukehren,

Woher ich zwar nach Dänmark willig kam,

Bei Eurer Krönung meine Pflicht zu leisten;

Doch nun gesteh ich, da die Pflicht erfüllt,

Strebt mein Gedank und Wunsch nach Frankreich hin

Und neigt sich Eurer gnädigen Erlaubnis.

KÖNIG

Erlaubts der Vater Euch? Was sagt Polonius?

POLONIUS

Er hat, mein Fürst, die zögernde Erlaubnis

Mir durch beharrlich Bitten abgedrungen,

Daß ich zuletzt auf seinen Wunsch das Siegel

Der schwierigen Bewilligung gedrückt.

Ich bitt Euch, gebt Erlaubnis ihm zu gehn.

KÖNIG

Nimm deine günstge Stunde: Zeit sei dein,

Mit deinen Gaben nutze sie nach Lust. -

Doch nun, mein Vetter Hamlet und mein Sohn -

HAMLET

beiseit. Mehr als befreundet, weniger als Freund.

KÖNIG

Wie, hängen stets noch Wolken über Euch?

HAMLET

Nicht doch, mein Fürst, ich habe zuviel Sonne.

KÖNIGIN

Wirf, guter Hamlet, ab die nächtge Farbe

Und laß dein Aug als Freund auf Dänmark sehn.

Such nicht beständig mit gesenkten Wimpern

Nach deinem edlen Vater in dem Staub.

Du weißt, 's ist aller Los: was lebt, muß sterben

Und Ewges nach der Zeitlichkeit erwerben.

HAMLET

Ja, gnädge Frau, 's ist aller Los.

KÖNIGIN

Nun wohl,

Weswegen scheint es so besonders dir?

HAMLET

Scheint, gnädge Frau? Nein, ist; mir gilt kein »scheint«.

Nicht bloß mein düstrer Mantel, gute Mutter,

Noch diese Tracht, nach Brauch von ernstem Schwarz,

Noch stürmisches Geseufz beklemmten Atems,

Noch auch im Auge der ergiebige Strom,

Noch die gebeugte Haltung des Gesichts

Samt aller Sitte, Art, Gestalt des Grames

Ist das, was wahr mich kundgibt; dies scheint wirklich;

Es sind Gebärden, die man spielen könnte.

Was über allen Schein, trag ich in mir;

All dies ist nur des Kummers Kleid und Zier.

KÖNIG

Es ist gar lieb und Eurem Herzen rühmlich, Hamlet,

Dem Vater diese Trauerpflicht zu leisten.

Doch wißt, auch Eurem Vater starb ein Vater,

Dem seiner, und der Nachgelaßne soll

Nach kindlicher Verpflichtung einige Zeit

Die Leichentrauer halten. Doch zu beharren

In eigenwillgen Klagen ist das Tun

Gottlosen Starrsinns, ist unmännlich Leid,

Zeigt einen Willen, der dem Himmel trotzt,

Ein unverschanztes Herz, störrisch Gemüt,

Zeigt blöden, ungelehrigen Verstand.

Wovon man weiß, es muß sein; was gewöhnlich

Wie das Gemeinste, das die Sinne rührt:

Weswegen das in mürrischem Widerstande

Zu Herzen nehmen? Pfui! Es ist Vergehn

Am Himmel; ist Vergehen an dem Toten,

Vergehn an der Natur, vor der Vernunft

Höchst töricht, deren allgemeine Predigt

Der Väter Tod ist und die immer rief

Vom ersten Leichnam bis zum heut verstorbnen:

Dies muß so sein! - Wir bitten, werft zu Boden

Dies unfruchtbare Leid und denkt von Uns

Als einem Vater; denn wissen soll die Welt,

Daß Ihr an Unserm Thron der Nächste seid,

Und mit nicht minder Überschwang der Liebe,

Als seinem Sohn der liebste Vater widmet,

Bin ich Euch zugetan. Was Eure Rückkehr

Zur hohen Schul in Wittenberg betrifft,

So widerspricht sie höchlich Unserm Wunsch,

Und Wir ersuchen Euch: Beliebt zu bleiben

Hier in dem milden Scheine Unsers Auges,

Als Unser erster Hofmann, Vetter, Sohn!

KÖNIGIN

Laß deine Mutter fehl nicht bitten, Hamlet;

Ich bitte, bleib bei uns, geh nicht nach Wittenberg!

HAMLET

Ich will Euch gern gehorchen, gnädge Frau.

KÖNIG

Wohl, das ist eine liebe, schöne Antwort.

Seid wie Wir selbst in Dänmark. - Kommt, Gemahlin!

