Читать книгу Vater und Klon - Wolf Buchinger - Страница 31
Der Morgen danach
Оглавление„Ich hoffe, dass sich die schwarzen Wolken in unsrer Beziehung über Nacht verzogen haben.“
„Es ist bei uns ja schon wie bei einem Ehepaar: Am häufigsten gibt es Krach wegen der Erziehung der Kinder.“
„Ich sehe es positiv, dass wir uns streiten können und nachher wieder ganz normal miteinander sprechen, … das sollte Raoul auch können.“
„Volle Übereinstimmung. Und wenn wir gerade die Fronten klären, ich habe bisher nicht getraut zu fragen, ob ich wie bisher ‚Edouard‘ zu dir sagen soll oder deinen richtigen Namen ‚Pierre‘ benutzen darf, so wie dich Marie-Laure liebevoll genannt hat.“
„Non, non! Pierre gibt es nicht mehr, der ist irgendwohin verschwunden. Auch ich habe ihn aus den Augen verloren. Edouard ist meine Identität und so soll es auch bleiben. Und ein letztes Problem, das nur mich betrifft: Ich bekomme Nacht für Nacht lange Mails und SMS von … von meiner leider immer noch geliebten …“
„Marie-Laure. Oh ja, das hat man gleich gesehen, dass du da noch ein heißes Eisen im Feuer hast. Mein unmaßgeblicher Tipp: Entscheide dich für oder gegen sie, schaffe aber Klarheit. Alles andere wäre Quälerei für beide.“
„Paul, was würdest du machen?“
„Oh je, als Freund sage ich, lass sie in ihrem Umfeld, dort ist sie zuhause. Träumt lieber ewig voneinander und vermeidet jeglichen weiteren Kontakt. Nachdem ich aber gesehen habe, wie gut sie aussieht und wie sie dich anhimmelt, schnapp sie dir, so was Tolles kriegst du nie mehr wieder. Ja, ich weiß, dass das kein guter Rat ist, ja, ja, ich lege da auch meine eigenen Träume hinein. Ein solches Angebot hatte ich leider nie, nie …“
„Willst du sie haben?“
„Ist die Frage ernst gemeint? Würdest du sie mir überlassen?“
„Eh, tja, ja, weil du es bist.“
„Danke Edouard, das war nur ein Test. Ich weiß, dass es für mich zu spät ist für eine Bindung, außerdem ist Raoul viel wichtiger. Ich wollte dir nur ein Denkmodell geben, ob du sie so liebst und ob sie unverzichtbar für dich ist. Nein, das ist sie nicht, also sage ihr - so brutal es klingen mag - adieu. Für immer. Klipp und klar. Und ohne französische Schlupflöcher, es etwa in zwei Monaten nochmals zu probieren.“
„Danke. Merci. Ich glaube, dass es keinen größeren Beweis mehr für unsere Freundschaft gibt.“
„Eine solche Freundschaft habe ich mir ein ganzes Leben lang gewünscht. Ich habe nicht mehr daran geglaubt, sie noch zu finden.“
„Jetzt brauchen wir eine Flasche Madiran. Die wird es aber hier nicht geben, wir sind mitten im Burgund.
„Probieren geht über Studieren. Halt an, da vorne ist ein wunderschönes Schloss mit Weindegustation.“
„Santé! Auf unsere Freundschaft!“
„Auf Marie-Laure!“
„Auf Raoul!“
„Also, eines dürfen wir ihm niemals beibringen! Schon vor dem Mittag mit dem Weintrinken zu beginnen.“
„Öh, also Raoul hat einen französischen Paten … und der wird ihn à la française erziehen. Bei uns zählt Rotwein nicht zu den Genussmitteln, bei uns ist er einfach ein Lebensmittel. Oui, ein Mittel, das man zwingend zum Leben braucht. Täglich. Und zu jeder Tageszeit.“
„… und vor allem abends. Ich glaube, diese Runde der zukünftigen Erziehung habe ich verloren …“
„Oui, Raoul soll glücklich werden, und da ist Rotwein die beste Medizin. Und für logisch denkende Menschen wie dich noch dies: Mittlerweile ist wissenschaftlich gesichert, dass ein bis zwei Glas zu jeder Mahlzeit eine bessere Verdauung und eine flüssigere Durchblutung bewirken. Na, was sagst du jetzt?
„Zum Wohl!“
„Santé!“
„Bäh, das soll Wein sein? Ich probiere mal den teuersten … bäh, der ist ja widerlich. Kein differenzierter Geschmack, alle schmecken sehr ähnlich, egal ob jung oder alt, ob billig oder teuer. Wie weit ist Madiran von hier?“
„Nur 800 Kilometer.“
„Wo ist der nächste Supermarkt mit Weinabteilung?“
„Vor dem Dorf.
„Nix wie hin!“