Читать книгу Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch) - William Shakespeare, William Shakespeare - Страница 171

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VIERTE SZENE

Inhaltsverzeichnis

[Zimmer der Königin ] Ein anderes Zimmer im Schloß

Die Königin und Polonius treten auf.

POLONIUS

Er kommt sogleich; setzt ihm mit Nachdruck zu;

Sagt ihm, daß er zu wilde Streiche macht,

Um sie zu dulden, und daß Eure Hoheit

Sich zwischen große Hitz und ihn als Schirm

Gestellt hat. Ich will hier mich still verbergen.

Ich bitt Euch, schont ihn nicht!

HAMLET

hinter der Szene. Mutter, Mutter, Mutter!

KÖNIGIN

Verlaßt Euch drauf;

Sorgt meinetwegen nicht. Zieht Euch zurück,

Ich hör ihn kommen.

Polonius verbirgt sich hinter dem Arras-Wandteppich. Hamlet kommt.

HAMLET

Nun, Mutter, sagt: was gibts?

KÖNIGIN

Hamlet, dein Vater ist von dir beleidigt.

HAMLET

Mutter, mein Vater ist von Euch beleidigt.

KÖNIGIN

Kommt, kommt! Ihr sprecht mit einer losen Zunge.

HAMLET

Geht, geht! Ihr fragt mit einer bösen Zunge.

KÖNIGIN

Was soll das, Hamlet?

HAMLET

Nun, was gibt es hier?

KÖNIGIN

Habt Ihr mich ganz vergessen?

HAMLET

Nein, beim Kreuz!

Ihr seid die Königin, Weib Eures Mannes Bruders,

Und - wär es doch nicht so! - seid meine Mutter.

KÖNIGIN

Gut, andre sollen zur Vernunft Euch bringen.

HAMLET

Kommt, setzt Euch nieder; Ihr sollt nicht vom Platz,

Nicht gehn, bis ich Euch einen Spiegel zeige,

Worin Ihr Euer Innerstes erblickt.

KÖNIGIN

Was willst du tun? Du willst mich doch nicht morden?

He, Hülfe! Hülfe!

POLONIUS

hinter der Tapete. Hülfe! He, herbei!

HAMLET

Wie? Was? Eine Ratte?

Er zieht. Tot! für 'nen Dukaten, tot! Tut einen Stoß durch die Tapete.

POLONIUS

hinter der Tapete. Oh, ich bin umgebracht! Fällt und stirbt.

KÖNIGIN

Weh mir! Was tatest du?

HAMLET

Fürwahr, ich weiß es nicht; ist es der König?

Zieht den Polonius [hinter der Tapete ] hervor.

KÖNIGIN

O welche rasche, blutige Tat ist dies!

HAMLET

Ja, gute Mutter, eine blutige Tat,

So schlimm beinah, als einen König töten

Und in die Eh mit seinem Bruder treten.

KÖNIGIN

Als einen König töten!

HAMLET

Ja, so sagt ich.

Zu Polonius. Du kläglicher, vorwitzger Narr, fahr wohl! Ich nahm dich für 'nen Höhern; nimm dein Los, Du siehst, zu viel Geschäftigkeit ist mißlich. - Ringt nicht die Hände so! Still! Setzt Euch nieder, Laßt Euer Herz mich ringen, denn das will ich, Wenn es durchdringlich ist, wenn nicht so ganz Verdammte Angewöhnung es gestählt, Daß es verschanzt ist gegen die Vernunft.

KÖNIGIN

Was tat ich, daß du gegen mich die Zunge

So toben lassen darfst?

HAMLET

Solch eine Tat,

Die alle Huld der Sittsamkeit entstellt,

Die Tugend Heuchler schilt, die Rose wegnimmt

Von unschuldvoller Liebe schöner Stirn

Und Beulen hinsetzt, Ehgelübde falsch

Wie Spielereide macht; o eine Tat,

Die aus des Treubunds Leib die Seele wahrhaft

Ausreißt und die den süßen Glauben macht

Zum Wortgepräng. Des Himmels Antlitz glüht,

Ja, diese Feste, dieses Weltgebäude,

Mit Trauermiene, wie vorm Jüngsten Tag,

Ist trübsalskrank vor dieser Tat!

KÖNIGIN

Weh mir!

Welch Tat, donnerverkündet, brüllt so laut?

HAMLET

Seht hier auf dies Gemälde und auf dies,

Das nachgeahmte Gleichnis zweier Brüder.

Seht, welche Anmut wohnt auf diesen Brauen!

Apollos Locken, Jovis hohe Stirn,

Ein Aug wie Mars, zum Drohn und zum Gebieten,

Des Götterherolds Stellung, wenn er eben

Sich niederschwingt auf himmelnahe Höhn;

In Wahrheit, ein Verein und eine Bildung,

Auf die sein Siegel jeder Gott gedrückt,

Der Welt Gewähr für einen Mann zu leisten:

Dies war Eur Gatte. - Seht nur her, was folgt:

Hier ist Eur Gatte, gleich der brandgen Ähre

Verderblich seinem Bruder. Habt Ihr Augen?