Dies willge, freundliche Nachgeben Hamlets

Lächelt das Herz mir an, und dem zu Ehren

Soll das Geschütz heut jeden frohen Trunk,

Den Dänmark ausbringt, an die Wolken tragen,

Und wenn der König anklingt, soll der Himmel

Nachdröhnen irdschem Donner. - Kommt mit mir!

[König, Königin, Laertes und Gefolge ab. ] Alle außer Hamlet ab.

HAMLET

O schmölze doch dies allzu feste Fleisch,

Zerging' und löst' in einen Tau sich auf!

Oder hätte nicht der Ewge sein Gebot

Gerichtet gegen Selbstmord! O Gott! O Gott!

Wie ekel, schal und flach und unersprießlich

Scheint mir das ganze Treiben dieser Welt!

Pfui, pfui darüber! 's ist ein wüster Garten,

Der auf in Samen schießt; verworfnes Unkraut

Erfüllt ihn gänzlich. Dazu mußt es kommen!

Zwei Mond erst tot! - Nein, nicht soviel, nicht zwei!

Solch trefflicher Monarch, verglichen diesem,

Apoll bei einem Satyr! So meine Mutter liebend,

Daß er des Himmels Winde nicht zu rauh

Ihr Antlitz ließ berühren. Himmel und Erde!

Muß ich gedenken? Hing sie doch an ihm,

Als stieg das Wachstum ihrer Lust mit dem,

Was ihre Kost war. Und doch, in einem Mond -

Laßt michs nicht denken! - Schwachheit, dein Nam ist Weib! -

Ein kurzer Mond; bevor die Schuh verbraucht,

Womit sie meines Vaters Leiche folgte,

Wie Niobe, ganz Tränen - sie, ja sie -

O Himmel, würd ein Tier, das nicht Vernunft hat,

Doch länger trauern! - meinem Ohm vermählt,

Dem Bruder meines Vaters, doch ihm ähnlich,

Wie ich dem Herkules! In einem Mond,

Bevor das Salz höchst frevelhafter Tränen

Der wunden Augen Röte noch verließ,

War sie vermählt! - O schnöde Hast, so rasch

In ein blutschänderisches Bett zu stürzen!

Es ist nicht, und es wird auch nimmer gut.

Doch brich, mein Herz, denn schweigen muß mein Mund!

Horatio, Bernardo und Marcellus treten auf.

HORATIO

Heil Eurer Hoheit!

HAMLET

Ich bin erfreut, Euch wohl zu sehn;

Horatio - wenn ich nicht mich selbst vergesse?

HORATIO

Ja, Prinz, und Euer armer Diener stets.

HAMLET

Mein guter Freund; vertauscht mir jenen Namen.

Was macht Ihr hier von Wittenberg, Horatio? -

Marcellus?

MARCELLUS

Gnädger Herr -

HAMLET

Es freut mich, Euch zu sehn. Habt guten Abend! -

Im Ernst, was führt Euch weg von Wittenberg?

HORATIO

Ein müßiggängerischer Hang, mein Prinz.

HAMLET

Das möcht ich Euren Feind nicht sagen hören,

Noch sollt Ihr meinem Ohr den Zwang antun,

Daß Euer eignes Zeugnis gegen Euch

Ihm gültig wär. Ich weiß, Ihr geht nicht müßig.

Doch was ist Eur Geschäft in Helsingör?

Ihr sollt noch trinken lernen, eh Ihr reist.

HORATIO

Ich kam zu Eures Vaters Leichenfeier.

HAMLET

Ich bitte, spotte meiner nicht, mein Schulfreund,

Du kamst gewiß zu meiner Mutter Hochzeit!

HORATIO

Fürwahr, mein Prinz, sie folgte schnell darauf.

HAMLET

Wirtschaft, Horatio! Wirtschaft! Das Gebackne

Vom Leichenschmaus gab kalte Hochzeitschüsseln.

Hätt ich den ärgsten Feind im Himmel lieber

Getroffen, als den Tag erlebt, Horatio!

Mein Vater - mich dünkt, ich sehe meinen Vater.

HORATIO

Wo, mein Prinz?

HAMLET

In meines Geistes Aug, Horatio.

HORATIO

Ich sah ihn einst, er war ein wackrer König.

HAMLET

Er war ein Mann, nehmt alles nur in allem;

Ich werde nimmer seinesgleichen sehn.

HORATIO

Mein Prinz, ich denk, ich sah ihn vorge Nacht.

HAMLET

Sah? Wen?

HORATIO

Mein Prinz, den König, Euren Vater.

HAMLET

Den König, meinen Vater?

