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China ist überall

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„Cousin hin, Cousin her, ein Madiran ist das klar süffigere Familienmitglied. Zum Wohl, Edouard. Danke für deine Treue und das lange Warten. Warum haben wir so schnell die Weinbar verlassen? Wegen dem Corbières?“

„Oh nein, ich hatte dort erst nur so ein Gefühl und dann die Gewissheit. Als wir reinkamen, war die Bar leer, nur der Ober stand hinter dem Tresen. Zwanzig Sekunden später waren es drei mehr: zwei Europäer und ein ziemlich chinesisch aussehender Typ. In Lodenmänteln, die sie nicht ausgezogen haben …“

„James Bond lässt grüßen …“

„Mir ist nicht zum Scherzen, ich habe den dringenden Verdacht, dass wir überwacht werden.“

„Von Elisabeth oder ihrer Regierung?“

„Eher letzteres.“

„Das würde durchaus zu meinen Erfahrungen dort hinten passen: Überwachen oder einsperren. Oder beides.“

„Sicher beides. Denn erstens ist Elisabeth nur eine geduldete Ausländerin, zweitens macht sie Dinge, die für die unerklärlich, also gefährdend und gefährlich sind, drittens bist du auch ein Westler und noch Kapitalist dazu und viertens weiß man nie, was ein Klon so alles bewirken kann. Sie haben nur Angstphantasien, keine echte Kommunikation, keine positive Einstellung zum Fortschritt. Sie wollen nur ihre Führungsansprüche zementieren. Und das geht halt am besten mit der totalen Kontrolle. Ich bin sicher, dass unser Haus total verwanzt ist. Ich habe zwar schon überall nachgeschaut und nichts gefunden, aber mit den heutigen Methoden muss man auch gar nichts sehen. Vielleicht haben sie einen Satelliten auf uns gerichtet oder oben auf dem Kirchturm eine Fernüberwachung. Hier draußen vor dem Kamin sind wir sicher. Hoffentlich. Aber nicht mehr lange, morgen früh ist auch hier Überwachungszone.“

„Und auf dem Klo?“

„Gerade dort denkt man, dass man sicher wäre. Error. Also donnere gesitteter und nicht so heftig, damit sie keine Ohrenschmerzen kriegen!“

„Oder erst recht laut, Rache muss sein.“

„Hat dich nicht gewundert, dass Elisabeths Verflossener ‚Ming‘ heißt und hundertprozentig europäisch aussieht?“

„Oh, wenn du es jetzt sagst, ja, ich bin manchmal ein Spätmerker.“

„Ich bin stolz, nach endlosen Recherchen die Lösung gefunden zu haben. Es ist eine so typische chinesische Geschichte: Professor Ming ist das ungewollte Kind einer Italienerin, die sich im Reich des Drachens freiwillig in den Dienst der Liebe zur Verfügung gestellt hat. Irgendein dahergelaufener europäischer Seemann hat sie dann geschwängert, - und da es so etwas in diesem Lande nicht geben darf, hat man ihn in eine staatliche Pflegefamilie gegeben, wo er durch besondere Intelligenz in der Schule aufgefallen ist und bald seine Karriere mit Studium in Deutschland begonnen hat.“

„In Sachsen …“

„Ihr Deutschen seid ja schlimmer, als wir in der Grande Nation. Bei uns wären das die Bretonen. Und den Rest seiner Geschichte kennst du.“

„Super gemacht. Für mich persönlich heißt das, dass ich vielleicht auch italienische Vorfahren hatte.“

„Dein Temperament sagt etwas ganz Anderes.“

„Na, was denn?“

„Deine Vorfahren waren Inuits oder so was, die den ganzen Tag im Iglu rumhockten und Knochen gezählt haben.“

„Och nee, so etwas kann nur ein Elsässer sagen, der immer noch nicht so recht weiß, ob er Franzose oder Deutscher ist.“