Die Weide dieses schönen Bergs verlaßt Ihr

Und mästet Euch im Sumpf? Ha, habt Ihr Augen?

Nennt es nicht Liebe! Denn in Eurem Alter

Ist der Tumult im Blute zahm; es schleicht

Und wartet auf das Urteil; und welch Urteil

Ging' wohl von dem zu dem? Sinn habt Ihr sicher,

Sonst könnte keine Regung in Euch sein;

Doch sicher ist der Sinn vom Schlag gelähmt,

Denn Wahnwitz würde hier nicht irren; nie

Hat so den Sinn Verrücktheit unterjocht,

Daß nicht ein wenig Wahl ihm blieb, genug

Für solchen Unterschied. Was für ein Teufel

Hat so beim Blindekuhspiel Euch betört?

Sehn ohne Fühlen, Fühlen ohne Sehn,

Ohr ohne Hand und Aug, Geruch ohn alles,

Ja nur ein Teilchen eines echten Sinns

Tappt nimmermehr so zu.

Scham, wo ist dein Erröten? Wilde Hölle,

Empörst du dich in der Matrone Gliedern,

So sei die Keuschheit der entflammten Jugend

Wie Wachs und Schmelz in ihrem Feuer hin;

Ruf keine Schande aus, wenn heißes Blut

Zum Angriff stürmet, da der Frost ja selbst

Nicht minder kräftig brennt und die Vernunft

Den Willen kuppelt.

KÖNIGIN

O Hamlet, sprich nicht mehr!

Du kehrst die Augen recht ins Innre mir;

Da seh ich Flecke, tief und schwarz gefärbt,

Die nicht von Farbe lassen.

HAMLET

Nein, zu leben

Im Schweiß und Brodem eines eklen Betts,

Gebrüht in Fäulnis, buhlend und sich paarend

Über dem garstigen Nest -

KÖNIGIN

O sprich nicht mehr!

Mir dringen diese Worte ins Ohr wie Dolche.

Nicht weiter, lieber Hamlet!

HAMLET

Ein Mörder und ein Schuft; ein Knecht, nicht wert

Das Zehntel eines Zwanzigteils von ihm,

Der Eur Gemahl war; ein Hanswurst von König,

Ein Beutelschneider von Gewalt und Reich,

Der weg vom Sims die reiche Krone stahl

Und in die Tasche steckte.

KÖNIGIN

Halt inne!

[Der Geist kommt. ]

HAMLET

Ein geflickter Lumpenkönig! -

Der Geist kommt. Schirmt mich und schwingt die Flügel über mir, Ihr Himmelsscharen! - Was will dein würdig Bild?

KÖNIGIN

Weh mir! Er ist verrückt!

HAMLET

Kommt Ihr nicht, Euren trägen Sohn zu schelten,

Der Zeit und Leidenschaft versäumt zur großen

Vollführung Eures furchtbaren Gebots?

O sagt!

GEIST

Vergiß nicht! Diese Heimsuchung

Soll nur den abgestumpften Vorsatz schärfen.

Doch schau! Entsetzen liegt auf deiner Mutter;

Tritt zwischen sie und ihre Seel im Kampf;

In Schwachen wirkt die Einbildung am stärksten:

Sprich mit ihr, Hamlet!

HAMLET

Wie ist Euch, Mutter?

KÖNIGIN

Ach, wie ist denn Euch,

Daß Ihr die Augen heftet auf das Leere

Und redet mit der körperlosen Luft?

Wild blitzen Eure Geister aus den Augen,

Und wie ein schlafend Heer beim Waffenlärm

Sträubt Euer liegend Haar sich als lebendig

Empor und steht zu Berg. O lieber Sohn,

Spreng auf die Hitz und Flamme deines Übels

Abkühlende Geduld! Wo schaust du hin?

HAMLET

Auf ihn, auf ihn! Seht Ihr, wie blaß er starrt?

Sein Anblick, seine Sache würde Steine

Empfänglich machen. Nein, sieh nicht auf mich,

Damit nicht deine klägliche Gebärde

Mein strenges Tun erweicht; sonst fehlt ihm dann

Die echte Art; vielleicht statt Blutes Tränen.

KÖNIGIN

Mit wem besprecht Ihr Euch?

HAMLET

Seht Ihr dort nichts?

KÖNIGIN

Gar nichts; doch seh ich alles, was dort ist.

HAMLET

Und hörtet Ihr auch nichts?

KÖNIGIN

Nein, nichts als uns.

HAMLET

Ha, seht nur hin! Seht, wie es weg sich stiehlt!

Mein Vater in leibhaftiger Gestalt:

Seht, wie er eben zu der Tür hinausgeht!

Geist ab.

KÖNIGIN

Dies ist bloß Eures Hirnes Ausgeburt;

In solcher wesenlosen Schöpfung ist

Der Wahnsinn sehr geübt.

HAMLET

Der Wahnsinn?