HORATIO

Beruhigt das Erstaunen eine Weil

Durch ein aufmerksam Ohr, bis ich dies Wunder,

Auf die Bekräftigung der Männer hier,

Euch kann berichten.

HAMLET

Um Gottes willen, laßt mich hören!

HORATIO

Zwei Nächte nacheinander wars den beiden,

Marcellus und Bernardo, auf der Wache

In toter Stille tiefer Mitternacht

So widerfahren. Ein Schatten wie Eur Vater,

Geharnischt, ganz in Wehr, von Kopf zu Fuß,

Erscheint vor ihnen, geht mit ernstem Tritt

Langsam vorbei und stattlich; schreitet dreimal

Vor ihren starren, furchtergriffnen Augen,

So daß sein Stab sie abreicht, während sie,

Geronnen fast zu Gallert durch die Furcht,

Stumm stehn und reden nicht mit ihm. Dies nun

In banger Heimlichkeit vertraun sie mir.

Ich hielt die dritte Nacht mit ihnen Wache;

Und da, wie sie's berichtet, in der Zeit

Und der Gestalt buchstäblich alles wahr,

Kommt das Gespenst. Ich kannte Euren Vater:

Hier diese Hände gleichen sich nicht mehr.

HAMLET

Wo ging dies aber vor?

MARCELLUS

Auf der Terrasse, wo wir Wache hielten.

HAMLET

Ihr sprachet nicht mit ihm?

HORATIO

Ich tats, mein Prinz,

Doch Antwort gab es nicht; nur einmal schiens,

Es höb sein Haupt empor und schickte sich

Zu der Bewegung an, als wollt es sprechen;

Doch krähte eben laut der Morgenhahn,

Und bei dem Tone schlüpft' es eilig weg

Und schwand aus unserm Blick.

HAMLET

Sehr sonderbar!

HORATIO

Bei meinem Leben, edler Prinz, 's ist wahr;

Wir hieltens durch die Pflicht uns vorgeschrieben,

Die Sach Euch kundzutun.

HAMLET

Im Ernst, im Ernst, Ihr Herrn, dies ängstigt mich.

Habt Ihr die Wache heut?

[ALLE ] MARCELLUS und BERNARDO

Ja, gnädger Herr.

HAMLET

Geharnischt, sagt Ihr?

[ALLE ] BEIDE

Geharnischt, gnädger Herr.

HAMLET

Vom Wirbel bis zur Zeh?

[ALLE ] BEIDE

Von Kopf zu Fuß.

HAMLET

So saht Ihr sein Gesicht nicht?

HORATIO

O ja doch, sein Visier war aufgezogen.

HAMLET

Nun, blickt' er finster?

HORATIO

Eine Miene, mehr

Des Leidens als des Zorns.

HAMLET

Blaß oder rot?

HORATIO

Nein, äußerst blaß.

HAMLET

Sein Aug auf Euch geheftet?

HORATIO

Ganz fest.

HAMLET

Ich wollt, ich wär dabeigewesen.

HORATIO

Ihr hättet Euch gewiß entsetzt.

HAMLET

Sehr glaublich,

Sehr glaublich. - Blieb es lang?

HORATIO

Derweil mit mäßger Eil

Man hundert zählen konnte.

MARCELLUS und BERNARDO

Länger, länger!

HORATIO

Nicht, da ichs sah.

HAMLET

Sein Bart war greis, nicht wahr?

HORATIO

Wie ichs an ihm bei seinem Leben sah,

Ein schwärzlich Silbergrau.

HAMLET

Ich will heut wachen;

Vielleicht wirds wiederkommen.

HORATIO

Zuverlässig.

HAMLET

Erscheints in meines edlen Vaters Bildung,

So red ichs an, gähnt' auch die Hölle selbst

Und hieß mich ruhig sein. Ich bitt Euch alle:

Habt Ihr bis jetzt verheimlicht dies Gesicht,

So haltets ferner fest in Eurem Schweigen;

Und was sich sonst zu Nacht ereignen mag,

Gebt allem einen Sinn, doch keine Zunge.

Ich will die Lieb Euch lohnen; lebt denn wohl!

Auf der Terrasse zwischen elf und zwölf

Besuch ich Euch.

ALLE

Eur Gnaden unsre Dienste.

HAMLET

Nein, Eure Liebe, so wie meine Euch.

Lebt wohl nun!

Horatio, Marcellus und Bernardo ab.

HAMLET

Meines Vaters Geist in Waffen!

Es taugt nicht alles: ich vermute was

Von argen Ränken. Wär die Nacht erst da!

Bis dahin ruhig, Seele! Schnöde Taten,

Birgt sie die Erd auch, müssen sich verraten.

Ab.

Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch)

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