„Isch habe misch längschtens schon entschieden, ich stehe auf der Seite des Genusses und der echten Gefühle.“

„Ich liebe China!“

„Warum schreist du plötzlich so sinnlos?“

„Psst! Das haben sie sicher hören können, ich verschaffe mir Vorteile. Wenn deren Geheimdienst das hört, meint er, dass ich es ernst meine und überwacht uns vielleicht lockerer oder sogar weniger …“

„Chinesen und lockerer? Das gibt’s wohl nur noch im Märchen, … und die sind von vorgestern. Paul, ich rede jetzt ganz leise, rück näher, ich habe eine Idee!

Diese Überwachung macht mir Angst, es ist nicht nur bedrückend, es ist für mich als freiheitsliebender Mensch extrem beängstigend und ich habe Gedanken, einfach die Flucht zu ergreifen und nochmals inkognito irgendwohin abzuhauen. Ich weiß, dass ich das nicht tun sollte und dir zuliebe auch gar nicht darf.“

„Danke, mon ami.“

„Es muss zwischen uns eine Form der Kommunikation geben, die nicht von anderen kontrolliert werden kann. Wir können nicht jedes Mal ans Ende der Welt fahren in der Hoffnung, dass sie uns nicht abhören. Ich schlage vor, dass ab sofort bei uns immer das Kaminfeuer brennt …

„Das kostet viel Holz.“

„Mon Dieu, willst du noch ein paar Ster mit in die Hölle nehmen? Außerdem habe ich den Park aufgeräumt und jede Menge gesammelt. Also, das Feuer brennt auf kleiner Flamme. Wir schreiben uns die wichtigsten Mitteilungen mit Füllfederhalter auf kleine Einzelblätter und verbrennen sie sofort nach dem Lesen. So können wir wenigstens eine kleine Basis an Vertraulichkeit schaffen und denen da draußen ein Schnippchen schlagen.“

„Pardon, ich habe Mattscheibe. Das mit dem Feuer habe ich verstanden. Aber warum Füllfederhalter und Einzelblätter?“

„Tinte drückt nicht wie ein Kugelschreiber oder ein Bleistift durch und verbrennt schnell und rückstandslos. Bei Einzelblättern gibt es keine Druckstellen, die man später entziffern könnte. Was machst du da?“

Du bist hypergenial!

„Ja, es funktioniert! Und jetzt mit dem Blatt ins Feuer und nachschauen, ob sich wirklich jeder Rest in Rauch auflöst. Noch einen Tipp: Du solltest eine neue Patrone einlegen, die jetzige ist fast leer.“

„Woher kennst du solche Tricks? Von eurem Geheimdienst?“

„Viel einfacher: Ich war begeisterter Pfadfinder.“

„Das bist du heute immer noch.

„In meiner Jugend musste ich zuhause immer helfen, durfte nie draußen spielen oder mal mit Freunden ausgehen. Mit sieben Jahren konnte ich rechnen und schreiben und machte die ersten Einnahmeprognosen für unser Geschäft. Tja, die Börse kam dann mit vierzehn und der Rest war nur Zahlen verstehen, Kurse verfolgen und Krisen und Aufschwünge erkennen. Was hätte ich gern mal im Dreck gespielt oder ein Pferd geritten oder am Lagerfeuer gesessen. Eigentlich eine verlorene Kindheit.“

„… bei der du reich geworden bist.“

„Ja, ja, und jetzt lass bloß die Frage aus: ‚Macht Geld glücklich?‘ Es hat mich glücklich gemacht, sehr glücklich sogar. Wenn die Quartalsabrechnungen gekommen sind, hatte ich so etwas wie Hochgefühle. Ich rechnete aus, was ich wann mit den erwirtschafteten Summen anstellen könnte:

Risiko, traditionell anlegen, zurückhalten bis zur nächsten Hausse oder hoch riskant spekulieren. Seltsamerweise hatte ich immer Glück, egal was ich wie und wo und wann investierte.