Mein Puls hält ordentlich wie Eurer Takt,

Spielt ebenso gesunde Melodien;

Es ist kein Wahnwitz, was ich vorgebracht.

Bringt mich zur Prüfung, und ich wiederhole

Die Sach Euch Wort für Wort, wovon der Wahnwitz

Abspringen würde. Mutter, um Eur Heil!

Legt nicht die Schmeichelsalb auf Eure Seele,

Daß nur mein Wahnwitz spricht, nicht Eur Vergehn;

Sie wird den bösen Fleck nur leicht verharschen,

Indes Verderbnis, heimlich untergrabend,

Von innen angreift. Beichtet vor dem Himmel,

Bereuet, was geschehn, und meidet Künftges;

Düngt nicht das Unkraut, daß es mehr noch wuchre.

Vergebt mir diese meine Tugend; denn

In dieser feisten, engebrüstgen Zeit

Muß Tugend selbst Verzeihung flehn vom Laster,

Ja kriechen, daß sie nur ihm wohltun dürfe.

KÖNIGIN

O Hamlet, du zerspaltest mir das Herz!

HAMLET

O werft den schlechtern Teil davon hinweg

Und lebt so reiner mit der andern Hälfte.

Gute Nacht! Doch meidet meines Oheims Bett,

Nehmt eine Tugend an, die Ihr nicht habt.

Der Teufel Angewöhnung, der des Bösen

Gefühl verschlingt, ist hierin Engel doch:

Er gibt der Übung schöner, guter Taten

Nicht minder eine Kleidung oder Tracht,

Die gut sich anlegt. Seid zu Nacht enthaltsam,

Und das wird eine Art von Leichtigkeit

Der folgenden Enthaltung leihn, die nächste

Wird dann noch leichter; denn die Übung kann

Fast das Gepräge der Natur verändern,

Sie zähmt den Teufel oder stößt ihn aus

Mit wunderbarer Macht. Nochmals, schlaft wohl!

Um Euren Segen Bitt ich, wenn Ihr selbst

Nach Segen erst verlangt. - Für diesen Herrn

Tut es mir leid: Der Himmel hat gewollt,

Um mich durch dies und dies durch mich zu strafen,

Daß ich ihm Diener muß und Geißel sein.

Ich will ihn schon besorgen und den Tod,

Den ich ihm gab, vertreten. Schlaft denn wohl!

Zur Grausamkeit zwingt bloße Liebe mich;

Schlimm fängt es an, und Schlimmres nahet sich.

Ein Wort noch, gute Mutter!

KÖNIGIN

Was soll ich tun?

HAMLET

Durchaus nicht das, was ich Euch heiße tun;

Laßt den gedunsnen König Euch ins Bett

Von neuem locken, in die Wangen Euch

Mutwillig kneipen, Euch sein Mäuschen nennen,

Und für ein paar verbuhlte Küss', ein Spielen

In Eurem Nacken mit verdammten Fingern,

Bringt diesen ganzen Handel an den Tag,

Daß ich in keiner wahren Tollheit bin,

Nur toll aus List. Gut wärs, Ihr ließts ihn wissen!

Denn welche Königin, schön, keusch und klug,

Verhehlte einer Kröte, einem Molch

So teure Dinge wohl? Wer täte das?

Nein, trotz Erkenntnis und Verschwiegenheit

Löst auf dem Dach des Korbes Deckel, laßt

Die Vögel fliegen und, wie jener Affe,

Kriecht in den Korb, um Proben anzustellen,

Und brecht Euch selbst den Hals!

KÖNIGIN

Sei du gewiß: Wenn Worte Atem sind,

Und Atem Leben ist, hab ich kein Leben,

Das auszuatmen, was du mir gesagt.

HAMLET

Ich muß nach England; wißt Ihrs?

KÖNIGIN

Ach, ich vergaß; es ist so ausgemacht.

HAMLET

Man siegelt Briefe; meine Schulgesellen,

Die beiden, denen ich wie Nattern traue,

Sie bringen die Bestellung hin; sie müssen

Den Weg mir bahnen und zur Schurkerei

Herolden gleich mich führen. Sei es drum!

Der Spaß ist, wenn mit seinem eignen Pulver

Der Feuerwerker auffliegt; und mich trügt

Die Rechnung, wenn ich nicht ein Klafter tiefer

Als ihre Minen grab und sprenge sie

Bis an den Mond. O es ist gar zu schön,

Wenn so zwei Listen sich entgegengehn! -

Der Mann packt mir 'ne Last auf;

Ich will den Wanst ins nächste Zimmer schleppen. -

Nun, Mutter, gute Nacht! - Der Ratsherr da

Ist jetzt sehr still, geheim und ernst fürwahr,

Der sonst ein schelmischer, alter Schwätzer war.

Kommt, Herr, ich muß mit Euch ein Ende machen. -

Gute Nacht, Mutter!

Sie gehen nach verschiedenen Seiten ab. Hamlet schleift den Polonius hinaus.

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