Andere haben im Garten den grünen Daumen, ich habe immer noch das glückliche Händchen an der Börse. Etwa jetzt habe ich die Beträge für Elisabeth in der Zeit verdient, in denen ich im Koma lag. Ja, schlafen, nichts tun und achtzehn Millionen dabei verdienen. Es hat sogar für die erste Million auf dem Sparkonto für Raoul gereicht. Das einzige Problem war die Bank. Man kann kein Konto eröffnen für einen Klon, das gibt es noch nicht in den Vorstellungen der Menschen. Also habe ich jetzt ein Sperrkonto ‘zugunsten eines Neugeborenen namens Raoul’.

Nächstes Problem! Welchen Familiennamen wird er tragen dürfen? Eigentlich meinen, aber Elisabeth hat theoretisch auch Anrechte. Lassen wir die Juristen streiten. Ich bin gespannt, was die Behörden dazu meinen. Wahrscheinlich muss ich eine Geburtsurkunde haben. Das wird sicher ein Kasperletheater: „Nein, das können wir nicht akzeptieren! Es handelt sich nicht um eine richtige Geburt im medizinischen Sinn. Wir brauchen eine Geburtsurkunde, ausgestellt von einem Arzt. Sorry, aber wir sind nicht verpflichtet, chinesische Papiere lesen zu können. Lassen Sie sie amtlich übersetzen und bringen Sie eine in internationalen Normen ausgestellte und von der WHO akzeptierte, ins Englische und Deutsche übersetzte und von einem niedergelassenen Arzt oder Ärztin beglaubigte Bescheinigung, wann und wo das Kind zur Welt gekommen ist und in welchem Gesundheitszustand es sich befindet. Anmerkung: Auch die amtlichen Stempel sind zu übersetzen. Wir werden alle Unterlagen prüfen und Ihnen nach eingehenden Untersuchungen der Echtheit vielleicht eine nationale Geburtsurkunde ausstellen. Sie müssen sich gedulden.

Ich werde mich gedulden müssen, denn ohne richtige Papiere gibt es keinen Pass, … hihi, wenn die Behörden logisch denken, bekommt Raoul einen Kinderpass und darf nur in Begleitung eines Elternteils reisen. Ich lache mich jetzt schon krank. Aber mein Druck wird sie schneller denken lassen. Ich kündige ihnen an, dass ich nur Steuern zahlen kann und darf, wenn ich ihre Papiere habe. Raouls nicht vorhandenes Sparkonto wird dann wohl nach mehreren Krisensitzungen der Bank anerkannt. Oh Welt, was kommt da auf dich zu. Und alle diese Dinge bewirken wir.“

„Hat dir Elisabeth einen Zeitplan mitgeteilt?“

„Nein, sie war immer sehr vage, ich habe ihre Angaben wie im richtigen Leben mit neun Monaten interpretiert. Sicher ist, dass ich noch ein- oder zweimal rüber muss. Aber das hat mir Peter erzählt. Ich muss dir aber noch was sagen, was dann sofort ins Feuer muss."

Die chinesische Führung

„Stopp!! Schreib bitte auf den Knien unter dem Tisch, man könnte es von einem Satelliten aus entziffern.“

„Okay, okay, also mit Kritzelschrift und krumm."

Die chinesische Führung ist

„Stopp! Sofort ins Feuer, da hinten im Gebüsch sehe ich ein Fernglas reflektieren. Sie sind ganz nahe. Komm, wir gehen rein, machen den Innenkamin an. Dann können sie mithören, aber bis sie uns die Zettel entreißen können, müssen sie erst durch die Tür eindringen, dann können wir das Papier noch blitzartig ins Feuer werfen …“

„… oder zur Not in den Mund stecken und runterschlucken.“

„Okay, also komm, ich nehme die Glut nach drinnen mit.“

Vater und Klon

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